Praxisbericht Strategy&
Viele Unternehmen agieren seit Jahren oder Jahrzehnten erfolgreich auf deutschem Boden, haben aber auf dem Weg zum Global Player noch große Hürden zu überwinden. Iris Herrmann von der Managementberatung Strategy& hilft solchen Firmen und gibt einen Einblick in ihre persönliche Arbeitswelt.
Nach meinem Studium der Betriebswirtschaftslehre fand ich meinen Jobeinstieg zunächst in der Industrie, bevor ich vor knapp vier Jahren in die Beratung gewechselt bin. Aus dieser Zeit war ich es bereits gewohnt, relativ viel international unterwegs zu sein; seit ich jedoch Beraterin bin, hat mein Reisepensum weiter zugenommen. Mit Ausnahme eines kurzen Einsatzes in Deutschland erforderten all meine bisherigen Projekte bei Strategy& – ehemals Booz & Company – Reisen nicht nur innerhalb Europas, sondern führten mich auch regelmäßig in die USA und nach Asien. Oftmals kommen diese Reisen auch kurzfristig zustande und sind nicht von langer Hand geplant. Sie rangieren von Kurztrips bis zu Aufenthalten von einer Woche. Hier ist Flexibilität gefragt!
Unternehmen dabei zu helfen, sich global aufzustellen, lässt einen in der Welt herumkommen.
Die Projektleitung über mehrere Länder hinweg bringt besondere Herausforderungen mit sich. Das beginnt mit der Terminfindung in verschiedenen Zeitzonen und endet bei interkulturellen Themen. Die meisten meiner Klienten sind Unternehmen, die in einem westlichen Land beheimatet sind und oftmals vor ähnlichen Herausforderungen stehen: Sie sind über Jahrzehnte gut gewachsen, sowohl organisch als auch durch Zukäufe. Sie haben begonnen, ihr Geschäft zu globalisieren, sind aber in ihren Strukturen, Geschäftsmodellen und der Art zu arbeiten noch nicht wirklich global aufgestellt. Gleichzeitig steigen Wettbewerbsdruck, gesetzliche Anforderungen, Kundenansprüche … – und die Nachfrage verschiebt sich in neue Regionen wie Asien, in denen lokale Firmen zunehmend das Spielfeld erobern.
Mein Beratungsschwerpunkt liegt im Bereich Operations und der Transformation von Unternehmen. Das beinhaltet die Strategieentwicklung bis hin zur Implementierung inklusive des Veränderungsmanagements. Dabei habe ich mich inhaltlich vor allem der Spezialchemie sowie Life Science/Medizintechnik verschrieben – auch wenn natürlich der ein oder andere Ausflug in andere Industrien wie Luxuskonsumgüter, Stahl oder Pharma dabei war.
Seit längerem arbeite ich für ein führendes Unternehmen im Bereich Medizintechnik. Dessen Produktionsnetzwerk, das mehr als 30 Standorte in USA, Europa und Asien umfasst, ist über Jahre historisch gewachsen. Standorte wurden geschlossen, andere gekauft, neue gebaut. Die Standorte wurden recht unabhängig voneinander gemanagt und hatten wenig gemeinsame Berührungspunkte. Gleichzeitig liefern sie aber gleiche Produktgruppen an ihre Kunden, die gleich hohe Qualitäts- und Serviceansprüche haben egal aus welcher Quelle das Produkt kommt. Diese Zersplitterung der Produktionsstandorte in unabhängige „Silos“ führte immer wieder zu Herausforderungen: Wie können gleiche Qualitätsstandards und Produkteigenschaften garantiert und auch gegenüber den Behörden nachgewiesen werden, wenn jedes Werk sein eigenes System hat? Wie kann man flexibel auf Produktionsengpässe reagieren, wenn die Lieferketten nicht synchronisiert sind? Wie kann man erfolgreich in neuen Wachstumsregionen tätig sein, wenn die Mehrzahl der Standorte in der westlichen Hemisphäre liegt? Gemeinsam mit dem Klienten haben wir eine Strategie entwickelt, wie man die Ansammlung eigenständiger Werke zu einem effektiven Standortnetzwerk umgestalten kann. Ein Kernpunkt dabei war die Frage, an welchen Orten welche Kernkompetenzen vorhanden sind, wie andere Standorte davon profitieren können und wie man diese wirkungsvoll miteinander vernetzen kann. Zudem wurde für jeden Standort klar beschrieben, welche Rolle er in diesem Netzwerk zukünftig einnehmen sollte, um daraus ableiten zu können, in welche Kompetenzen investiert, wo eher reduziert wird und wo langfristig neue Produktionsstätten gebraucht werden.
