Nicole Hildebrandt ist seit fünfzehn Jahren Unternehmensberaterin – und eine „Working Mum“. Sie beschreibt ihren Werdegang in der Beratung und wie sich im Alltag Job und Familie vereinbaren lassen. Meistens zumindest …
Die Arbeit im Consulting ist auch nach mehr als zehn Jahren noch spannend und abwechslungsreich. Als Unternehmensberaterin und „Working Mum“ sind Karriere und Familie nicht immer einfach unter einen Hut zu bringen, aber die Flexibilität, die die Beratung erlaubt, und die hochkarätigen Aufgaben, die dort warten, sind gute Argumente, auch nach der Babypause wieder in das Beratungsgeschäft zurückzukehren.
Aller Anfang ist schwer …
Spätestens nach dem Schulabschluss stellt sich jedem die große Frage: „Abitur, was nun?“ Ich wollte mich breit bilden und begann mit dem Studium der Politikwissenschaften. Aber welcher Beruf würde für mich in Frage kommen? Die Arbeitswelt ist so vielfältig und die vermeintlich richtige Entscheidung zu treffen, ist schwer. Der beste Rat, den ich damals bekam war: „Probiere Verschiedenes aus und finde es heraus!“ So begann ich zu experimentieren und mich zu orientieren. Ich schnupperte in den Bereich Film und Journalismus hinein, war als Werksstudentin in einer Bank tätig und schließlich ergatterte ich im Hauptstudium einen der begehrten Plätze als Praktikantin in einer Unternehmensberatung.
Zwischen Theorie und Praxis spielt die Musik!
Parallel zum Studium engagierte ich mich in der Studenteninitiative „Marketing zwischen Theorie und Praxis MTP e.V.„. Hier arbeiten Studierende an verschiedenen Themenstellungen, um die studentische Theorie mit der Praxis sinnvoll zu verbinden. Sie organisieren Seminare und Workshops und führen Projekte für ausgewählte Unternehmen durch. Der frühe Kontakt zu Unternehmen und das Arbeiten in Teams waren rückblickend für meine spätere Karriere ausschlaggebend, da ich wertvolle Erfahrungen sammeln konnte. Auch andere Organisationen oder studentische Unternehmensberatungen können Studierenden den Weg in die Wirtschaft ebnen.
Die Psychologie des Unternehmens – Veränderungsmanagement, das begeistert
Mein Praktikum in der Unternehmensberatung war für mich wegweisend. Das Thema, die Projektmitglieder und die Art zu arbeiten, haben mich überzeugt, Unternehmensberaterin werden zu wollen. Vor allem die Themen im Bereich „People and Change“ waren so spannend, dass ich mich zunächst gegen einen Einstieg in eine der Top-5-Managementberatungen entschloss und in einer kleinen Boutique-Beratung, spezialisiert auf Human Capital, Veränderungsmanagement, Coaching und Trainings, meine Karriere begann. Seither fasziniert mich, welche entscheidende Rolle die zwischenmenschlichen Beziehungen in Unternehmen und bei Entscheidern spielen.
„Projekte konnte ich gut im Home Office erledigen – als Mutter ist man allerdings nie vor plötzlich auftretenden Herausforderungen gefeit.“
Nicole Hildebrandt, Unternehmensberaterin bei Strategy&
Bei meinem Einstieg als Politikwissenschaftlerin in der Unternehmensberatung war ich zunächst eine Exotin als Frau unter meist männlichen Wirtschaftswissenschaftlern. Und dann noch mit einem Thema, das sich in Zahlen schwer messen lässt. Umgeben von mehrheitlich männlichen Kollegen und Klienten ist es nicht einfach, als junge Frau mit zwischenmenschlichen oder organisationspsychologischen Themen zu punkten. Denn obwohl Entscheider im persönlichen Gespräch meist zugeben, dass Projekte zu einem großen Teil an der sogenannten „menschlichen Komponente“ scheitern, bedarf es oftmals großer Überzeugungskraft bis ein Unternehmen sich damit explizit auseinandersetzt.
Booz Allen Hamilton, Booz & Company oder Strategy&?
Nach einigen spannenden Jahren bei meinem ersten Arbeitgeber wechselte ich aufgrund einer persönlichen Empfehlung zur damaligen Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton in die „Organisation, Change und Leadership“ Practice.
Ich blicke heute auf die spannendste und abwechslungsreichste Zeit meines Lebens zurück – nicht nur weil der Firmenname in den letzten zehn Jahren zweimal wechselte, sondern vor allem weil die Arbeit (fast) jeden Tag Spaß gemacht hat. Entscheidend war und ist für mich mit hoch talentierten, motivierten und netten Kollegen als Team gute Projekte umzusetzen. Im letzten Jahr hat PwC Booz & Company (heute Strategy&) in sein weltweites Netzwerk aufgenommen, mit dem klaren Ziel, die weltweit größte Beratung zu werden, die „Strategy through Execution“ aus einer Hand anbieten kann, also die komplette Wertschöpfungskette von der Strategieentwicklung bis zur -implementierung.
