„Best Practice ist nicht das, was die Konkurrenz macht“. Daniela Mitterbuchner sorgt für individuell zugeschnittene Lösungen.
Daniela Mitterbuchner ist als Accenture-Beraterin im Bereich PLM (Product Lifecycle Management) oft die einzige Frau unter Männern. Für junior//consultant erzählt die Ingenieurin von kleinen Schrauben, großen Maschinen und der Herausforderung, das Rad immer wieder neu zu erfinden.
„Liebe Kollegen, hallo Daniela.“ Ich bin studierte Ingenieurin, arbeite in der Beratung und da vor allem in der Fertigungsindustrie. In dieser Branche bin ich in vielen Runden häufig die einzige Frau. Gestört hat es mich nie, wirklich anders behandelt hat mich deswegen noch niemand. Manchmal ist es aber schon ein bisschen merkwürdig – zum Beispiel, wenn E-Mails so anfangen. Dazu kommt dann, dass ich mit 29 Jahren noch relativ jung bin – da kann es schon passieren, dass ich meinen Status beweisen muss, damit Kunden mich akzeptieren.
In der Regel fällt mir das allerdings nicht besonders schwer. Ich arbeite seit mehr als drei Jahren bei Accenture. Vorher habe ich an der Technischen Fachhochschule Berlin Wirtschaftsingenieurswesen studiert, mit einer Spezialisierung auf Maschinenbau, bin also „vom Fach“. Das hilft im Alltag schon sehr – nicht nur für die tatsächliche Arbeit, sondern auch bei der Kommunikation mit Kunden. Oft sind das ebenfalls Ingenieure und andere Fachleute, und dann gibt es gleich eine gemeinsame Ebene, auf der wir uns verständigen können. Und spätestens jetzt ist mein Geschlecht wirklich kein Thema mehr.
Ein spannender Job, aber außerhalb der Branche kann sich kaum jemand vorstellen, was ich mache
Ich bin PLM-Beraterin. Darunter kann sich außerhalb der Branche kaum jemand etwas vorstellen, dabei ist es wirklich ein spannendes Feld mit viel Zukunftspotenzial. PLM steht für Product Lifecycle Management. Dahinter verbergen sich unter anderem Softwaresysteme, mit denen sich alle Bestandteile – von der kleinsten Schraube über die Flugzeugturbine bis zur Software – und alle Entstehungsschritte eines Produkts managen lassen – von der Entwicklung über die Auslieferung bis zur Wartung.
Wichtig ist das vor allem für internationale Unternehmen, die ihre global verteilte Produktentwicklung und Produktion koordinieren wollen. Aber auch für Mittelständler kann das sinnvoll sein, vor allem in Zeiten des Internet of Things: Nahezu jede Maschine und jedes Produkt enthält heute Software und wird zukünftig vernetzt sein. Das verkürzt die Wartungszyklen und erhöht gleichzeitig die Komplexität. Und im Idealfall sorgt PLM nicht nur für reibungslose Abläufe, sondern macht ein Unternehmen so auch fit für die Zukunft, Stichwort Industrie 4.0. Denn um die vielen Daten sinnvoll nutzen zu können, die Unternehmen und ihre Produkte heute erzeugen, müssen diese Daten ja erst einmal gesammelt und verknüpft werden, um dann im nächsten Schritt ausgewertet zu werden.
Ein PLM-System einzuführen, ist eine komplexe Aufgabe, weil es fast alle Unternehmensteile berührt. Ein Schema F als Einheitslösung für alle Kunden gibt es nicht. Wir haben bei Accenture natürlich viele Standards und Templates, auf die wir zurückgreifen können. Diese können aber nicht eins zu eins verwendet werden, sondern müssen immer projektspezifisch angepasst und weiterentwickelt werden. Sogar unsere Kunden sind davon oft überrascht: „Wie machen das denn andere?“, fragen Ansprechpartner häufig. „Was ist Best Practice?“ Aber Best Practice ist eben nicht das, was der Konkurrent macht – sondern für jedes Unternehmen eine individuell zugeschnittene Lösung.
Und die zu finden, ist oft ein ziemlicher Aufwand. Eins meiner Projekte war zum Beispiel bei einem Anlagenbauer aus der Schweiz. Die hatten schon ein PLM-System, mit dem sie aber an einigen Stellen unzufrieden waren. Die Frage war also: Behalten oder umschwenken – und wenn ja, wohin? Um die Antwort zu finden, haben wir für die verschiedenen Abteilungen für insgesamt rund 100 Mitarbeiter etwa 20 Workshops durchgeführt. Denn die Anforderungen sind natürlich unterschiedlich: Die Fertigung braucht vom PLM-System zum Beispiel möglichst konkrete Anleitungen zum Zusammenbau von Produkten. Der Einkauf möchte wissen, wie oft bestimmte Teile verbaut werden. Da spielt zum Beispiel das Thema „Wiederverwendung von Bauteilen“ eine große Rolle.
