Wer als Consultant beruflich erfolgreich sein möchte, sollte gewisse Verhaltensregeln unbedingt einhalten. Gerade im Umgang mit Kunden gibt es viele Stolpersteine, die den Berater schnell zu Fall bringen können. Worauf man besonders achten sollte, erklärt der Experte Prof. Dirk H. Hartel.
Im Jahr 1788 veröffentlichte Adolph Freiherr Knigge das Buch „Über den Umgang mit Menschen“, in dem er sich mit soziologischen Aspekten des Zusammenlebens befasste. Seitdem wurde der erfolgreiche „Knigge“ immer wieder umgeschrieben und weiterentwickelt. Benimm-Ratgeber für Berufseinsteiger in die Consultingbranche sowie Tipps und Tricks für erfahrene Berater gibt es aus heutiger Sicht hingegen nur wenige. Dabei haben gerade für diese Zielgruppe Themen wie „Auftreten“, „Wirkung“ und „Kleidung“ eine besonders hohe Relevanz.
Bereits eine Studie aus dem Jahr 2005 mit 600 Führungskräften und Personalentscheidern zeigte eindeutig, dass 87 Prozent der befragten Personen einen Zusammenhang zwischen gutem Benehmen und persönlichem Erfolg sehen. Auf Basis dieser Erkenntnisse wird sehr wohl deutlich, dass es für den Berufseinstieg sowie den generellen beruflichen Erfolg eines Unternehmensberaters darauf ankommt, neben fachlichem und methodischem Know-how über spezielle soziale Kompetenzen in den Kategorien „Benehmen“, „Verhalten“ und „Auftreten“ zu verfügen. Diese wirken in zwei Richtungen: Erstens erleichtern und sichern sie den Erfolg innerhalb der Zusammenarbeit mit Kollegen und Vorgesetzten. Zweitens sind sie Grundvoraussetzung für die Akzeptanz und das Vorankommen beim Kunden, sei es vom Büro aus oder noch viel mehr beim Klienten vor Ort.
Gerade für Consultants haben „Auftreten“, „Wirkung“ und „Kleidung“ eine besonders hohe Relevanz
So ist von einem Unternehmensberater bekannt, dass er auf Grund einer unglücklichen Formulierung in seinem ersten Projekt noch nach vielen Jahren intern hinter vorgehaltener Hand als „Mr. Fettnäpfchen“ tituliert wurde. Die meisten der (jüngeren) Kollegen wussten gar nicht mehr, auf welche Situation dieser „Titel“ zurückging.
Grundsätzlich werden von einem Consultant im Rahmen seines Projektauftrags, aber auch darüber hinaus, also beispielsweise während einer Freizeitveranstaltung mit Kunden, bestimmte Grundtugenden und soziale Kompetenzen, gerade im Umgang mit Fremden, erwartet. Hierzu zählen zum Beispiel Höflichkeit, Respekt, Professionalität und sicheres Auftreten sowie Verlässlichkeit und Pünktlichkeit.
„Über den Umgang mit Leuten von allerlei Ständen im bürgerlichen Leben“
Höflichkeit stellt eine wesentliche Komponente im Umgang mit Kunden dar. Sie bedeutet nicht, sich dem Kunden zu unterwerfen oder ihm in allen Situationen bedingungslos zuzustimmen, darf also nicht mit devotem Verhalten verwechselt werden. Höflichkeit ist in hohem Maße durch gesellschaftliche Normen geprägt und einem gewissen Wandel unterworfen.
Im Einzelnen bedeutet Höflichkeit für einen Berater im Alltag,
- dem Kunden, unabhängig vom Geschlecht, beim Betreten oder Verlassen von Räumen den Vortritt zu lassen und die Tür offen zu halten;
- sich zu erheben, wenn man mit Handschlag begrüßt wird;
- den Gegenüber aussprechen zu lassen und nur in besonderen Situationen zu unterbrechen, zum Beispiel einen Vielredner im Rahmen einer Workshopmoderation;
- sich per Handschlag zu begrüßen, wenn man sich das erste Mal oder zumindest das erste Mal am Tag begegnet;
- dem Kunden für seine Zeit, das Interview, Informationen oder die Mitarbeit zu danken und bei Anfragen „Bitte“ zu verwenden.
60 bis 80 Zentimeter Abstand gelten als Schutzzone eines Individuums
Höflichkeit erfordert deshalb auch die Bereitschaft zu Körperkontakt („Hände schütteln“). Davon abzugrenzen sind aber – zumindest in mitteleuropäischen Kulturkreisen – weitere Formen der Berührung: Durch (auch gut gemeintes) Schulterklopfen oder Berühren am Arm besteht die Gefahr, dass die Person sich in ihrer Intimsphäre gestört fühlt. So gelten 60 bis 80 Zentimeter Abstand als Schutzzone eines Individuums.
