Die Zahl der weiblichen Consultants steigt stetig, aber langsam – ein Überblick der Faktoren, Fortschritte und Herausforderungen
Frauen in der Arbeitswelt – das ist ein Thema, das seit vielen, vielen Jahren Relevanz hat und mit dem sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer intensiv beschäftigen. Es hat sich viel getan: Arbeitende Frauen sind heute in allen Branchen, Fachgebieten und Unternehmen Normalität. Es gibt immer noch viel zu tun: Weder auf dem Papier noch im tatsächlichen Arbeitsumfeld sind Frauen immer und überall mit Männern gleichgestellt. Wir befinden uns jedoch auf dem Weg dorthin. Besonders Beratungsunternehmen bemühen sich verstärkt, attraktive Arbeitgeber für Frauen zu sein.
Flexible Arbeitsmodelle, mögliche Auszeiten, Sabbaticals, Home-Office, Förderprogramme: Abseits der 60-Stunden-Woche vieler Berater und Beraterinnen hat sich in Unternehmensberatungen viel getan, was den Beruf des Consultants mit einem Leben abseits der Arbeit vereinbar macht. Von diesen Neuerungen können Männer selbstverständlich ganz genauso profitieren wie ihre Kolleginnen – und das tun sie auch. Doch nach wie vor sind es mehr Frauen als Männer, die auf einen flexiblen Arbeitsalltag angewiesen sind, um nach der Familiengründung die Doppelbelastung von Kindern und Karriere bewältigen zu können. Ein Anstoß für mehr Flexibilität und Unterstützung seitens der Beratungen war und ist deshalb sicherlich das Bestreben, die Anzahl der weiblichen Consultants zu erhöhen.
Doch weshalb wollen Consulting-Firmen ihren Frauenanteil überhaupt aktiv steigern? Die Antwort ist simpel: Jenseits der Tatsache, dass es nur richtig ist, Frauen trotz Kindern eine Karriere zu ermöglichen, profitieren Unternehmensberatungen selbst davon, wenn sie unter ihren Mitarbeitern eine möglichst große Vielfalt haben. Gerade im Bereich Unternehmensberatung – im „People Business“ – können Teams von „typisch weiblichen“ Eigenschaften wie Feingefühl in der Kommunikation und sozialen Kompetenzen profitieren. Finanzexpertin Christina Ellringmann von Bain & Company sagt: „Frauen haben eine andere Sprache, sind diplomatischer, formulieren nicht so hart und können Männerrunden auflockern.“
Gruppen, die aus Männern und Frauen bestehen, arbeiten nachweislich mit höherem Erfolg als reine Männer-Teams
Die Einteilung in „typisch weiblich“ und „typisch männlich“ ist natürlich eine Pauschalisierung und wird nicht jedem Individuum gerecht. Darauf weist auch Silke Mayer, Principal der h&z Unternehmensberatung, hin. Sie sagt aber auch: „Schubladen wie diese sie beinhalten sicherlich ein Quäntchen Wahrheit; vor allem wenn man die Masse der Berater und Beraterinnen betrachtet.“ Und: Es geht vor allem um den Mehrwert, den gemischte Teams einem Unternehmen bringen – die Vielfalt an Perspektiven, die Fülle an Lösungsansätzen. Laut Mayer zeigen Studien, dass Teams mit Männern und Frauen einen höheren Projekterfolg erzielen als gleichgeschlechtliche Gruppen.
Dieser Aspekt ist selbstverständlich auch für die Kunden der Unternehmensberatungen von großer Bedeutung. In einer Befragung von Consulting-Kunden, die 2016 von Source Global Research durchgeführt wurde, äußerten 90 Prozent den Wunsch nach mehr Frauen in den Beratungsteams. Abgesehen von der höheren Erfolgsquote gemischter Teams, können Frauen auch Brücken zu Teams auf der Kundenseite schlagen, wenn diese aus Männern und Frauen bestehen. „Nicht selten passiert es, dass ich von Kunden das Feedback erhalte, es sei schön und erfreulich, eine Frau im Projektteam anzutreffen“, so Christina Ellringmann von Bain & Company.
