„Ich bin offen dafür, neue Bereiche zu erkunden”
Tjark Rosenau ist Wirtschaftsingenieur und seit 2020 Berater bei McKinsey. Seine akademische Laufbahn begann mit einem dualen Studium an der FH Bielefeld und führte ihn später zur Universität Paderborn, wo er mit Bestnoten seinen Master abschloss. Als First Generation Student reflektiert er über Herausforderungen, denen er als erster Akademiker in seiner Familie gegenüberstand und teilt Einblicke in seine Erfahrungen auf seinem Weg vom Studium bis hin zu Einstieg und Karriere in der Unternehmensberatung.
Du hast zunächst dual Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Was waren damals deine Überlegungen, als du das Studium angefangen hast?
Als ich mich für das duale Studium entschieden habe, war vor allem die doppelte „Interdisziplinarität“ für mich entscheidend. Einerseits war mir wichtig, nicht nur theoretisches Wissen zu erlangen, sondern dieses direkt in der Praxis anwenden zu können. Dieses Studienmodell ermöglichte es mir, kontinuierlich das Gelernte in realen Arbeitsumgebungen umzusetzen. Das hat mir enorm geholfen, mein Verständnis und meine Fähigkeiten zu vertiefen.
Das duale Studium war eine sehr bereichernde Erfahrung, die meine berufliche Entwicklung maßgeblich geprägt hat
Der Studiengang selbst war für mich besonders ansprechend, weil er Ingenieurwesen und Betriebswirtschaftslehre interdisziplinär verknüpfte. Dieser Ansatz hat mir eine breite Perspektive und ein tiefgehendes Verständnis beider Bereiche ermöglicht. Das hilft mir bis heute, Fragestellungen und Herausforderungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Insgesamt war das duale Studium eine sehr bereichernde Erfahrung, die mir wertvolle Einblicke in die Arbeitswelt geliefert und meine berufliche Entwicklung maßgeblich geprägt hat.
Du bist First Generation Student, also der erste in deiner Familie, der studiert hat. Welche Hürden denkst du, haben die First Gens noch auf ihrem Weg?
Ich glaube, dass First Gen Students oft noch nicht ausreichend passgenau erreicht werden. Die Zahlen spiegeln das wider. Die Teilhabe an höherer Bildung von Kindern aus Nichtakademiker:innenfamilien ist immer noch niedrig. Aus meiner Perspektive ist ein Hauptgrund dafür, dass die verfügbaren Informationen und Ressourcen die First Gens oft nicht erreichen.
Ich kann mich noch gut an meine Abizeit erinnern: Natürlich gab es viele Beratungsangebote und Jobmessen, aber Universitäten waren dort wenig vertreten. Ich wusste danach sehr genau, was Polizei, Bundeswehr und Ausbildungsberufe alles bieten können, aber nichts über Rankings und Ansehen von Studiengängen an gewissen Universitäten, geschweige denn von Studieninhalten. Natürlich liegt das auch immer ein Stück weit an den Schulen, aber bei Kindern von Akademiker:innen kann diese Lücke leichter geschlossen werden. Daher würde ich mir wünschen, dass spezielle „First Gen“-Programme, wie Workshops, Mentorings und Informationsveranstaltungen, an Schulen angeboten werden, um genau dort anzusetzen.
Die finanzielle Unterstützung spielt eine kritische Rolle – finanzielle Sicherheit ist ein unglaublicher Vorteil, den viele First Gens nicht haben
Wo genau siehst du die Knackpunkte?
First Gen Students stehen vor mehreren großen Hürden auf ihrem akademischen Weg. Erstens kann die Wahl des Studienplatzes und der Universität überwältigend sein, da sie oft wenig bis keine familiäre Erfahrung oder Unterstützung in diesem Prozess haben.
Zweitens spielt die finanzielle Unterstützung eine kritische Rolle. Im Schnitt sind die finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten von Eltern die Akademiker:innen sind, höher als von Nichtakademiker:innen. Diese finanzielle Sicherheit ist ein unglaublicher Vorteil, den viele First Gens so nicht haben. Drittens ist das Fehlen eines professionellen Netzwerks eine signifikante Barriere, da sie weniger Zugang zu beruflichen Empfehlungen und Unterstützung – wie beispielsweise bei der Suche nach und Vermittlung von Praktika – durch Alumni oder Familienmitglieder haben, die ihnen bei der Karriereplanung helfen könnten.
Du bist 2020 fest bei McKinsey eingestiegen. Kannst du für uns einmal deinen Weg in die Beratung und bei McKinsey nachvollziehbar machen?
