Dr. Hans-Jörg Kutschera im Interview über die Veränderungen bei Strategy&
Bei Strategy& haben die Covid19-Pandemie und demografische Entwicklungen für Veränderungen gesorgt. In Zukunft will das Beratungsunternehmen auf ein gutes Gleichgewicht zwischen physischer und virtueller Welt bauen und dabei die Mitarbeiterzufriedenheit positiv zu beeinflussen. Dr. Hans-Jörg Kutschera, Strategy& erzählt im Interview über die Wichtigkeit sowohl von Mitarbeiterförderung als auch von Nachhaltigkeit.
Corona hat das Arbeiten verändert. Was bleibt davon, wenn die Pandemie überwunden ist?
In der Tat hat Corona das Arbeiten in der Beratung stark verändert. Während des harten Lockdowns und weiterer Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie waren insbesondere unsere Reisetätigkeit sowie der Bürobetrieb bei uns als auch bei unseren Kunden stark eingeschränkt. Die vorher überwiegend physische Interaktion beim Kunden oder in unseren Büros hatte sich in eine überwiegend virtuelle Zusammenarbeit von zuhause gewandelt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass virtuelle Interaktion sehr effizient und auch effektiv sein kann, wenn man sie richtig gestaltet und ein belastbares Vertrauensverhältnis besteht. Gleichzeitig bringt der Arbeitsalltag mit mehr Zeit vor dem Rechner deutlich weniger Abwechslung als im Vergleich zu Vor-Pandemie-Zeiten. Darunter hat der soziale und wichtige zwischenmenschliche Austausch gelitten. Mit zunehmenden Lockerungen zeigt sich, wie wichtig dieser Austausch ist, um unsere Grundwerte wie Kollaboration und Apprenticeship zu leben.
Entscheidend ist daher, dass wir in Zukunft auf einen gesunden Mix zwischen physischer und virtueller Welt bauen und somit die Vorteile beider Arbeitsweisen nutzen, um mehr Flexibilität zu gewinnen. Ein Schlüsselfaktor im hybriden Setting ist es, die Mitarbeiterzufriedenheit positiv zu beeinflussen. Hierfür hat sich insbesondere in Projektteams ein kontinuierlicher und offener Dialog über die Kundenanforderungen, die Teambedürfnisse und individuelle Präferenzen bewährt.
Durch die nur noch eingeschränkte Reisemöglichkeiten hat sich auch die Beratung der Kunden verändert. Wie sehr ist heute die Präsenz vor Ort gewünscht?
Die grundlegendste Veränderung betrifft die physische Interaktion mit dem Kunden, die nicht mehr dem Standard von vier Tagen beim Kunden und einem Tag im Büro am Heimatstandort folgt, sondern in Zukunft noch stärker auf die Kundensituation zugeschnitten sein wird. Meist macht es Sinn, zu Beginn eines Projektes mit dem Kundenteam vor Ort zusammenzukommen, um Inhalte, Hypothesen und Projektorganisation durchzusprechen und das gegenseitige Vertrauen aufzubauen.
Datensammlung und Interviews, insbesondere an verteilten Standorten und im globalen Kontext, sind dagegen häufig virtuell schneller und einfacher umsetzbar. In dieser Projektphase fordern daher immer weniger Kunden die physische Anwesenheit unserer Beraterteams. Ergebnispräsentationen und die Diskussion von Projektergebnissen sind wiederum physisch oder hybrid effektiver. Die Verwendung innovativer Tools hat die virtuelle Zusammenarbeit dabei stark verbessert, da sie die Interaktion am Flipchart nicht nur ersetzen, sondern durch digitale Möglichkeiten auch deutlich darüber hinausgehen. Kunden haben außerdem Zugriff auf weltweite Expertise international tätiger Berater:innen, die virtuell flexibel dazugeschaltet werden können. Daher schätzen nach vielen positiven Erfahrungen fast alle unserer Kunden die Vorteile, die eine hybride Zusammenarbeit bietet.
„Ziel der Beratung muss es sein, menschlichen Einfallsreichtum mit Technologie zu verbinden“
Dr. Hans-Jörg Kutschera, Strategy&
In Job Descriptions wird oft „Technologiekompetenz” gefordert. Was verstehen Sie persönlich darunter und wie wappnet man sich im Studium dafür?
Früher war es als Berater:in ausreichend, die klassischen Text- und Datenverarbeitungsprogramme wie Word, PowerPoint und Excel zu beherrschen. Heute geht das deutlich darüber hinaus. Wir setzen auf Data-Analytics- und Business-Intelligence-Lösungen und schulen unsere Berater:innen darin, größere Datenmengen zu verarbeiten, zu analysieren und zu visualisieren.
