Liebhaber von Schubladen-Denken für die Generationen Y und Z sollten an dieser Stelle nicht weiterlesen. Dieser Artikel bietet kein Koch-Rezept, mit dem man alle jungen Menschen über einen Kamm scheren kann. Wenn ich eines gelernt habe seitdem ich nun mehr als 12 Jahre mit Young Professionals zusammenarbeite, dann, dass Menschen und Situationen, in denen sie sich befinden, individuell sind. Ein Beitrag von Valentin Vollmer.
Egal ob in den sozialen Medien oder im echten Leben: jeder Mensch möchte als Individuum wahrgenommen werden. So weit so bekannt – allerdings hat die junge Generation ein sehr feines Gespür und ein stark ausgeprägtes Selbstbewusstsein, um ihre Individualität zu leben und deren Respekt einzufordern.
Daher finden Sie im Folgenden kein Koch-Rezept, jedoch ein paar Hinweise. Wenn Unternehmen etwas für Ihre junge Mitarbeiter tun wollen, sollten Sie ein paar einfache Regeln beachten.
Nehmen Sie Ihre jungen Mitarbeiter ernst
Menschen am Anfang des Berufslebens haben wenig Erfahrung. Man vergisst das nach ein paar Jahren in Beruf zwar schnell wieder, aber so ging es uns allen mal. Auch wenn man als Anfänger in das ein oder andere Fettnäpfchen tritt, so ist diese Lebensphase auch von Erfolgen, Neugier und Stolz geprägt. Berufseinsteiger wollen das im Studium Gelernte nun endlich in die Praxis umsetzen. Vielleicht sind nicht jede Handlung und jede Äußerung von Young Professionals immer auf den Punkt oder der Situation angemessen, aber dennoch wollen sie ernst genommen werden. Geschieht dies nicht, sondern erfolgen spöttische Kommentare der älteren Kollegen, hat das weitreichende Folgen.
An dieser Stelle sei der Vergleich mit kleinen Kindern erlaubt, die – bevormundet man sie oder nimmt sie nicht ernst – schon mal einen fundamentalen Wutanfall hinlegen. Selbstverständlich wird sich niemand im Arbeitsumfeld auf den Boden legen und laut schreien. Aber die emotionale Verletzung, wenn man nicht für voll genommen wird, ist dennoch real! Daher tun Unternehmen gut daran, Ihren jungen Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, zu lernen – nicht nur formalisiert im Rahmen der betrieblichen Weiterbildung, sondern durch eine Veränderung des Mindsets im Unternehmen. Mitarbeiter, vor allem gut ausgebildete Mitarbeiter, kennen ihren Marktwert – auch die Jungen! Niemand hat Lust darauf, als Arbeitssklave missbraucht zu werden. Jeder will im Job einen Sinn in der Arbeit sehen und erleben. Es ist die Aufgabe der Führungskräfte und älteren Kollegen, dafür einen Rahmen zu schaffen. Natürlich bedarf es auch des Engagements und der Eigeninitiative der jungen Talente, aber wenn Mitarbeiter ein Umfeld haben, in dem Sie ernstgenommen werden, geben Sie viel zurück. Es geht dabei nicht um eine Wohlfühlatmosphäre mit Ruheraum, Obstkorb und E-Bike. Vielmehr sind das Hierarchie-Verständnis und die Unternehmenskultur entscheidend, ob junge Talente sich für ein Unternehmen entscheiden und dort bleiben.