Momentan arbeiten wir mit dem Klienten an der Umsetzung dieses Konzeptes. Den Grundstein dazu haben wir bereits in der Konzeptphase gelegt: Die Eckpunkte des neuen Netzwerkes wurden gemeinsam in Workshops mit Vertretern aus den einzelnen Werken erarbeitet. Das war wichtig, da das angestrebte Netzwerkkonzept signifikante Veränderungen für die Standorte mit sich bringt. Natürlich gab es in diesen Workshops auch schwierige Momente zu meistern, da nicht alle Mitarbeiter bereit für Veränderungen waren und hier schnell Emotionen ins Spiel kommen können. In diesem Kontext erarbeiten wir mit dem Führungsteam zusammen auch ein neues Operating Model, denn auch die Strukturen, Prozesse und Anreizsysteme sowie die Art der Zusammenarbeit und die Führungskultur werden sich mittelfristig verändern müssen.
Es ist schön zu sehen, wie die eigenen Ideen beginnen, Früchte zu tragen
Das spannende an dem Beruf der Beraterin ist für mich vor allem, dass man dem Klienten nicht nur einen Weg weist, sondern ihn auf diesem auch begleiten kann. Man sieht, ob die eigenen Ideen Früchte tragen und ob sie dem Unternehmen helfen, langfristig erfolgreich zu bleiben oder zu werden.
Bei meiner heutigen Tätigkeit greife ich oft auf meine früheren Erfahrungen aus der Industrie zurück. 2003 habe ich bei Wacker Chemie als Management Trainee begonnen. In den folgenden sieben Jahren war ich dann in verschiedenen Funktionen vom Projektmanagement, Supply Chain, Marketing bis zu Corporate Development tätig. Davon zwei Jahre in China zum Aufbau eines neuen Standortes. Ich glaube, dass dieser Hintergrund auch für meinen persönlichen Erfolg als Beraterin wesentlich war: Zu wissen, wie Organisationen tatsächlich funktionieren, Entscheidungen getroffen und Prioritäten gesetzt werden und welche Stellschrauben wichtig sind um gute Ideen in erfolgreiche Resultate zu überführen. Viele Projekte erfordern neben tollen konzeptionellen Ideen vor allem ein gewisses Maß an Pragmatismus. Die Entwicklung von Ideen, Strategien und Konzepten ist oftmals nur der Anfang. Entscheidend ist, dass diese umsetzbar sind und im Unternehmen angenommen werden.
So spannend globale Projekte auch sind, der Nachteil ist sicherlich das Leben aus dem Koffer und die wenige Zeit, die man zu Hause verbringt. Ein Privatleben zu führen und Hobbies zu pflegen, funktioniert trotzdem, es setzt nur etwas mehr Planung voraus. Mein Partner und ich verbringen unsere Freizeit gern mit Berg-sport. Da er auch im europäischen Ausland arbeitet, stellt dies manchmal einige Anforderungen an Logistik und Voraussicht. Beim Mountainbiken, Klettern oder Wandern finden wir unseren Ausgleich zum Berufsalltag.
Autorin: Iris Herrmann, Strategy& (ehemals Booz & Company)
Iris Herrmann, 36, hat in Würzburg Betriebswirtschaft studiert. 2003 ist sie in das Management Trainee Programm der Wacker Chemie AG eingestiegen. In ihrer Zeit im Unternehmen hat sie verschieden Funktionen im Bereich Supply Chain, Marketing und Konzernentwicklung ausgefüllt und dafür in China und Deutschland gelebt. Anfang 2011 wechselte sie zu Strategy& (damals noch Booz & Company) und ist heute Prinzipalin im Münchner Büro.