
Ein Beitrag von Lars Linnekogel, Berater bei BCG
In der Luftfahrt tobt der Preiskampf, die Airlines sind auf die Suche nach Alleinstellungsmerkmalen. Wie wird sich der Wettbewerb entwickeln? Einen ganz direkten Einblick in die Branche haben die Consultants – insbesondere die der Strategieberatungen. Lars Linnekogel, Berater bei BCG, erklärt, welche Herausforderungen er sieht und wie man diesen begegnet.
Die steigende globale Nachfrage nach Lufttransportleistungen lässt den Markt stetig weiter wachsen. Es ist von einer Verdopplung des Flugverkehrs innerhalb der nächsten 15 Jahre auszugehen. Die Luftfahrt soll dabei immer nachhaltiger, effizienter und gleichzeitig umweltschonender werden. Fragen zu Umweltbelastung und Lärmemissionen, zu begrenzten Platzkapazitäten für weitere bauliche Maßnahmen und zu den damit verbundenen wachsenden Anforderungen an infrastrukturelle Lösungen stellen sich mit zunehmender Dringlichkeit.
Auch der ökonomische Druck auf die Airlines steigt permanent. Fliegen ist für die meisten Menschen heutzutage bereits gesellschaftlicher Alltag. Es gibt eine Fülle von Angeboten und der Wettbewerbsdruck steigt. Für viele Airlines wird es immer schwieriger, Alleinstellungsmerkmale zu finden und sich entsprechend am Markt zu positionieren. Nicht nur die Low-Cost-Carrier, also die sogenannten Billigflieger, die zwar weniger Glamour bieten, dafür aber Flüge zu deutlich günstigeren Preisen offerieren, tragen erheblich zur Verschärfung des Preiskampfes bei. Als weitere Wettbewerber sind Fluglinien aus dem Nahen Osten nicht zu unterschätzen, die durch die geografische Lage ihrer Flughäfen und große Langstreckenflotten zusätzlich preislichen Druck am Markt erzeugen. Dies sind nur einige der vielen Herausforderungen, denen sich die Branche jetzt und künftig gegenübersieht.
Die Aufgaben der Consultants
Für Unternehmensberater ergibt sich dabei ein weites Aufgabenfeld. Bei der Bewältigung der beschriebenen Fragestellungen und Probleme beraten wir die größten Airlines weltweit. Kerninhalte unserer Arbeit sind die Definierung von Zielgruppen, Kundenbindung, Umsatzfragen, Pricing, operative Fragen bei Prozesssteuerung und Prozessoptimierung. Aber auch Aufgaben wie beispielsweise die Erweiterung von Produktportfolios oder die Produktionsoptimierung bei der Herstellung und Wartung von Flugzeugen gehören zum Tätigkeitsspektrum von Beratern in der Luftfahrtbranche.
Projektbeispiele aus der Praxis
Bei einem meiner Projekte ging es darum, gemeinsam mit einer etablierten Fluggesellschaft ein Produkt zu entwickeln, das sich durch ein modernes Design, innovative Unterhaltungstechnik, adäquate Werbemaßnahmen und die fokussierte Integration von Social Media vom direkten Wettbewerb absetzt. Dabei arbeiteten wir nicht nur konzeptionell, sondern stiegen konkret in die Produktgestaltung ein und begleiteten unseren Kunden von der Idee bis hin zur Bestellung von Flugzeugen und Ausstattung. Das neue Produkt wird bereits 2013 auf dem Markt verfügbar sein und unserem Kunden ein ausgeprägtes Alleinstellungsmerkmal verschaffen.
Eine weitere typische Fragestellung ist die Unterstützung bei der Vertriebsoptimierung, beispielsweise bei einem Low-Cost-Carrier: Die Airline wächst schnell und hat neue Ziele in Schwellenländern und in Asien auf den Flugplan genommen – der klassische Low-Cost-Vertrieb über das Internet funktioniert dort jedoch nur eingeschränkt, da viele Kunden vor Ort über keine Internetverbindung oder eine Kreditkarte verfügen. In diesem Fall sind Vertriebsbüros oder lokale Vertriebspartnerschaften notwendig.
Ein weiteres typisches Beratungsprojekt in der Luftfahrtbranche könnte beispielsweise im Airlinecatering liegen. Nehmen wir an, eine Fluggesellschaft schreibt einen Großauftrag für das Catering aus und bittet die Unternehmen, innovative Konzepte vorzustellen, die das Flugerlebnis für die Passagiere aufwerten und zugleich die Kosten für die Fluggesellschaft senken. In diesem Beispiel ginge es um die gemeinsame Erarbeitung innovativer Produktkonzepte, die dem Kunden helfen, sich deutlich von den Wettbewerbern abzusetzen.
