Naturwissenschaftler wie Dr. Anna Littmann sind sehr gesuchte Mitarbeiter im Consulting
Naturwissenschaftler sind mittlerweile keine Exoten mehr im Consulting: Ihre Expertise ist an vielen Stellen gefragt, beispielsweise wenn es darum geht, sich mit Klienten aus der Pharmabranche auf Augenhöhe auszutauschen. Anna Littmann ist Chemikerin und fand bei McKinsey nicht nur einen Job, sondern auch die Möglichkeit, sich über ein zweites Studium weiterzuentwickeln.
Mein Weg in die Unternehmensberatung und zu McKinsey war, ehrlich gesagt, eher zufällig. Kein Wunder: Ich habe Chemie auf Diplom studiert. Nach dem Vordiplom habe ich zwar als Nebenfach BWL dazu gewählt, aber bis ins 7. Semester wusste ich nicht, dass Unternehmensberatungen überhaupt existieren, geschweige denn, was sie machen.
Gegen Ende meines Studium bekam ich dann einen Anruf aus dem Sekretariat einer Professorin: McKinsey würde einige Studenten gerne zu einem Abendessen einladen, ob ich Interesse hätte? So verbrachte ich dann einen Abend damit, gemeinsam mit anderen Studierenden und einigen McKinsey-Beratern ein leckeres Essen zu kochen. Im gemeinsamen Austausch bekam ich eine Idee davon, was ein Unternehmensberater eigentlich macht. Um es kurz zusammenzufassen, bei mir blieb hängen: „Man hat etwa im Dreimonats-Rhythmus neue spannende Projekte, und so wird einem nie langweilig“ – und dass mir langweilig werden könnte, war immer meine größte Angst gewesen!
Im Laufe der Veranstaltung wurde auch das Fellow-Programm vorgestellt, bei dem man nach dem Diplom beziehungsweise nach dem Master zwei Jahre arbeitet, und dann bis zu drei Jahre freigestellt wird, um eine Promotion zu schreiben oder einen MBA zu machen. „Das klingt interessant, aber auch ungewohnt“, dachte ich mir, da man als „waschechte“ Chemikerin ja eigentlich immer direkt nach dem Diplom promoviert. Doch einer der Berater erklärte mir, es gäbe bereits Naturwissenschaftler bei McKinsey (Biologen, Chemiker, Physiker), die über das Fellow- Programm promoviert hätten. Ob ich mich nicht einfach mal mit denen unterhalten möchte? Das tat ich dann im Anschluss auch und hörte mir die verschiedenen Werdegänge an.
„Bitte keine Projekte in der Chemie, war mein Wunsch beim Einstieg. Doch schon nach wenigen Monaten reizte mich die Branche wieder.“
Dr. Anna Littmann, McKinsey
Aufgrund dieser interessanten Eindrücke, entschied ich mich kurz vor meiner Diplomarbeit dann recht spontan dazu, mich zum nächstmöglichen Termin bei McKinsey zu bewerben. Und hatte Erfolg! Einen Wunsch hatte ich bei meinem Einstieg allerdings: „Bitte keine Projekte in der Chemiebranche!“ Ich hatte das Fach so lange studiert und mir stand der Sinn nach neuen Erfahrungen außerhalb der Branche.
Doch nach einigen Monaten reizte mich dann doch ein Projekt zur Entwicklung der neuen Organisation eines Chemieunternehmens. Seitdem berate ich schwerpunktmäßig Chemieunternehmen – mit gelegentlichen Ausflügen in die Pharma- und Healthcare-Industrie. Dabei bin ich nicht nur in Deutschland unterwegs, sondern hatte schon verschiedene Projekte im Ausland, vor allem in Brüssel, Mailand, Paris, aber auch der Schweiz, den Niederlanden und Großbritannien.
Nach zwei Jahren nutzte ich dann den Fellow-Leave, um zu promovieren – nach langen Überlegungen nicht in Chemie, sondern im Fachbereich Strategie und Organisation. Das ist ja schon toll bei McKinsey: Man kann bis zu drei Jahren forschen und wird ein ganzes Jahr lang voll bezahlt – die übrigen zwei Jahre habe ich dann als wissenschaftliche Mitarbeiterin gearbeitet und von der Stiftung der Deutschen Wirtschaft ein Stipendium bekommen. Mich hat es enorm weiter gebracht nach zwei Jahren nochmal ganz raus aus dem Beruf zu gehen, um mich vollkommen in ein wissenschaftliches Thema zu vertiefen.
