Studie Mobility 2040: The Quest for Smart Mobility – Q&A mit Sebastian Schambach von Oliver Wyman
In der Studie Mobility 2040: The Quest for Smart Mobility untersuchte Oliver Wyman die Zukunft im Reise- und Transportbereich. Welche Service- und Dienstleistungen denkbar, möglich und realisierbar sind und was sich überhaupt hinter dem Schlagwort Smart Mobility verbirgt, beantwortet der Co-Autor der Studie, Sebastian Schambach.
Herr Schambach, was versteht man eigentlich unter Smart Mobility?
Smart Mobility steht für intelligente, digitale Dienstleistungen für Reisende: Beispielsweise werden verschiedene Reisemittel wie selbstfahrende Autos, Busse und Züge entlang der Reisekette miteinander verbunden und optimal nach individuellen Anforderungen kombiniert. Mobilitätsangebote, aber auch Services die traditionell nicht zum Transportgeschäft gehören, wie Entertainment oder Finanzdienstleistungen, werden auf einer digitalen Plattform konsolidiert. Diese Plattform wird oft durch eine App zugänglich gemacht. Das wichtige bei Smart Mobility-Dienstleistungen ist, dass die Leistung für den Kunden schnell, praktisch und einfach verfügbar ist.
Über 80 Prozent der Autofahrer sind bereit, ihre Reisegewohnheiten zu ändern, falls über Smart Mobility Services andere Transportmodi einfach verfügbar sind
Sebastian Schambach, Oliver Wyman
Das klingt ja noch etwas nach Zukunftsmusik. Sind die Deutschen an derartigen Services interessiert oder fahren sie nicht doch lieber mit dem Auto?
International wie auch in Deutschland belegt unsere Studie eine hohe Nachfrage nach intelligenter Mobilität. Über 80 Prozent der befragten Autofahrer äußern selbst hierzulande die Bereitschaft, ihre Reisegewohnheiten zu ändern, falls über Smart Mobility Services andere Transportmodi einfach verfügbar sind. Auch in entgegengesetzter Richtung steigt die Wechselbereitschaft. Denn auch rund 80 Prozent der Nutzer des öffentlichen Verkehrs zeigen sich offen dafür, auf das Auto umzusteigen – smarte Dienstleistungen für die Reise vorausgesetzt. Eine wichtige Rolle dabei könnten autonome Fahrzeuge spielen, die sich derzeit in Tests bewähren sollen. Sie könnten Fahrgäste in Zukunft als autonomes Shuttle zum Ziel bringen – oder vom Büro zum Bahnhof.
Haben Smart Mobility-Dienstleistungen außer den effizienteren Reisemöglichkeiten weitere Vorteile?
Ja, sowohl Anbieter und Nutzer können von dieser Innovation stark profitieren. Im Auto ohne Lenkrad herrscht eine neue Freiheit, die Mobilitätsdienstleister nutzen können – weit über das eigentliche Reisemanagement hinaus. Gleichzeitig bieten sie Kunden neue Möglichkeiten, ihre kostbare Zeit zu nutzen. Angebote wie Finanzdienstleistungen, E-Commerce oder Unterhaltung und Bildung können in Smart Mobility-Plattformen integriert werden und so die Umsätze von Anbietern weiter steigern. So könnten beispielsweise Weiterbildungskurse direkt über die Mobilitätsplattformen gebucht werden oder auch Bankgeschäfte abgewickelt werden.
Wir beobachten eine wachsende Zahlungsbereitschaft für die Dienstleistungen rund um die Organisation der Reise
Sebastian Schambach, Oliver Wyman
Diese Art von individuellen Dienstleistungen klingt teuer. Wären Deutsche auch bereit, dafür zu bezahlen?
Grundsätzlich beobachten wir eine wachsende Zahlungsbereitschaft für die neuen Dienstleistungen rund um die Organisation der Reise. Dabei ergeben sich im Ländervergleich jedoch noch Unterschiede. So sagen rund 97 Prozent der Chinesen, dass sie auch kostenpflichtige Services nutzen würden – aber erst 77 Prozent der Deutschen. Die Aufgeschlossenheit der Europäer und Amerikaner wird sich auf diesem Gebiet aber sicherlich steigern, sobald gute Angebote greifbarer werden.
Welche Unternehmen in Deutschland spielen im Bereich intelligente Mobilitätsdienstleistungen eine wichtige Rolle?
In Deutschland gibt es derzeit mit Plattformen wie Quixxit (DB), Moovel (Daimler) oder MOIA (Stadt Hamburg) mehrere Anbieter und Apps, die jedoch ihre Funktionalitäten voll entwickeln müssen. Wer das zukünftige Amazon des milliardenschweren Markts für intelligente Mobilität sein wird, ist jedoch ungewiss.
Wer wird das Rennen um die Kunden gewinnen?
Besonders Chinesen und US-Amerikaner erwarten, dass große Digitalunternehmen wie Google die Führungsrolle übernehmen. Die Deutschen dagegen schreiben der Transportbranche die höchste Kompetenz für reisenahe Dienstleistungen in hoher Qualität zu – auch im Hinblick auf Komfort und Sicherheit. Die Automobilindustrie, die bereits ihr Angebot in Richtung Mobilitätsdienste ausweitet, wird hingegen von den Befragten in allen fünf betrachteten Ländern noch nicht als Treiber der Smart Mobility wahrgenommen, das kann sich aber noch ändern.
Was müssen Smart Mobility-Anbieter unbedingt berücksichtigen, um erfolgreich zu sein?
Um die eigene Plattform zum Erfolg zu führen, gilt es, alles auf eine Karte zu setzen – auch wenn man dafür über seinen Schatten springen muss. Dazu gehört auch, dass eine Bahn-App eine Busverbindung empfiehlt, wenn diese günstiger und schneller ist. Im Zuge dessen glauben wir, dass es in den kommenden Jahren zu einem Konsolidierungsprozess der unterschiedlichen Anbieter und qualifizierten, strategischen Partnerschaften kommen wird.
Mobility 2040: The Quest for Smart Mobility
Für die Studie Mobility 2040: The Quest for Smart Mobility hat Oliver Wyman im Jahr 2017 über 7500 Reisende mit unterschiedlichen demografischen und sozioökonomischen Hintergründen in Deutschland, Frankreich, Italien, USA und China befragt. Diese Untersuchung ergänzt mit Hinblick auf kurzfristige Entwicklungen die Ergebnisse der Studie Mobility 2040: Staying Ahead of Disruption, für die Oliver Wyman im Jahr 2016 eine detaillierte Befragung globaler Führungskräfte und Experten im Transportbereich durchgeführt hat.