Evolution statt Revolution: Vom Regulierungsumsetzer zum Digitalisierungsstrategen
Die Unternehmensberatung Cofinpro wurde erst vor zehn Jahren gegründet. In dieser Zeit ist sie nicht nur von neun auf 125 Mitarbeiter gewachsen, sie hat sich auch zu einem bedeutenden Strategieberater für die großen Finanzdienstleister entwickelt. Wie schafft ein Unternehmen das? Und wie lassen sich Kerngeschäft und Beratungsansatz beschreiben?
Wenn der Vorstandsvorsitzende Gerald Prior auf die Entwicklung des Beratungshauses Cofinpro blickt, fällt ihm immer wieder auf: „Wir sind evolutionär, nicht revolutionär gewachsen.“ Mitte 2007 mit neun Consultants und nicht einmal einer Handvoll Kunden als mitarbeitergetragene Aktiengesellschaft gestartet, ist das Unternehmen inzwischen zum Digitalisierungsvordenker für Deutschlands führende Finanzinstitute avanciert. „Wir unterstützen inhaltlich durch ein strategisches Management, fachlich mit Businessanalysten und technisch mit IT-Architekten“, sagt Prior. Eine bereits vorhandene Anwendung zu pflegen, das gehört nicht zu den Zielen von Cofinpro. Vielmehr ist es das Kreieren innovativer und individueller Lösungen. Dass der Weg dorthin aus heutiger Sicht beinahe mühelos erscheint, ist eng mit der Mentalität der mittlerweile 125 Mitarbeiter verknüpft.
Die Finanzkrise führte zu vielen Regularien, die die Banken zukünftig zu erfüllen hatten – für auf Banken spezialisierte Beratungen wie Cofinpro begann ein neues Zeitalter
Vor zehn Jahren lebte das Beratungshaus insbesondere von vielen kleineren Projekten, die sich um Wertpapierprozesse und Konsumentenkredite drehten. Die Finanzkrise katapultierte die bis dato überschaubare Cofinpro AG jedoch auf eine neue Ebene: Fortan galt es, all jene Regularien umzusetzen, die Berlin oder Brüssel den Banken auferlegten. Die neuen Vorschriften bescherten der gesamten Beraterbranche bis 2015 ein enormes Wachstum.
Zum Themenspektrum der Cofinpro gehörte nun beispielsweise, im Bereich Anlegerschutz beim Ankauf von Wertpapieren für Transparenz zu sorgen. Teil dieses Prozesses war auch, Lücken im System der Finanzinstitute zu finden, zu schließen und das Projekt umzusetzen. Prior: „Es mussten beispielsweise Konzepte geschrieben werden, die sicherstellen, dass die Markttransparenz vorhanden ist.“
Die Banken regulatorisch fit zu machen, dominierte das Beratergeschäft bis vor gut zwei Jahren. Seither schwappt eine neue Welle namens Digitalisierung aus den USA nach Deutschland, getrieben von modernen Finanzdienstleistern, den Fintechs. „Fintechs sind hip, in aller Munde und werden finanziell unterstützt“, erklärt Vorstand Prior. Sie nutzen weiterentwickelte Technologien, um das Banking überschaubar, bequem und kostengünstig zu machen. Prior: „Das haben die Fintechs genutzt, abgestimmt auf die Bedürfnisse der jungen Generationen.“
Doch Prior blickt eher auf die etablierten Institute; er will sie fit machen für die neue Finanzwelt. So hat Cofinpro etwa für die Union Investment, eine Tochterfirma der genossenschaftlichen Finanzgruppe, die Plattform VisualVest entwickelt. Sie führt ein junges und online-affines Publikum an das Thema Kapitalanlage heran. VisualVest bietet ihnen ein maßgeschneidertes, effizientes sowie automatisiertes Portal zur Geldanlage. Ein Geschäftsmodell, das unter dem Begriff Robo Advice bekannt ist.
Cofinpros Beartungsansatz: ‘Wir fertigen Maßanzüge’. Das Beratungshaus kreiert individuelle Lösungen und schafft Produkte oder Strukturen, die es vorher beim Kunden nicht gab
Beispielhaft nennt Prior VisualVest, weil es für das heutige Kerngeschäft der „Projekt-Company“ Cofinpro steht: „Wir werden gerufen, wenn es um etwas Neues beim Kunden geht, sei es bei Regulierung oder Digitalisierung. Wir kommen mit einem leeren Blatt Papier und fertigen Maßanzüge.“ Weil sich das Unternehmen selbst als eine Art Start-up sieht, kann es sich beim Aufbau neuer Strukturen entscheidend in die Lage der Kunden hineinversetzen. Prior: „Wir haben die Modelle, Methoden und Verfahren verinnerlicht. All das bringen wir in die Projekte ein, schulen die Mitarbeiter, helfen ihnen bei der Planung und Umsetzung und setzen die Digitalisierung pragmatisch um.“
Neben VisualVest hat Cofinpro den Robo Advisor für ein weiteres Institut konzipiert. Für andere Banken kümmert sich das Beratungshaus um die Digitalisierung von Konsumentenkrediten und Baufinanzierung oder baut Innovationslabore auf. Mehr als die Hälfte des Umsatzes entfällt inzwischen auf solche Schlüsselprojekte, mit denen Cofinpro Banken für die Zukunft wappnet.
Das Anforderungsprofil an Mitarbeiter hat sich in zehn Jahren kaum gewandelt: Nach wie vor sucht Cofinpro technologisch fitte Consultants und Finanzexperten
Für diesen schrittweisen Wandel vom Regulierungsumsetzer zum Digitalisierungsstrategen musste sich Cofinpro weder wesentlich verändern noch ein bestimmtes Know-how aufbauen. „Das liegt daran, dass wir von Beginn an sowohl praxisorientiert und pragmatisch als auch agil und unternehmerisch aufgestellt waren“, erklärt der Vorstandsvorsitzende.
Auch bei der Mentalität der Mitarbeiter brauchte das Unternehmen nicht nachzusteuern, stattdessen hat sich eine gewisse Einstellung verfestigt. Prior: „Damals wie heute haben wir Mitarbeiter mit den gleichen Qualifikationen gesucht und eingestellt: auf der einen Seite sehr gute technologische Consultants und IT-Architekten, die stabile Plattformen wie den Robo Advisor konzipieren oder andere komplexe Anwendungen aufbauen können; auf der anderen Seite Kredit- oder Wertpapierexperten, die ihren Markt gut kennen und Digitalisierungs- oder Regulierungsprojekte auf der fachlichen Seite umsetzen.“
Entsprechend kontinuierlich geht Cofinpro laut Prior einen Schritt nach dem anderen und passt sich ganz automatisch den neuen Entwicklungen an – mit Erfolg: 2016 legte der Umsatz mit einer Steigerung von mehr als 15 Prozent abermals deutlich stärker zu als der Branchendurchschnitt.