Drei intensive Jahre später hatte ich meine Rechnungen und Untersuchungen zum Thema „Resources, Organization and Performance of Professional Service Firms“ an der European Business School in Oestrich-Winkel und der University of California in Berkeley beendet und bin wieder in den „Berateralltag“ – soweit man überhaupt von Alltag sprechen kann – zurück.
Seit meiner Rückkehr fokussiere ich mich auf den Bereich „Operations„. Das ist ein Bereich, den die wenigsten am Anfang mit Unternehmensberatungen verbinden: Man entwickelt gemeinsam mit den Klienten Verbesserungen in der Produktion. Das heißt gerade in der Chemie, dass meine Arbeitskleidung meistens aus blauem Kittel, Schutzbrille und Sicherheitsschuhen besteht – und nicht mehr aus Anzügen.
Mir macht das gemeinsame Entwickeln von Ideen und deren tatsächliche Umsetzung sehr viel Spaß. Es ist eine Arbeit, die neben den klassischen Beraterkompetenzen wie analytischem und strategischem Denken auch viel Kreativität, Überzeugungsfähigkeit und Freude an der Weiterentwicklung von Mitarbeitern auf Klientenseite erfordert. Oft bringen die Mitarbeiter selbst viele Ideen ein. Wir helfen dann dabei diese weiterzuentwickeln, zu konkretisieren und einen strategischen Plan zu entwickeln, in welcher Reihenfolge man sie am besten umsetzt.
„Wir wollen nachhaltig etwas bewegen: Die Veränderungsprozesse sollen im Idealfall zukünftig selbst von den Mitarbeitern angestoßen werden.“
Dr. Anna Littmann, McKinsey
Noch viel wichtiger ist: Wir trainieren Mitarbeiter und Führungskräfte so, dass sie solche Veränderungsprozesse zukünftig selbst anstoßen und ihre Ideen in Zukunft auch direkt umsetzen können – „Hilfe zur Selbsthilfe“ sozusagen. Für mich ist bei diesen Projekten das Schönste, dass man wirklich fast täglich Erfolge durch die bereits umgesetzten Verbesserungen sehen kann!
Und mir ist mittlerweile klar, wieso man gerade als Chemiker einen wichtigen Beitrag in der Beratung leisten kann. Chemiker beziehungsweise Naturwissenschaftler haben den Drang, sich sehr in die verschiedensten Fragestellungen zu vertiefen und können unglaublich ausdauernd an der optimalen Lösung tüfteln. Eine analytische Herangehensweise ist immer eine der Grundvoraussetzungen in der Beratung. Und beim Alltag in der Chemiefabrik hilft es eindeutig „dieselbe Sprache“ wie die Betriebsleiter zu sprechen: Mir begegnen regelmäßig Klienten, die zum selben Thema geforscht oder beim selben Professor studiert haben. Das schafft einfach sofort eine gewisse Vertrauensbasis.
Generell sind mir gemischte Projekt-Teams sehr wichtig und ich arbeite gerne mit Kollegen zusammen, die einen ganz anderen Hintergrund mitbringen als ich. Mir ist es aber insbesondere ein Anliegen noch mehr Naturwissenschaftler beziehungsweise Chemiker für die Beratung zu begeistern. Deshalb engagiere ich mich auch regelmäßig bei Recruiting-Veranstaltungen, häufig finden zum Beispiel Fallstudien-Workshops speziell für spezifische Fachrichtungen statt.
Außerdem finde ich es wichtig, mich mit Kolleginnen auszutauschen und auch weitere junge Frauen von der Beratungswelt zu überzeugen. Dazu ist der alljährliche McKinsey Women’s Day eine super Gelegenheit. Jedes Jahr treffen sich hier alle McKinsey-Beraterinnen aus Deutschland und Österreich zum Netzwerken und Erfahrungsaustausch. Aber auch Studentinnen und Doktorandinnen aller Fachrichtungen können sich bewerben und so im direkten Dialog von den Beraterinnen lernen. Und für gutes Essen, wie bei meinem persönlichen Kennenlernen mit McKinsey, ist natürlich auch gesorgt!
Autorin: Dr. Anna Littmann, McKinsey
Dr. Anna Littmann, 30 Jahre, ist Projektleiterin bei McKinsey. Nach ihrem ersten Studium der Chemie, unter anderem an der Universität Heidelberg, stieg sie bei der Unternehmensberatung ein und absolvierte noch ein Promotionsstudium in BWL an der European Business School und der University of California in Berkeley.