Das ist aber nur ein Aspekt von Technologiekompetenz. Das Bündeln und vor allem das Nutzen der Daten wird auch für unsere Kunden immer wichtiger. Ganze Geschäftsmodelle sowie die darunterliegende Prozess- und Systemwelt ändern sich. Sprich: Man sollte sich am besten auch schon während des Studiums oder in Praktika damit beschäftigen, wie aus Daten Wert generiert werden kann und wie man diese Fähigkeiten aufbaut – ob es etwa um Data-Analytics-Lösungen oder Prozessdigitalisierung geht, oder wie man die darunter liegende Datenarchitektur organisatorisch und technologisch umsetzt.
Eine naheliegende Schlussfolgerung einer Entwicklung zu mehr KI-gestützter Datenanalyse wäre, dass Sie als Beratung vor allem in Technologie investieren: Diese lässt sich skalieren und in der Digitalisierung ein erheblicher Know-how-Vorsprung erarbeiten. Warum bleiben Menschen trotzdem in der Beratung elementar?
Als Teil des PwC-Netzwerks investieren wir signifikant in technologische Lösungen. Diese helfen uns unseren Berateralltag, die Kundeninteraktion und Projektergebnisse effizienter und effektiver zu gestalten. Dennoch sind wir der festen Überzeugung, dass die Zukunft zwar von Technologie geprägt ist, allerdings vom Menschen geführt wird. Berater:innen und Technik müssen Hand in Hand arbeiten. Die Entscheidungsfindung liegt auch zukünftig häufig noch bei den Menschen, während die Technologie Transparenz erzeugt und Entscheidungshilfe gibt. Ziel der Beratung muss es sein, menschlichen Einfallsreichtum mit Technologie zu verbinden, um schnellere, intelligentere und bessere Ergebnisse zu erzielen und gleichzeitig Vertrauen in der gesamten Wertschöpfungskette aufzubauen.
Die demografische Entwicklung sowie sich verändernde Arbeitswelten werden zunehmend zu einem erfolgskritischen Faktor für die Erreichung wirtschaftlicher Ziele. Sie und Ihr Unternehmen haben diese Entwicklung frühzeitig antizipiert. Wie nehmen Sie diese Entwicklung heute wahr und welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus für Ihre Arbeitsorganisation?
Mit dem demografischen Wandel und den veränderten Arbeitswelten setzen wir noch mehr Fokus auf die Diversität unserer Beratungsteams, die wir als großen Vorteil sehen und mit internen Initiativen sowie Netzwerken zu ,Diversity‘ und ,Inclusion‘ aktiv fördern und ständig weiterentwickeln. Nur wenn es uns gelingt, für die besten Talente mit unterschiedlichem Hintergrund attraktiv sein, können wir unsere Wachstumsziele erreichen. Die Ansprüche eines diversen Talentpools haben sich zum Teil deutlich verändert und sind je nach Karrierestufe oder auch persönlichem Hintergrund zunehmend unterschiedlich. Flexibilität in verschiedenen Dimensionen ist daher wichtiger denn je: Sowohl in Bezug auf den operativen Berateralltag als auch für den langfristigen Karrierepfad oder die Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Ambitionen.
Auch wenn wir schon vor der Pandemie viel dafür getan haben, flexible Arbeitsmodelle zu ermöglichen, hat uns die Covid-19-Pandemie geholfen, die Implementierung noch schneller voranzutreiben.
Wir würden Ihnen gerne drei Stichworte dazu geben, mit welchen Inhalten Ihr Haus heute Top-Absolvent:innen überzeugt:
Challenge
Bei uns sind Fordern und Fördern gleichermaßen in der Firmenkultur verankert. Unsere Berater:innen haben ab ihrem Einstieg die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen, sowohl beim Kunden als auch intern. Durch vielfältige Projekte in verschiedenen Branchen und funktionalen Themen ergibt sich für die Berater:innen eine steile Lernkurve. Dabei ist uns eine kontinuierliche Begleitung durch erfahrene Kolleg:innen wichtig. Wir pflegen dabei eine ausgeprägte Lern- und Feedbackkultur. Das fängt bereits mit dem offiziellen Onboarding und der Vernetzung mit Kolleg:innen an und wird dann durch offizielle Mentorenprogramme, aber auch ‚Office Buddys‘ am Heimatstandort begleitet. Regelmäßiges Feedback nach jedem Projekt und Appraisalprozesse ergänzen die Förderung der Entwicklung.
Darüber hinaus bieten wir neben dem projektbasierten Lernen auch ein umfassendes Trainings-Curriculum, universitäre Weiterbildung wie Mini-MBAs für Nicht-BWLer, und das Sponsoring von MBA-, PhD- und Masterprogrammen an.