Kommunikation in der Telekommunikationsbranche – ein Projektbeispiel
Besonders beeindruckend ist ein großes Telekommunikationsunternehmen an das Thema Kommunikation herangegangen. Im Rahmen der Zusammenführung von mehr als 18.000 Arbeitnehmern aus verschiedenen Kundendiensteinheiten (Festnetz, Mobilfunk und Internet) erklärte der CEO explizit, wie wichtig ihm die Berücksichtigung der Mitarbeiterperspektive bei diesem Thema wäre. Ein gut ausgetüfteltes Veränderungsprogramm inklusive Führungskräfteprogramm, begleitende Kommunikation und die gute Zusammenarbeit mit den Projektteammitgliedern aus der Kundenorganisation waren letztlich das Erfolgsrezept. Ich selbst war als Interim-Stabsleitung für den CEO tätig und steuerte die Themen Kommunikation und Change und half bei der Auswahl des neuen Führungsteams.
Die drei organisatorischen Einheiten konnten nicht nur erfolgreich zusammengeführt werden, sogar die Produktivität in den Call Centern konnte währenddessen signifikant gesteigert werden und das Unternehmen erhielt einen begehrten Customer Service Award – zur großen Freude aller Beteiligten. Die gute Zusammenarbeit zwischen Klienten- und Beraterteams sowie die gute Reputation, die sich unsere Berater während dieser Zeit erarbeitet haben, waren sicher der Auslöser dafür, dass sich einige meiner Kollegen Jahre nach Abschluss des Projektes dafür entschieden, zu diesem Unternehmen in operative Führungspositionen zu wechseln.
2009 bekam ich mein erstes Kind, einen Sohn und 2013 dann meine Tochter. Bevor ich Kinder hatte, galt mir das französische oder anglo-amerikanische Modell, in dem Eltern sehr schnell wieder Vollzeit in den Beruf zurückkehren, als Vorbild. Doch kaum erlebte ich selbst das Wunder für einen kleinen Menschen verantwortlich zu sein, musste ich mir eingestehen, dass ich die ersten Lebensjahre meiner Kinder nicht nur mit Arbeit, sondern auch mit ihnen verbringen wollte. Also musste ein sinnvolles Teilzeitmodell her. Ist das möglich in der Beratung? Die klare Antwort ist Ja! In den letzten Jahren haben sich Unternehmen sehr engagiert und viele Möglichkeiten geschaffen, damit Frauen und Männer, die Familie und Beruf vereinbaren wollen, in flexibleren Modellen wie Teilzeit und Home Office arbeiten können. Die Anzahl von Frauen in Schlüsselpositionen ist in den letzten Jahren signifikant gestiegen und insbesondere Unternehmensberatungen wollen das große Potenzial von Frauen nutzen und bieten Modelle an, die einen erfolgreichen Wiedereinstieg in die Arbeitswelt ermöglichen.
Auch ich konnte davon bei Strategy& profitieren und wurde nach der Geburt meines Sohnes auf Projekten eingesetzt, die ich hauptsächlich aus dem Home Office heraus betreuen konnte. Stressig wird es natürlich, wenn Unvorhergesehenes passiert: Kinder krank werden, Betreuungspersonen ausfallen, unerwartete Klientenanfragen auftreten oder die Arbeitsbelastung plötzlich zu hoch wird.
Als Working Mum muss man gut organisiert sein und gegebenenfalls alternative Kinderbetreuungen einplanen, so dass man auch auf ad-hoc Klientenwünsche eingehen kann. Alle Bälle in der Luft zu halten, ist zwar eine Herausforderung, aber für mich die beste Kombination, um ein erfülltes Privatleben mit Kindern und ein bereicherndes Arbeitsleben zu haben. Eine erfolgreiche Arbeitnehmerin und Mutter hat einmal zu mir gesagt: „Ich weiß gar nicht, wie ich jemals Vollzeit arbeiten konnte. Teilzeit ist das perfekte Modell, in dem ich beides haben kann.“
Autorin: Nicole Hildebrandt, Strategy&
Nicole Hildebrandt ist zweifache Mutter und seit 15 Jahren Unternehmensberaterin, fast zehn davon im Unternehmen Strategy&, das zu der Zeit ihres Einstiegs noch Booz Allen Hamilton hieß. Davor studierte sie Politikwissenschaften, machte verschiedene Praktika und startete ihre Consultingkarriere in einer Boutique-Beratung.