Die Anzahl von Frauen in Beratungsteams steigt – langsam
All diese Erkenntnisse haben zu der verstärkten Suche nach weiblichen Consultants geführt und es lässt sich ein Anstieg der Frauen in Beratungen beobachten. Nach wie vor sind Frauen jedoch in der Minderheit, wie die Consulting-Kunden der genannten Befragung von 2016 bestätigen. Fiona Czerniawska von Source Global Research sagt: „Man sieht zwar mittlerweile Veränderungen, doch sie gehen nur sehr langsam vor sich. Und normalerweise gilt für Consultingunternehmen auch: Je höher die Ebene, desto niedriger der Frauenanteil.“
Da stellt sich die Frage: Wenn Unternehmensberatungen sich den Vorteilen weiblicher Consultants bewusst sind und sie gerne einstellen – wieso ist die Anzahl der Frauen in der Beratung dann noch nicht drastischer gestiegen?
Silke Mayer von h&z fasst das Hindernis treffend in einem Satz zusammen: „Nicht die Beratungen schrecken vor den Frauen zurück, sondern die Frauen vor der Beratung.“ Dieses Zurückschrecken betrifft Unternehmensberatungen auf zwei Ebenen: Die erste Hürde, die Beratungen bewältigen müssen, besteht daraus, Studentinnen und Absolventinnen von sich zu überzeugen und sie als Arbeitnehmerinnen zu gewinnen. Die zweite Hürde betrifft das Halten und die Beförderung dieser Beraterinnen – auch dann, wenn sie aufgrund von Familie und Kindern einen neuen Anspruch an den Berateralltag stellen (müssen).
Weibliche Vorbilder in der Beratung erleichtern das Recruiting weiblicher Consultants
Um potenzielle Bewerberinnen zu erreichen, gibt es inzwischen eine Vielzahl von Informationsveranstaltungen und Recruiting-Events, die sich ganz besonders an Frauen richten. Hier ist es wichtig, dass erfolgreiche Beraterinnen Rede und Antwort stehen, wie Dr. Thomas Fritz, Personalchef bei McKinsey, weiß. „Vor zwanzig Jahren haben wir nur wenige Frauen eingestellt und dementsprechend gab es lange Zeit auch keine echten Vorbilder für junge Frauen“, berichtet er. Inzwischen gibt es jedoch genügend weibliche Consultants bei McKinsey, die erzählen können, wie sie den Berateralltag meistern. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Ansatz, die verschiedenen Karrierepfade unserer Beraterinnen anhand von Vorbildern zu zeigen, eine sehr hohe Anziehungskraft auf Bewerberinnen hat“, so Fritz. McKinsey scheint die erste Hürde recht erfolgreich gemeistert zu haben: Knapp die Hälfte der Praktikanten und 40 Prozent der Berufseinsteiger waren im Jahr 2016 weiblich – ein Rekordwert für McKinsey.
Auch Susann Bäck von Bain & Company berichtet, dass der Frauenanteil hier und allgemein in der Beratungsbranche in den letzten Jahren stark gestiegen ist. 2015 war die Hälfte der Praktikanten und ein Drittel der Neueinsteiger bei Bain weiblich. „Ich empfinde das als sehr bereichernd“, sagt Bäck. Auch SMC und DB MC weisen im Jahr 2017 mit 30 bzw. 35 Prozent eine ähnliche Frauenquote im Bereich Neueinsteiger auf. Die h&z Unternehmensberatung stellte 2016 sogar zum ersten Mal mehr Frauen als Männer neu ein.
Auch wenn viele Neueinsteiger weiblich sind, so wird es doch noch eine ganze Weile dauern, bis in Consulting-Firmen ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen herrscht. Désirée Modic von TKMC berichtet: „Die Teamkonstellation ist bei uns ähnlich wie in anderen Beratungen, denn auch hier arbeiten deutlich weniger Frauen als Männer.“ Das finde sie persönlich sehr schade. „Für manche Frauen wirkt das industrielle Umfeld vielleicht nicht so attraktiv und noch immer gilt die Beraterbranche für viele als `Männerdomäne`“, spekuliert sie. Auch Daniela Mitterbuchner von Accenture erzählt, sie sei bei Besprechungen häufig die einzige Frau. „Gestört hat es mich nie, wirklich anders behandelt hat mich deswegen noch niemand“, sagt sie.