„Wissbegierde mit hohem Werteverständnis sind die Fundamente für Potential“
Dr. Hans-Jörg Kutschera, Strategy&
Sinnstiftung
Der ‚Purpose‘ war und ist in der Beratung sehr wichtig. Alle unsere Berater:innen sind hoch motiviert, wollen etwas bewegen und mit ihrer Arbeit dazu beitragen, dass unsere Kunden für die Zukunft bestmöglich aufgestellt sind. Wir erarbeiten mit und für unsere Kunden Zukunftsvisionen und setzen diese mit unserem ‚Strategy to execution‘-Ansatz auch zusammen mit unseren Kolleg:innen aus dem PwC-Netzwerk um. Diese ganzheitliche Transformation zu begleiten, empfinden viele unserer Berater:innen als großen persönlichen Mehrwert, da sie den Einfluss ihrer Arbeit direkt miterleben. Nachhaltigkeit und die drei ESG-Dimensionen Klima, Soziales und Governance gewinnen dabei auch zunehmend an Bedeutung. Unsere ESG-Practice, die Kunden zu Nachhaltigkeitsaspekten und Strategien zum Erreichen einer emissionsfreien Zukunft berät, wächst stetig und wir investieren in den weiteren Auf- und Ausbau von Know-how in diesem Bereich. Zusätzlich haben wir aber auch den Anspruch, unser eigenes Unternehmen nachhaltig auszurichten. Neben unserem langjährigen Engagement für gemeinnützige Organisationen und Pro-Bono-Projekte, haben wir uns Ende letzten Jahres beispielsweise als Teil des globalen PwC-Netzwerks verpflichtet ,Carbon Net Zero‘ bis 2030 umzusetzen – was konkret bedeutet, dass wir unsere CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2019 mindestens halbieren und dann die noch verbleibenden Emissionen durch proaktives Abschneiden von Kohlenstoff aus der Atmosphäre eliminieren.
Arbeit & Leben
Während der Covid-19-Pandemie haben wir ein neues Arbeitsmodell für uns entwickelt, das sowohl unseren Kunden als auch unseren Berater:innen mehr Flexibilität ermöglicht. Im Schnitt wollen wir rund 40% beim Kunden vor Ort, 30% im Büro und 30% flexibel arbeiten. Allerdings sind das nur Durchschnittswerte, die je nach Projekt und Kunde, Projektstatus, aber auch der individuellen persönlichen Situation unserer Berater:innen angepasst wird. Wir öffnen uns durch die höhere Flexibilität auch für Bewerber:innen, die sich früher nicht auf das relativ starre Arbeitsmodell mit vier Tagen vor Ort beim Kunden und einem Tag im Büro einlassen wollten oder konnten.
Auch Karrieremodelle verändern sich und nicht jede:r Berater:in strebt den klassischen Werdegang als Partner:in an. Deshalb stärken wir auch die individuelle Karriereentwicklung in Bereichen wie Industrie- und funktionalem Know-how.
Zum Ende noch eine persönliche Frage: Wie hat sich im Laufe Ihres Berufsleben Ihre Sichtweise auf Menschen verändert, was Ihr Potential betrifft?
Für mich waren und sind nach wie vor Wissbegierde mit hohem Werteverständnis die Fundamente für Potential. Ähnlich wie damals, als ich vor 18 Jahren bei Booz Allen Hamilton (jetzt Strategy&) angefangen habe, legen wir bei unseren Bewerber:innen Wert auf gute Zensuren in ihren Abschlüssen und prüfen im Bewerbungsgespräch analytische und quantitative Fähigkeiten. Daneben zählt aber auch das außerakademische Engagement. Die Kombination hat sich bewährt, um im ersten Schritt die besten Talente zu identifizieren. Ihr Potential ist für mich aber weit mehr als das: Es entfaltet sich meist dann, wenn Berater:innen Verantwortung über die Projektarbeit hinaus übernehmen. Sei es beispielsweise in der Erstellung von Thought Leadership, im Mentoring jüngerer Kolleg:Innen, im Recruiting, oder durch die Unterstützung von Office- oder Firmeninitiativen. Wir bieten hier vielfältige Möglichkeiten. Diejenigen, die diese Möglichkeiten ergreifen und hervortreten, bewirken etwas. Das macht sowohl die engagierten Berater:innen als auch mich als People Partner stolz und entfaltet erfahrungsgemäß neues Potential.
Dr. Hans-Jörg Kutschera, People Partner bei Strategy& EuropeMit fast 20 Jahren Erfahrung als Berater verantwortet Dr. Hans-Jörg Kutschera als People Partner von Strategy& Europe wichtige Personalthemen. Bevor er 2003 bei der Strategieberatung Booz Allen Hamilton (jetzt: Strategy&) angefangen hat, sammelte er Erfahrungen in verschiedenen Start-ups als Gründer und Aufsichtsrat. Er hält ein Diplom in Physik von der Universität in Ulm, einen Master of Science der University of Massachusetts in Amherst (US) und einen Doktor in Physik der Ludwig-Maximilians-Universität in München.