Ein Berater einer größeren Consulting-Gesellschaft betreute in einem eher konservativen Konzern ein internationales Controlling-Projekt. Nicht nur er, sondern auch seine Kollegen und die Kundenmitarbeiter aus dem Head Office reagierten verdutzt, als die brasilianische (männliche) Delegation die deutschen Kollegen mit Umarmung begrüßte.
Im Gegensatz zu Freundlichkeit zeichnet sich Höflichkeit im engeren Sinne durch eine gewisse respektvolle Distanz aus, die sich gerade im Geschäftsleben zwischen Berater und Kunde empfiehlt. Fehlt diese Distanz, kann das dazu führen, dass die Objektivität und Neutralität des Beraters leidet. So wird es zum Beispiel schwierig, existierende Defizite in der Führungsleistung eines Abteilungsleiters unternehmensöffentlich aufzuzeigen, wenn man mit diesem zwei Mal die Woche zu After-Work-Veranstaltungen geht.
Bei Höflichkeit ist es entscheidend, dass sie nicht aufgesetzt, sondern ehrlich gemeint wirkt. So erscheint es sicher deplatziert, wenn der Consultant gegenüber dem Kunden durch höfliches Auftreten besticht, der Kunde aber bemerkt, welch rauer Ton im Projektbüro herrscht und dass das Beraterteam eher gegeneinander als miteinander arbeitet.
„Sei respektvoll!“
Im Gegensatz zu Höflichkeit und Freundlichkeit handelt es sich bei Respekt um eine innere Haltung, die im Regelfall auch äußerlich wirkt. Der Kunde erwartet Respekt vom Berater, was sich nicht zuletzt darin äußert, wer Kunde und wer Dienstleister beziehungsweise Lieferant ist.
Respekt gegenüber dem Kunden sollte sich auch darin zeigen, wenn unterschiedliche Meinungen vorherrschen. So darf gerade der Berater, als Externer noch mehr als ein Interner, nie die sachlich-neutrale Argumentationslinie verlassen. Auch Nebensätze wie „Das wundert mich jetzt nicht bei Ihnen.“ oder „Das habe ich mir bei Ihnen bereits gedacht.“ sind absolut verbotene Phrasen, die – berechtigt oder nicht – immer einen Bumerang hervorrufen.
„Lerne, mit Widerspruch umzugehen!“
Der Berater soll sich nicht nur durch einen professionellen Dresscode, sondern auch ein ebensolches Auftreten auszeichnen. Von ihm wird erwartet, dass er freundlich, aber nie jovial oder kumpelhaft ist. Professionell bedeutet aber auch, dass ein Consultant mit Kritik, sei sie begründet oder unbegründet, sachlich oder persönlich, umgehen kann. So macht es keinen Sinn, auf persönliche Kritik mit persönlicher Gegenkritik zu antworten, denn im Zweifelsfall hat der Kunde immer Recht. Umgekehrt bedeutet professionelles Verhalten aber nicht, auf Kritik von Kundenseite immer zustimmend zu reagieren.
„Sei pünktlich!“
Vor wenigen Jahren wurden Pünktlichkeit, Fleiß und Ordnungsliebe von Oskar Lafontaine noch als Sekundärtugenden verunglimpft. Allerdings ist ohne Verlässlichkeit und Pünktlichkeit kein sinnvolles und effektives Arbeiten im Geschäftsleben möglich. Pünktlich zu sein ist damit auch Ausdruck des respektvollen Umgangs mit der Zeit Anderer: „Fünf Minuten vor der Zeit, sind des Beraters Pünktlichkeit.“ Aber Achtung: Pünktlichkeit kann in anderen Kulturen etwas Anderes bedeuten als bei Westeuropäern. Dann heißt „pünktlich sein“ unter Umständen, zwanzig Minuten später zu kommen. Dies ist aber lediglich auf Kundenseite legitim, auf Beraterseite wird dennoch das zeitgenaue Erscheinen erwartet. So bemerkte zum Beispiel ein italienischer Kunde gegenüber einem (einmal) zu spät kommenden Berater: „Wie kann das sein? Ihr Deutschen betont doch immer, pünktlich zu sein?“
Die genannten Empfehlungen führen nicht per se zu einem Erfolg als Consultant. Sie sollen auch nicht dazu auffordern, die eigene Persönlichkeit gegen ein stromlinienförmiges Neutrum auszutauschen. Dennoch können sie gerade Berufseinsteiger unterstützen, unnötige Fallstricke zu Beginn der eigenen Karriere zu umgehen.
Prof. Dr. Dirk H. Hartel leitet den Studiengang BWL-Dienstleistungsmanagement an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart und arbeitet zudem als freiberuflicher Unternehmensberater und Trainer.
Er verfügt über eine fast 20-jährige Erfahrung als Consultant und ist unter anderem Autor des Buchs „Consultant-Knigge“ (erschienen im Oldenbourg Wissenschaftsverlag).