Ein Gastbeitrag von Daniel Nerlich, Partner und Leiter Business & Professional Services bei Odgers Berndtson
Der globale Beratungsmarkt wächst und ist in Bewegung, Kräfteverhältnisse verschieben sich. Gleich eine Reihe an Beratungsgesellschaften buhlt um den dritten Platz unter den Top-Managementberatungen. Wer macht das Rennen?
Arthur D. Little, McKinsey, A.T. Kearney, dies sind die ersten drei Strategieberatungen der Welt – wenn es nach Gründungsjahren geht. Im Jahr 1886 gründete der MIT-Ehrendoktor Arthur Dehon Little in Cambridge das erste Beratungshaus der Welt. In den nachfolgenden Jahrzehnten gesellten sich weitere namhafte Firmen hinzu und schufen einen Markt, der zwischenzeitlich auf über 250 Mrd. US-Dollar Umsatz anwuchs. Als unbestrittener Marktführer im Bereich der Strategieberatung kristallisierte sich McKinsey heraus, gefolgt von der Boston Consulting Group (BCG). Während McKinsey bereits seit einigen Jahren keinen Umsatz mehr ausweist, laut Marktanalyst Lünendonk sollte dieser jedoch bei rund 8,2 Mrd. Dollar Umsatz liegen, verkündete BCG für 2017 einen offiziellen Jahresumsatz in Höhe von 6,3 Mrd. Dollar.
Doch welche Beratung sollten die Auftraggeber aus der Industrie darüber hinaus bei der Vergabe von Projekten berücksichtigen?
Der Consulting-Markt zerfällt in Cluster
Derzeit kommt es zu einem Auseinanderdriften zweier Pole: Zum einen können sich internationale Großberatungen mit exzellentem Brand und globaler Präsenz gut verkaufen. Andererseits punkten kleinere, spezialisierte Beratungen, die für ein hohes Maß an Kompetenz in einem spezifischen Bereich stehen und häufig mit erfahrenen Projektteams beim Kunden aufschlagen. Diejenigen Beratungen, die stuck in the middle sind, werden künftig vermutlich auf eine strategische Krise zusteuern. Zwei Strategien liegen auf der Hand: Entweder Expansion und Wachstum oder aber selbstauferlegte Spezialisierung und Schärfung des Profils.
Jenen Managementberatungen, die heute ein diversifiziertes Beratungsportfolio bieten und global vertreten sind, ist es daher wichtig, sich möglichst dicht an die Fersen des Spitzenduos zu heften. Wer ist nun konkret der Dritte im Bunde? Jahrelang sprach man international von „MBB“: McKinsey, BCG und Bain & Company. In Deutschland wiederum war Roland Berger über lange Jahre der schärfste Konkurrent. Zur Verdeutlichung: Im Jahr 2007 lag Roland Berger mit rund 3,5 Mio. Euro Umsatz Vorsprung vor BCG auf Platz zwei. Heute gibt es unter den klassischen Managementberatungen gleich mehrere Aspiranten auf Platz drei im globalen Managementberatungsmarkt. Bain & Company, Roland Berger, A.T. Kearney und Oliver Wyman haben in unterschiedlicher Prägnanz zum Ausdruck gebracht, dass sie diese Position erringen beziehungsweise verteidigen möchten.
Die Aspiranten um Platz drei im Detail
Als Spin-off von ehemaligen BCG-Beratern gegründet, ist Bain & Company mit exzellenter Reputation ausgestattet, wenn es um die Königsdisziplin Strategieentwicklung und das Private-Equity-Geschäft geht. Laut Schätzung von Marktanalysten liegt das Haus weltweit bei rund 2,5 Mrd. Euro Umsatz. Durch seine weltweite Präsenz und die exzellente Ausgangssituation wird Bain mit großer Wahrscheinlichkeit auch in der Zukunft sehr nah an den Spitzenplätzen bleiben.
