Mittwoch 2. Januar. Jahresstart. Arbeitsstart. Anika beginnt ihre Laufbahn als Beraterin. Seit diesen Monat ist sie vollwertiger Mitarbeiter unserer Consulting Boutique. Ab Tag 1 begleitet Anika einen Mandanten aus der Automotive Branche in der Konzeption einer neuen Business Software für Materialbeschaffung. Als Junior Consultant unterstützt sie mich. Zeit für einen Ramp-up … Ein Gastbeitrag von Dr. Christopher Schulz.
Zentrale Projektakteure kennen und klassifizieren – das Zwiebelschalenmodell
Seit heute besitzt Anika Notebook, Smartphone und Zugangskarte. Und dann geht es auch schon los, die Beratungsarbeit. Ich stelle ihr unser Projekt vor. Neben den Top-Geschäftszielen erkläre ich mittels eines kleinen Foliensatzes den Umfang und die Teilnehmer des Vorhabens. Doch schnell breche ich den Monolog ab. Stattdessen möchte ich den Neuling etwas austesten. „Und Anika“ wende ich mich an sie „Was würdest Du zu Beginn unseres Beratungsprojektes tun?“. Anika blickt mich etwas verwundert an. Meine Frage trifft sie unvorbereitet. Zögerlich reagiert sie: „Ich würde zunächst in Erfahrung bringen, wer am Projekt alles beteiligt ist.“.
„Ganz, genau.“ bestätige ich. „Zum Projektstart liegst Du mit einer Stakeholderanalyse goldrichtig.“. Und dann zeige ich Anika, welche Consulting Methode ich dafür zum Einsatz bringe. Nämlich das Onion Model – zu Deutsch Zwiebelmodell – von Ian F. Alexander. Analog einer Zwiebel unterteilt das Modell die Stakeholder eines IT-Systems in drei Schichten: 1. Stakeholder des Systems, 2. Stakeholder der direkten Umgebung und 3. Stakeholder der weiten Umgebung. Erste Gruppe ist direkt vom System betroffen, beispielsweise die Nutzer oder Administratoren. Stakeholder der direkten und weiten Umgebung sind indirekt betroffen bzw. stehen nur in Beziehung zum System oder Projekt. Beispiele sind der Sponsor, der Betriebsrat sowie die interne Revision.
„Der Vorteil des Onion Models ist seine visuelle Komponente.“ unterstreiche ich. „Dem Projektleiter wird auf einem Blick klar, welcher Stakeholder mit dem neuen System wie in Verbindung steht.“. Zusätzlich kann das Onion Model um weitere Aspekte ergänzt werden. „Beispielsweise färbst Du die Karte ein. Auf diese Weise hältst Du fest, ob ein Stakeholder ‚zu informieren‘, ‚zu konsultieren‘ oder ‚zu entscheiden‘ hat.“ erkläre ich. Anika ist das Konzept in wenigen Minuten sonnenklar und sie startet mit der Stakeholderanalyse. Das Onion Model dient ihr dabei als Leitfaden und Denkwerkzeug.
Standort und Ziel definieren – mit der Problem-/Zielbeschreibung
Die wichtigsten Stakeholder und der Umgang mit ihnen sind uns nun bekannt. Der Grundstein für das Projekt ist gelegt. „Doch was ist eigentlich das Problem? Und worin besteht unser Beitrag am Vorhaben?“ richte ich meinen beiden nächsten Fragen an Anika. Sie kontert: „Steht das nicht im Beratungsangebot?“. „Exakt.“ gebe ich zu. „Doch trotz einem guten Proposal empfehle ich eine Auftragsklärung, beispielsweise mit der Consulting Methode Problem-/Zielbeschreibung.“
In der Praxis präzisieren Beratungskunden nicht immer zu 100 Prozent, was sie wollen bzw. an welcher Stelle sie aktuell stehen. Auch ist nicht immer schon in der Auftragsdefinitionsphase klar, welcher Scope betrachtet werden muss, welche Randbedingungen gelten und welche Annahmen zu treffen sind. Unternehmensberater sollten diese Aspekte fixieren. Schließlich werden sie an Ergebnissen und deren Nutzen gemessen. Die Problem-/Zielbeschreibung unterstützt dabei.
Gesagt getan. Auf Basis unseres Beratungsangebots und der vom Kunden bereitgestellten Projektdokumentation macht sich Anika daran, den 1-Seiter zu ergänzen. Ich füge hinzu: „Menschen setzen sich nicht gerne mit Problemen auseinander, sondern arbeiten viel lieber an Lösungen. Die Problem-/Zielbeschreibungen hilft, das Problem – also das Warum für ein Projekt – genügend Platz einzuräumen.“.
Gesprächsserien effizient umsetzen – die Interviewlandkarte
Stakeholder, Check. Problem- und Zielzustand, Check. Jetzt wo die Ziele, die Mitspieler und der Scope klar sind, kann es in die Ist-Erfassung gehen. Neben Desk Research, also der Suche in Dokumenten, IT-Systemen und Webseiten, umfasst das in der Beratung oft das Interviewen von Wissensträgern.
Ein drittes Mal bitte ich Anika, aktiv zu werden. „Was fällt Dir zum Thema Datenerhebung per Interview ein?“. Meine Kollegin strahlt und beginnt von ihrer Masterarbeit zu erzählen. In dieser interviewte sie 15 Industriepartner zum Thema Customer Success Management. „Was hast Du dafür eingesetzt?“ möchte ich genauer wissen. Anika berichtet von ihrem Interviewleitfaden, der Gesprächsaufnahme und dem Ergebnisprotokoll.
Ich nicke. „Das Problem im Alltagsgeschäft ist der Zeitmangel. Kundenmitarbeiter sind mit zahlreichen Aufgaben und Projekten eingedeckt. Für langes Lesen und Prüfen von Leitfäden bzw. Protokollen steht meist nur wenig Kapazität zur Verfügung.“. Als Alternative schlage ich Anika die Consulting Methode Interviewlandkarte vor. Auf einer einzelnen Seite sind die wichtigsten Fragen an den Interviewpartner zusammengefasst und in Themenfeldern gruppiert. Das gibt im Gespräch Orientierung, vermeidet Protokollballast und ist dem Interviewpartner eine willkommene Abwechslung.
„Sende die leere Folie mit den gut überlegten Fragen einfach im Vorfeld an den Gesprächspartner. Im Termin gehst Du dann schrittweise durch die Felder und ergänzt die besprochenen Fakten. Nach dem Treffen erhält der Interviewte die Karte als Beleg der Konversation und Aufruf zum Review.“. Anika nickt und ich füge hinzu „Insbesondere Interviewserien lassen sich auf Basis der Landkarte effizient durchführen. Alles steht immer am gleichen Platz. Jedes Gespräch, eine Folie.“.
Damit wäre auch unser drittes Werkzeug vorbereitet. Wir sind bereit. Das Beratungsprojekt kann beginnen.
Dr. Christopher Schulz, www.Consulting-Life.de
Christopher Schulz entlastet Kunden bei der Bebauung ihrer Fach- & IT-Landschaften und speziell bei der strukturierten und effizienten Auswahl der optimalen Business Software.
Seit 2015 gibt er sein Wissen in Büchern und seinem Blog Consulting-Life.de an Absolventen und Jungberater weiter. Seine Methodenkompetenz und Erfahrungen hat er vor kurzem in den in digitalen Consulting Methodenkoffer überführt. Dieser hilft Beratern, Coaches und Projektleitern ihre Wissensarbeit zu professionalisieren und Kunden mit erstklassigen Ergebnissen zu begeistern.