Warum Frauen im Consulting immer wichtiger werden
Wirtschaft und Industrie rufen öffentlich und medienwirksam nach weiblichen Mitarbeitern, nach Frauen in Führungspositionen. Warum eigentlich? Was sind die Gründe, jenseits der üblichen Image-Parolen? Was bringen Frauen, was Männer nicht leisten können? Mit welchen Pfunden sollten Frauen wirklich wuchern? Silke Mayer ist seit fast 20 Jahren Unternehmensberaterin und beschreibt, warum gerade Frauen für den Unternehmenserfolg wichtig sind.
Branchenwissen, Methodenkompetenz und Projektmanagement sind notwendig für den Projekterfolg, aber sie reichen nicht, damit die Berater beim Kunden trumpfen können. Oft sind es Eigenschaften des Teams, die das Projekt weiterbringen und dem Kunden imponieren. Hier macht sich Vielfalt bezahlt. Studien zeigen beispielsweise, dass gemischte Teams aus Männern und Frauen eindeutig einen höheren Projekterfolg vorweisen als eingeschlechtlich besetzte Teams. Es ist sozial und geschäftlich zugleich sinnvoll, auf gemischte Teams zu setzen und diese individuelle Verschiedenheit für den Unternehmenserfolg zu nutzen.
Frauen, die umworbene Minderheit – und die Hälfte des Potenzials
Frauen in Unternehmensberatungen sind nach wie vor in der Minderheit. Nur rund ein Fünftel der Berater sind weiblich. In den Führungsetagen sieht es noch „männlicher“ aus. Kein Wunder, dass weibliche Förderprogramme im Trend sind. Sie sind nicht nur inhaltlich wichtig, sondern auch deshalb, weil die Unterschiede zwischen dem weiblichen und männlichen Kommunikations- und Führungsverhalten durch sie bewusster wahrgenommen, geschätzt und entsprechend eingesetzt werden. Um Frauen für die Unternehmensberatung zu gewinnen, werben Unternehmen gezielt mit Angeboten, die ihnen den Beratungsberuf auch langfristig attraktiv machen. Es geht um Coaching, Kinderbetreuung, Home Office-Tage, Teilzeitmodelle bis hin zum Mentoring durch erfahrene Beraterinnen und Netzwerktreffen.
Während das Gehirn von Männern 14 Prozent schwerer ist, verfügen Frauen über eine bessere Verbindung der beiden Gehirnhälften und eine bessere Blutversorgung des Gehirns. Auch bei Genen und Hormonen lassen sich messbare Differenzen nachweisen. Rückschlüsse auf das typische Geschlechterverhalten sind daraus nicht abzuleiten. Wichtiger ist vielmehr die Frage, welchen Mehrwert Frauen in die Beratung einbringen – Stichwort Vielfalt. Beratungen, die sich um Frauen bemühen, geht es dabei nicht nur um den sozialen Anstrich, sondern um den Unternehmenserfolg. Studien zeigen klar, dass Beratungen, die auf Diversity setzen, andere Aspekte in Projekte einbringen, leichter neue Kunden erobern, die Teamatmosphäre verbessern und Krankheitszeiten reduzieren.
Nach heutiger Schätzung leben in den Industriestaaten mehr Frauen als Männer. Es wäre aus wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Perspektive höchst unsinnig, auf mehr als die Hälfte des Potenzials in der Beratung zu verzichten.
Rein in die Schublade. Was ist eigentlich typisch weiblich?
Fakt ist: Beratung ist „People Business“. Das erfordert viel Fingerspitzengefühl und Empathie. Gerade soziale Kompetenzen und Teamfähigkeit gelten als typisch weiblich. Ob das wirklich eine klassische weibliche Eigenschaft ist, das lässt sich nicht eindeutig beantworten. Klar ist nur, dass die typische Beraterin diese Eigenschaften eher zeigt als der typische Berater. Das mag zum Teil an Teamstrukturen und Rollenverhalten liegen. Ich selbst habe beispielsweise schon oft beobachtet, dass sich Männer in gemischten Teams leichter tun, ihre „weibliche“ Seite zu zeigen.
Auch die Wahrnehmung von Frauen und Männern hat Einfluss darauf, wie wir ein Verhalten bewerten oder anders formuliert, in welche Schublade wir die Person stecken. Es ist eine Art Selffulfilling Prophecy: Der typische Mann hat seine Emotionen unter Kontrolle, ist zielstrebig, ehrgeizig und durchsetzungsstark. Die typische Frau ist emotional, sozial orientiert, sicherheitsbedürftig und handelt intuitiv.
In Projekten sind Frauen tendenziell selbstkritischer als Männer. Wenn etwas schief läuft, fragen sie sich: „Was habe ich falsch gemacht?“ Auch dann, wenn das Feedback positiv war. Männer dagegen übersehen öfter – auch bei negativem Feedback – ihre eigenen Fehler. Auf Kritik reagieren sie häufiger mit Aggression und versuchen, andere für Fehler verantwortlich zu machen. Bei Problemlösungen wird Frauen nachgesagt, sie seien kreativer als ihre männlichen Kollegen. Frauen sprechen ausführlich über Probleme und haben Zugang zu verschiedenen Perspektiven, die sie in ihre Lösungen integrieren. Der weibliche Problemlösungsansatz scheint langfristig der erfolgreichere zu sein.
Raus aus der Schublade, rein in die Beratung – Unternehmen müssen begeistern
Schubladen wie diese sind sehr pauschal, aber sie beinhalten sicherlich ein Quäntchen Wahrheit; vor allem wenn man die Masse der Berater und Beraterinnen betrachtet. Das Individuum mag hier aus der Reihe tanzen – und genau das soll es auch. Trotz exzellenter Ausbildung verbiegen sich zu viele Frauen in der Beratung – aus Respekt vor den bestehenden Hierarchiestufen oder aus Angst, als Frau von Kollegen und Kunden nicht „für voll genommen“ zu werden. Sie befolgen die sogenannten „männlichen Spielregeln“. In der Beratung ist jedoch das individuelle Potenzial von Frauen gesucht. Erfolgreich werden jene Frauen sein, die auf ihre Persönlichkeit vertrauen anstatt von außen aufgesetzten Klischees zu folgen, ganz gleich ob diese männlich oder weiblich geprägt sind.
Sollen mehr Frauen für die Beratungsbranche begeistert werden, sind die Unternehmen selbst gefragt. Nicht die Beratungen schrecken vor den Frauen zurück, sondern die Frauen vor der Beratung. Es gilt, ein Umfeld zu schaffen, indem sich Frauen trauen, „klischeefrei“ ihr ganzes Potenzial in Beratungsprojekte einzubringen und damit den Mehrwert des ganzen Beratungsteams zu steigern.
Autor: Silke Mayer, h&z Unternehmensberatung
Dr. Silke Mayer, Principal bei h&z, hat mehr als 18 Jahre Erfahrung in der Unternehmensberatung. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Einkaufsoptimierung, Lieferanteninteraktion und Verhandlungsmanagement. Ihr Credo lautet: MIT dem Kunden arbeiten und nicht FÜR ihn.