Mein Interesse für Consulting im allgemeinen und McKinsey im speziellen begann erst während meines Masterstudiums. Durch meine Teilnahme an Case Study Workshops und ein Auslandspraktikum in Japan kam ich erstmals mit der Beratungsbranche in Kontakt und fand Gefallen an der dynamischen Arbeitsweise. Angespornt durch diese Erfahrungen bewarb ich mich für ein Praktikum bei McKinsey. Das Praktikum hat mir sehr viel Spaß gemacht, sodass danach mein Berufswunsch praktisch feststand.
Ende meines zweiten Jahres bei McKinsey bekam ich Gelegenheit, an einem internationalen Austauschprogramm teilzunehmen und verbrachte sechs Monate in Kanada
Nach meinem Masterabschluss habe ich das Angebot von McKinsey dann angenommen – in einer Zeit, die stark durch die COVID-19-Pandemie geprägt war. Das Arbeiten war aufgrund der Pandemie natürlich ganz anders, als ich es während des Praktikums kennenlernen durfte. Nichtsdestotrotz war auch das eine super Erfahrung. Gegen Ende meines zweiten Jahres bei McKinsey bekam ich dann die einmalige Gelegenheit, an einem internationalen Austauschprogramm teilzunehmen und verbrachte sechs Monate in Kanada, in unserem Office in Toronto. Das war nicht bloß ein längeres Auslandsprojekt, sondern ein echter Office-Transfer. Diese Zeit war besonders prägend. Obwohl Kanada kulturell nah wirkt, gibt es doch große Unterschiede, auch in den Arbeitsweisen.
Hattest du schon während des Praktikums auf dem Schirm, fest bei McKinsey einzusteigen?
Definitiv. Schon zu Beginn meines Praktikums bei McKinsey wurde mir klar, dass ich in diesem Umfeld langfristig arbeiten möchte. Die intensive Auseinandersetzung mit komplexen Problemlösungen, die hohe Dynamik und Geschwindigkeit in der Projektarbeit sowie die Interaktionen mit den Klienten faszinierten mich täglich aufs Neue. Besonders beeindruckend waren auch die Kolleginnen und Kollegen, von denen ich viel lernen durfte.
Du warst bei McKinsey in verschiedenen Sektoren und Pratices aktiv. Hat es dir ein Bereich besonders angetan?
In den letzten anderthalb Jahren habe ich mich hauptsächlich auf Projekte im Bereich Global Energy & Materials konzentriert, insbesondere während meiner Zeit in Kanada. Diese Projekte haben dazu beigetragen, dass sich dieser Bereich als mein Schwerpunkt herauskristallisiert hat. Obwohl ich eine starke Basis in diesem Sektor habe, bin ich auch offen dafür, neue Bereiche zu erkunden. McKinsey bietet hier eine Vielzahl von Möglichkeiten. Aber das endgültige Festlegen auf einen Sektor steht tatsächlich als nächster Schritt bei mir an.
Gibt es Projekte, bei denen du besonders stolz darauf bist, was du im Team mit dem Klienten erreicht hast?
In jedem meiner Projekte bei McKinsey bin ich stolz auf den positiven Impact, den wir als Team erzielen konnten. Ein besonderes Highlight war jedoch ein Projekt im Bereich erneuerbare Energien, bei dem wir Prozesse und Strukturen an die neuen Herausforderungen, die diese Energieträger mit sich bringen, angepasst haben. Durch unsere umfassenden Analysen und strategischen Empfehlungen konnten die Abläufe beim Klienten so optimiert werden, dass sie nicht nur effizienter, sondern auch eine optimale Einbindung der neuen Energieträger erlaubten.
Gibt es ein Ziel, das dir wirklich am Herzen liegt? Beruflich und auch privat?
Privat stehen Familie und Freunde an erster Stelle. Zudem ist es mir wichtig, eine gute Work-Life-Balance zu pflegen. Ich arbeite gerne und viel, strebe dabei aber immer nach Nachhaltigkeit. Es ist entscheidend für mich, dass meine berufliche Leidenschaft nicht zu Lasten meiner Gesundheit oder meines Familienlebens geht. Dieses Gleichgewicht zu halten, ist sowohl eine persönliche Priorität als auch eine berufliche Notwendigkeit.
Tjark Rosenau // McKinsey
Tjark Rosenau, Jahrgang 1992, hat zunächst dual Wirtschaftsingenieurwesen an der FH-Bielefeld studiert und anschließend den Master in Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Paderborn mit Bestnoten abgeschlossen. 2018 lernte er McKinsey während eines Praktikums kennen, anderthalb Jahre später folgte der Festeinstieg. Er promoviert seit Sommer 2023 an der Philipps-Universität Marburg zum Thema „Grüne Innovationen in Familienunternehmen“. Privat interessiert sich Tjark für Kunst und Musik, insbesondere Vinyl-Schallplatten und analoge Fotografie, aber auch für Finanzen, Politik und Wirtschaft.
Dieser Artikel ist auch erschienen in der Printausgabe junior //consultant 2-2024