Operative und strategische Fragestellungen
Unsere Beratungsleistung beschränkt sich jedoch nicht auf die Fluggesellschaften, sondern umfasst die gesamte Wertschöpfungskette. So arbeitet beispielsweise unsere Industriegüter-Praxisgruppe für führende Flugzeughersteller an operativen und strategischen Fragen. Ein typisches Beispiel für eine solche strategische Aufgabe kann etwa die Beratung bei der Abschätzung der zukünftigen Nachfrage für bestimmte Flugzeugmuster darstellen. Wird es mehr Direktverkehr mit mittelgroßen Flugzeugen, wie dem Dreamliner von Boeing oder dem A350 von Airbus, geben, oder behält der Hub-Verkehr seine Dominanz und lassen sich dementsprechend große Flugzeuge – wie beispielsweise der A380 – absetzen? Welche Produktionskapazitäten müssen vorgehalten werden und wo lohnen sich Produktionsstätten? Bei der Beantwortung solcher Fragestellungen besteht unsere Aufgabe darin, zukünftige Verkehrsströme zu prognostizieren, das Vorgehen von Fluggesellschaften zu bewerten und Potenziale aus wirtschaftlich stark wachsenden Regionen wie China oder Indien zu analysieren. Operative Fragen hingegen zielen beispielsweise auf die Optimierung der Produktionsabläufe. Dabei kann es um die Vermeidung von Verschwendung gehen oder um die Planung von Personalkapazitäten und deren Einsatz.
Arbeitsablauf des Beraters
Wie sieht unsere Arbeit im Detail aus? Von Montag bis Donnerstag arbeiten wir beim Kunden vor Ort, am Freitag in der Regel im „Heimat“-Büro in der jeweiligen Stadt. Das ist äußerst praktisch, um sich mit Kollegen intensiv über Fragen auszutauschen oder andere Experten hinzuzuziehen. Beim Kunden beginnt die Arbeit mit der Analyse der aktuellen Ausgangslage, das heißt, wir bilden zuallererst den Ist-Zustand ab. Dies dient als Basis unserer weiteren Arbeit.
Darauf aufbauend entwickeln wir dann Lösungsansätze und erstellen Konzepte. Die einzelnen Schritte innerhalb des Projekts werden in enger Kooperation mit dem Kunden erarbeitet. Zu unserer Tätigkeit gehören beispielsweise Markt- und Wettbewerbsanalysen genauso wie die Durchführung von Benchmarkings oder auch die Moderation von Workshops und Umfragen im Kunden- ebenso wie im Mitarbeiterkreis. Ist das fertige Konzept erstellt, bekommt der Kunde dieses inklusive einer umfassenden Projektdokumentation ausgehändigt.
Mehr als bloße theoretische Konzepte
Entgegen der Annahme, dass Unternehmensberater nur abstrakt arbeiten und lediglich theoretische Konstrukte vorlegen, hört unsere Arbeit in den meisten Fällen nicht mit der Konzepterstellung auf. Für den Kunden ist es wichtig, die Lösungen im Anschluss umsetzen und implementieren zu können. Wir begleiten unsere Kunden darüber hinaus bei allen fortführenden Maßnahmen während der Umsetzung – bei Produktentwicklungen beispielsweise bis hin zum fertigen Produkt. Es ist wirklich ein gutes Gefühl, wenn dann ein Produkt auf den Markt kommt, an dessen Entstehung man selbst mitbeteiligt war.
Was man mitbringen sollte
Für die Arbeit als Berater sind betriebswirtschaftliche Kenntnisse unumgänglich. Diese werden allen „Newies“ in einem intensiven Einsteigerkurs beigebracht, sodass auch Nicht-Wirtschaftswissenschaftler sich das nötige Handwerkszeug für ihre Tätigkeit aneignen. Als Berater müssen wir oft abstrakt denken und uns schnell mit komplexen Sachverhalten vertraut machen. Eine ausgeprägte Analysefähigkeit, eine schnelle Auffassungsgabe und komplexes Denken sind die unersetzliche Grundlage, um in diesem Beruf erfolgreich arbeiten zu können.
Speziell in der Luftfahrtbranche braucht man als Berater ein solides technisches Grundverständnis und ein grundlegendes Branchenwissen, um sich zügig in die verschiedenen Fälle einzuarbeiten und sein Arbeitsumfeld rasch kennenzulernen. Außerdem ist es für uns Berater wichtig, über den Tellerrand blicken zu können – und das auch zu wollen. Wir finden die unterschiedlichsten, häufig überraschende Lösungsansätze und sind in unserem Denken ebenso flexibel wie in unserer täglichen Arbeit.
Wer sich für den Beraterberuf entscheidet, muss neben technischem und wirtschaftlichem Grundwissen über fundierte Englischkenntnisse verfügen und bereit sein, viel zu reisen. Gerade die Luftfahrtindustrie ist eine globale Branche, die Firmensitze sind über den gesamten Globus verteilt. Die Teams sind daher oft international mit Kollegen aus den verschiedensten Ländern besetzt, und man arbeitet vor Ort beim jeweiligen Kunden.
Was man zu schätzen lernt
Ich bin seit 2011 bei BCG und habe die Entscheidung für die Beratung bisher an keinem Tag bereut. An meinem Beruf schätze ich vor allem die hohe Flexibilität, die dieser bietet, und die stetige persönliche Weiterentwicklung durch neue Kunden, Projekte und wechselnde Teams. Jeden Tag lerne ich Neues dazu und kann mich weiterentwickeln.
Die enge Zusammenarbeit im Team und die ausgeprägte Kollegialität bei BCG machen das Arbeiten auch in stressigen Zeiten sehr angenehm. Man kann als Unternehmensberater aktiv Firmen, den Markt und so auch die Wirtschaft mitgestalten – das sorgt nach jedem Projekt für ein gutes Gefühl. Gerade in einer so dynamischen Industrie, wie es die Luftfahrtbranche ist, macht es Spaß, selbst an deren Entwicklung beteiligt zu sein.