Binden Sie Ihre Mitarbeiter ein
Entscheidungen im Elfenbeinturm zu treffen ist sowas von oldschool. Klar kann nicht alles offengelegt werden, da es vertrauliche Themen gibt und selbstverständlich ist die Arbeit weder Ponyhof noch Wunschkonzert. Aber: Im Gespräch bleiben, um die Meinung fragen und Feedback einholen sind wertschätzende und einfache Möglichkeiten, alle mit einzubeziehen. Natürlich ist das anstrengender als „par ordre de mufti“ zu führen, jedoch eine für alle Seiten lohnenswerte Kommunikationskultur. Nicht nur weil alle Mitarbeiter Know-how haben und jeder seine Ideen einbringen kann (da sind auch oft gute dabei), sondern weil sich dieser Kulturwandel auszahlt. Gerade in Zeiten von VUCA und der digitalen Transformation ist eine offene und partizipative Unternehmenskultur entscheidend. Kein Unternehmen kann es sich leisten, auf die Beteiligung seiner Mitarbeiter zu verzichten. Nicht allein die Unternehmen wählen ihre Mitarbeiter, die Menschen wählen ihren Arbeitgeber aus. Dabei ist die Bezahlung nicht der wichtigste Entscheidungsfaktor, sondern Menschen suchen sich Unternehmen vor allem wegen der dort gelebten Kultur aus. Aktuell ist der Trend zu erkennen, das junge Mitarbeiter vor allem dann als wertvolle Ressourcen verstanden werden, wenn es um ihr digitales Know-how geht. So setzen viele Unternehmen im Rahmen des Reverse-Mentoring darauf, dass die Jungen den älteren Kollegen erklären, wie das „mit diesen Apps, Social Media und so weiter“ eigentlich funktioniert. Echte Wertschätzung gegenüber seinen jungen Talenten sieht anders aus…
Individualität beachten und fördern
Wie zu Beginn erwähnt, sind Schubladen für die Personalentwicklung und die Mitarbeiterführung nicht zielführend. So verlockend zahlreiche Ratgeber in bunten Bildern erklären, was die Generation Y und Z alles will, so wenig hilfreich ist deren Umsetzung, wenn es um den einzelnen Menschen geht. Setzen Sie sich also mit ihren jungen Führungskräften und Mitarbeitern hin und fragen sie, was sie für Ihre persönliche Entwicklung brauchen. Mit jedem einzeln und nicht mit der Gießkanne jeweils für Job-Profil-Cluster oder Job-Level! Begleiten Sie jeden Einzelnen auf ihrem Lernprozess und finden Sie individuelle Lernformate für ihre jungen Talente. Jeder Mensch hat andere Ziele und andere Entwicklungsfelder, die individuell gefördert werden sollten. Leider findet aktuell Personalentwicklung noch oft in Form von standardisierten und unpersönlichen HR-Prozessen vom Onboarding bis hin zur Weiterbildung statt. Da werden Mitarbeiter lieber in Heerscharen auf Schulungen geschickt und nach sechs Monaten wundern sich alle, dass der Lerntransfer so schlecht ist und der Mitarbeiter wenig umgesetzt oder verändert hat. In vielen Unternehmen muss man sich erst einen gewissen Rang erarbeiten, um echte individuelle Förderung zu bekommen. Warum eigentlich? Top-Manager und Vorstände haben doch längst alle einen Coach und haben erkannt, dass die Arbeit an sich selbst mit professioneller Begleitung keine Schwäche ist. Vielmehr ist die individuelle Persönlichkeitsentwicklung am nachhaltigsten und Basis für Erfolg.
Was bringt das alles dem Unternehmen? Ihre Mitarbeiter erkennen das Firmen-Investment in die Mitarbeiterentwicklung als Wertschätzung an. Sie fühlen sich ernst genommen und reden gut über ihren Arbeitgeber. Verstärktes Engagement, Loyalität und Bindung ans Unternehmen sind die Folgen. Selbst wenn der Mitarbeiter eines Tages das Unternehmen verlassen sollte, so wird er sich immer positiv an die individuelle Förderung durch das Unternehmen zurückerinnern und gegebenenfalls in ein paar Jahren gerne wieder zurückkommen. Im Wettstreit um die besten Köpfe müssen Unternehmen jetzt mit Weitblick handeln und ihre jungen Potenzialträger individuell fördern!
Valentin Vollmer
Valentin Vollmer hat in unterschiedlichen HR-Funktionen in einem Großkonzern mehr als zwölf Jahre mit Young Professionals und jungen Führungskräften gearbeitet und die Erfahrungen in seinem Buch „Was junge Mitarbeiter brauchen“ zusammengefasst. Weil ihm der Start ins Berufsleben eine Herzensangelegenheit ist, hat er 2017 die Online-Coaching-Plattform CoachNow (www.coach-now.de) gegründet und bietet seither mit dieser digitalen Lösung für Unternehmen ein innovatives Tool speziell für die Personalentwicklung junger Talente.
Ein Kommentar
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