„Ich bin viel unterwegs, die Accenture-Niederlassung in Berlin habe ich tatsächlich bisher nur einmal von innen gesehen.“
Daniela Mitterbuchner, Accenture
Diese sehr unterschiedlichen Anforderungen haben wir dann in einem Dokument mit rund 300 Seiten gesammelt. Passend zu diesen Anforderungen haben wir mit den Workshop-Teilnehmern Anwendungsfälle erarbeitet und ausformuliert, für die das zukünftige PLM-System genutzt werden soll. Das ging dann an die verschiedenen Anbieter für PLM-Systeme, die auf dieser Grundlage Prototypen gebaut und diese dann vorgestellt haben. Im nächsten Schritt haben die Fachabteilungen des Unternehmens diese Prototypen bewertet. Wir haben das dokumentiert und ausgewertet und wussten so am Ende, welche Lösung für die Anwender die richtige ist.
Insgesamt hat das ganze Projekt etwa ein Jahr gedauert, ich war aber nur vier Monate daran beteiligt. Das ist bei mir als PLM-Spezialistin oft so: Ich werde zu Projekten dazugeholt, wenn es nötig ist, und ziehe dann oft schon vor dem Abschluss weiter. In der Regel bin ich sechs bis zwölf Monate in einem Projekt.
PLM-Berater brauchen neben einem sehr guten Verständnis von Ingenieurs- und Geschäftsprozessen vor allem Kommunikationsfähigkeiten, da sie oft als Übersetzer zwischen Fachbereich und IT, aber auch als Mittler zwischen zwei Fachbereichen, zum Beispiel Entwicklung und Produktion, gefordert sind. Gute analytische Fähigkeiten helfen hier, die Anforderungen und den Ist-Zustand strukturiert und umfassend aufzunehmen und anhand dessen zusammen mit den Kunden die Prozesse zu verbessern, zu vereinheitlichen und somit effizienter zu machen.
„Ich schätze die Abwechslung mit immer neuen Kunden, Arbeitsorten, Blickwinkeln und Herausforderungen.“
Daniela Mitterbuchner, Accenture
Dass mir das Spaß machen könnte, wusste ich nicht von Anfang an. Aber während des Studiums hat sich das langsam herauskristallisiert. Ich habe immer in der vorlesungsfreien Zeit bei einem Mittelständler als Werksstudentin gearbeitet, dort nach und nach alle Abteilungen durchlaufen und schließlich als Bachelorarbeit auch ein eigenes Projekt geleitet. Da ging es darum, eine Lösung zu erarbeiten, mit der physische Lagerbestände und Fertigungsstände mit Hilfe von Barcodes in Echtzeit an das System zurückgemeldet werden. Das habe ich damals entwickelt und dabei gemerkt, dass mir das Spaß macht. Schon da ging es viel um Gespräche mit Anwendern und das Aufnehmen von Wünschen und Anforderungen – also genau das, was ich heute im Job mache.
Ansonsten besteht meine Arbeit viel aus Reisen, denn als Berater sind wir eigentlich fast nie bei unserem Arbeitgeber im Büro, sondern beim Kunden. Die Accenture-Niederlassung an meinem Wohnort Berlin habe ich zum Beispiel erst einmal von innen gesehen. Stattdessen bin ich in der Regel von Montag bis Donnerstag beim Kunden und am Freitag im Home Office. Klar, das ist manchmal anstrengend: Zurzeit klingelt mein Wecker montags um 4:30 Uhr. Aber dafür gibt es auch immer Abwechslung mit neuen Kunden, Arbeitsorten, Blickwinkeln und Herausforderungen.
Feste Teams, die gemeinsam von Kunde zu Kunde ziehen, haben wir bei Accenture in der Form nicht. Aber ich arbeite häufig mit „bewährten“ Kollegen zusammen – zum Beispiel, indem ich sie gezielt bei Projekten dazuhole. Und so klein, wie die PLM-Welt ist, trifft man manche Leute ohnehin immer wieder. Nur Frauen gibt es zurzeit wenige – aber das kann sich ja noch ändern.
Autorin: Daniela Mitterbuchner, Accenture
Daniela Mitterbuchner bewarb sich im März 2012 bei der Unternehmensberatung Accenture. Zehn Tage später hatte sie ihren ersten Arbeitstag. Bisherige Projekte führten sie unter anderem in die Niederlande, die Schweiz und nach Frankreich. Zuvor absolvierte sie an der Technischen Fachhochschule Berlin und der Universidad de Valladolid in Spanien ein Bachelor- und Masterstudium zur Wirtschaftsingenieurin.