Teilzeit-Modelle und veränderte Ansichten zu Geschlechterrollen ermöglichen Müttern eine Consulting-Karriere neben der Familie
Auch wenn die erste Hürde bewältigt ist und viele Einsteigerinnen gewonnen wurden, heißt das nicht automatisch, dass sie längerfristig in der Beratung bleiben werden. Um aus vielen weiblichen Junior Consultants eine entsprechende Anzahl weiblicher Senior Consultants, Projektmanager und Partner zu machen, benötigt es Flexibilität und Unterstützung seitens der Beratungen. Auch hier hat sich bereits Einiges getan: Viele Beraterinnen berichten von flexiblen Arbeitsmodellen, durch die sich Kind und Karriere erfolgreich vereinbaren lassen.
Noch immer sind es die Frauen, die hauptsächlich mit dieser Doppelbelastung zu kämpfen haben, aber auch Männer fordern vermehrt Flexibilität und Zeit für die Familie: „In Elternzeit gehen bei uns fast ebenso viele Männer wie Frauen“, sagt HR Director von Accenture Marina Klein.
Während die Beraterin Melanie Purgar von Cofinpro noch Bedenken darüber äußert, wie sie ihren Beruf mit dem Wunsch nach einer Familie vereinbaren kann, erzählen andere bei junior//consultant, wie sie diesen Balanceakt bereits mit Erfolg bewältigen. Christina Ellringmann von Bain & Company arbeitet derzeit 70 Prozent und kümmert sich in der restlichen Zeit um ihre zweijährige Tochter. „Durch meine Erfahrungen bin ich der festen Überzeugung, dass sowohl Männer als auch Frauen in der Beratungsbranche Kinder und Karriere unter einen Hut bringen können. Das projektbezogene Arbeiten erlaubt flexible Aus- und Wiedereinstiegsmöglichkeiten. Es ist natürlich eine organisatorische Herausforderung“, sagt sie. Einige Beratungen bieten auch Hilfestellung bei der Kinderbetreuung an. Ein Beispiel dafür ist die Beratung zeb, die ihren Mitarbeitern gemeinsam mit einem Familienservice kostenlose Beratung und die Vermittlung von qualifizierter Betreuung zur Verfügung stellt.
Neben angepassten Arbeitszeiten ist den weiblichen Consultants besonders der Austausch mit anderen Beraterinnen wichtig. Das Fehlen von erfolgreichen Vorbildern war lange ein Problem für das Recruiting von weiblichen Einsteigern. Da es nun immer mehr Frauen in der Beratung gibt, bietet sich ihnen jetzt die Möglichkeit zum gegenseitigen Austausch. Bei Programmen wie „Women at Bain“ oder Veranstaltungen wie dem „McKinsey Women`s Day“ werden Erfahrungen und Probleme miteinander geteilt. Die vielen Beraterinnen, die Familie und Arbeit bereits erfolgreich miteinander vereinbaren, wirken sich dabei positiv auf die Ambitionen der restlichen Frauen aus.
Weibliche Consultants sind Alltag in der Beratung – weibliche Führungskräfte müssen erst noch Alltag werden
In der Beratungsbranche hat sich vieles vorwärts bewegt. Doch das ist noch nicht genug: Es muss weiterhin viel getan werden. Consulting-Firmen müssen vor allem darauf achten, nicht nur die weibliche Einsteigerquote zu erhöhen, sondern auch die Anzahl der Beraterinnen, die bleiben und in der Firma aufsteigen. Eine Herausforderung, die erst noch bewältigt werden muss, ist der geringe Anteil von Frauen in Führungspositionen. Mit einer Frauenquote von 39 Prozent, die sich konstant bis in das Topmanagement hält, ist DHL Consulting hier einer der Vorreiter.
Häufig fehlt in Beratungen nach wie vor eine Fülle an weiblichen Vorbildern, an denen sich Junior Consultants orientieren können. Die Junior Consultants brauchen Mentorinnen, die ihnen zeigen, wie man gleichzeitig vom Consultant zum Partner aufsteigen und Mutter zweier Kinder sein kann. Mit dem Willen zur Veränderung seitens der Beratungsfirmen und einem zunehmend modernerem Blick auf traditionelle Geschlechterrollen wird auch dieses Bild in Zukunft der Normalität entsprechen – genauso wie weibliche Consultants schon heute ein ganz normaler, geschätzter Teil von Unternehmensberatungen sind.
Autorin: Silvia Schilling