Roland Berger hat unterdessen ein tiefes Tal der Tränen durchlaufen müssen. Während man in Europa und im asiatischen Raum sehr starke Präsenz hatte, biss man sich am Kernland des Consulting Nordamerika stets die Zähne aus. Mehrere Anläufe und ein gehöriges Investitionsbudget verpufften und limitieren Roland Berger zu einem regionalen Spieler. Infolge dessen diskutierte die Partnerschaft, ob ein Verkauf eine valide Option darstellen könnte. Als Käufer wurden Deloitte und Accenture heiß diskutiert, jedoch kam es zuletzt zur Entscheidung, inhabergeführt und unabhängig zu bleiben. Stattdessen investierte Roland Berger höchstpersönlich weiteres Geld zum Ausbau der Services und für internationale Expansion. Heute ist Roland Berger mit geschätzten 500 Mio. Euro Umsatz weltweit insbesondere wieder in seiner Kernkompetenz Restructuring & Corporate Finance am Markt visibel.
A.T. Kearney (ATK) wiederum verfolgte mit seiner Vision 2020 das klare Diktum, die Nummer drei im Managementconsulting zu werden. Entlang einer Umsatzgröße von 1,1 Mrd. Euro und einem beträchtlichen Abstand zu Bain & Company ein hehres Ziel. ATK ist ebenfalls inhabergeführt und kann somit nur das Geld investieren, welches man zuvor verdient oder gespart hat. Diese Prämisse führte zuletzt in Deutschland dazu, dass man einen rigorosen Sparplan aufsetzte und die Standorte Frankfurt und Stuttgart schloss. Ob die freigesetzte Liquidität dazu führen wird, den Anschluss zu Bain zu finden, ist zweifelhaft.
Als letzter im Bunde der Verfolger lohnt ein Blick auf Oliver Wyman. Besonders interessant: Oliver Wyman mit rund 1,6 Mrd. Euro Umsatz weltweit ist Teil der Marsh & McLennan Companies. Hierbei handelt es sich um eine äußerst liquide Holding, die insgesamt für rund 13,2 Mrd. US-Dollar Umsatz steht und einen deutlichen Investitionshebel ansetzen kann. Hier stellt sich letztlich nur die Frage, ob die Gruppe das Managementberatungsfeld für so lukrativ erachtet, dass man strategisch in Oliver Wyman investieren möchte.
Eine Frage der Perspektive
Sind damit die Kräfteverhältnisse beschrieben und der Markt abgesteckt? Bei weitem nicht, denn ein Faktor besitzt die Kraft, jegliche Ranking-Diskussion zu sprengen: Konvergenz. Immer seltener bieten Managementberatungen allein strategisch-konzeptionelle Beratung an. Dass McKinsey & Co. immer weitere Design-Thinking-Beratungen oder Digitalagenturen aufkaufen, zeigt, dass aus Beratung im klassischen Sinne immer mehr eine Lösung aus verschiedenen Services wird. Zugleich streben die großen Wirtschaftsprüfer immer vehementer in das Feld der traditionellen Consultants.
Warum also die Diskussion um einen dritten Platz irgendeines Rankings? McKinsey & Co. erzielen ihre Umsätze schon heute längst nicht mehr allein aus reiner Strategieberatung, PwC & Co. sind nicht mehr nur reine Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Accenture & Co. zählen bereits heute zu den größten Kreativagenturen der Welt. Zukünftig wird es wichtiger sein, ein Auge auf die schlagkräftigsten Plattformen zu werfen, die Kundenprobleme am besten lösen können.
Daniel Nerlich, Odgers Berndtson
Daniel Nerlich ist Partner und Leiter des Bereichs Business Professional Services bei Odgers Berndtson in Frankfurt. Der 39-Jährige ist auf die Vermittlung von Führungskräften in den Bereichen Consulting, Inhouse-Consulting und Technology spezialisiert. Nerlich gibt außerdem den Consulting-Monitor heraus, eine jährlich veröffentlichte Studie zur Karriere im Beratungsmarkt.