Female Consulting: Wenke Bengtsson von McKinsey ist Mutter von Zwillingen und arbeitet wieder in Vollzeit
Es galt lange als gesetzt, dass sich eine Familiengründung mit einer Top-Karriere nicht verträgt. Insbesondere Frauen waren dabei oft diejenigen, die zu Hause geblieben sind und ihre beruflichen Ziele aufgegeben haben. Moderne Unternehmen ermöglichen heute beides – ein erfülltes Familien- und Berufsleben. Wenke Bengtsson erklärt nicht nur, wie sie Kinder und Karriere kombiniert und dabei von ihrem Arbeitgeber unterstützt wird, sondern auch, warum sie glücklicher ist, wenn sie beides in ihrem Leben hat.
Liebe Wenke, was ist dein Hintergrund und wie bist du eigentlich zu McKinsey gekommen?
Ich habe zunächst ganz klassisch BWL studiert. Schon damals war die Unternehmensberatung als Jobeinstiegsoption immer ein spannendes Thema für mich. Ich habe mich für den Schwerpunkt Strategy und International Management (SIM) entschieden, der auch von vielen meiner Kommiliton:innen gewählt wurde, die einen Karriereweg bei Unternehmensberatungen geplant hatten. Mich hat die Auseinandersetzung mit den Themen dieses Schwerpunktfaches darin bestärkt, dass für mich der Schritt in das Consulting der richtige sein würde, weil er ein generalistisches Berufsfeld erschließt. Dies erschien mir damals deutlich reizvoller, als sich nur auf eine Industrie zu konzentrieren.
Du bist in das Fellow-Programm eingestiegen, das es ermöglicht, nach zwei Jahren einen weiteren akademischen Abschluss zu machen. War dies ein Grund, sich für McKinsey zu entscheiden?
Ja, denn für mich war immer klar, dass ich auch promovieren möchte. Mein ursprünglicher Plan war es sogar eigentlich, direkt nach dem Master zu promovieren. Aber das Fellow-Programm hat mir ermöglicht, erstmal zwei Jahre zu arbeiten, um mich zu orientieren und für mich herauszufinden, was mein Promotionsthema sein sollte. Da der so genannte „Educational Leave” als Teil des Fellow-Programms sogar bezahlt wird, waren natürlich auch die finanziellen Anreize sehr interessant. Schließlich habe ich zwei Jahre lang zum Thema „Finanzierung von Bauprojekten“ promoviert und bin dann als Associate wieder in die Beratung eingestiegen.
Du hast dich dann also doch auf ein Themenfeld spezialisiert?
Das stimmt. Allerdings fängt man natürlich immer damit an, Expertise in einzelnen Branchen zu sammeln. Als ich bei McKinsey angefangen habe, wollte ich ursprünglich für Klienten in der Modeindustrie arbeiten – aber diese Idee von einer bestimmten Branche heißt ja nicht, dass dort die interessantesten Projekte locken. Deshalb bin ich dann doch ganz woanders gelandet. Mein Schwerpunkt liegt heute auf der grünen Transformation in unserem GEM-Sektor (Global Energy and Materials, Anm. d. Red.). Also darauf, wie beispielsweise aus herkömmlichen Stahlwerken grüne Stahlwerke werden und auf Bauprojekten im Energie- und Infrastrukturbereich, wie etwa dem Bau von Windrädern und Kraftwerken.
Wie ist es zu diesem, für dich neuen, Themenschwerpunkt gekommen?
Es fing mit einem Projekt in diesem Bereich an, das ich sehr spannend fand. Mit den Kolleginnen und Kollegen habe ich mich auf Anhieb gut verstanden, sodass sich in Folge immer mehr Projekte mit ihnen ergeben haben. Dadurch habe ich eine echte Leidenschaft für das Thema entwickelt und mir immer mehr Spezialwissen in dieser Branche angeeignet.
Wie ging dein Weg nach der Promotion bei McKinsey weiter?
Schon vor der Promotion habe ich die Möglichkeit bekommen, als Junior-Projektleiterin erste Erfahrungen als Führungskraft zu sammeln. Man ist dann zwar nicht offiziell Projektleiterin, aber wenn man sich das zutraut und Lust darauf hat, wird einem diese Verantwortungsübernahme auch schon vor der Promotion ermöglicht. Dies hat mir dann so viel Spaß gemacht, dass ich nach der Promotion auf jeden Fall wieder als Projektleiterin einsteigen wollte. Zusätzlich führten mich in dieser Zeit viele meiner Bauprojekte ins Ausland, beispielsweise nach Dänemark, Schweden und Südafrika, daher war ich viel unterwegs. Dann folgten aber auch immer häufiger Projekte im Energiebereich in Deutschland.
War es für dich je eine Frage, ob du als Frau in der Unternehmensberatung schwerer Karriere machen könntest?
Nein, das war nie ein Thema für mich. Bei McKinsey erhält man besonders viel Unterstützung. Viele Mentor:innen und Sponsor:innen schauen besonders darauf, dass man als (junge) Frau die nötige Förderung erhält, die man braucht.
Was sind Sponsor:innen?
Ich hatte relativ früh zwei Sponsoren – einen Projektleiter und einen Senior Partner, beide männlich – an meiner Seite, mit denen ich von Anfang an sehr gut und respektvoll zusammengearbeitet habe. Die beiden standen mir zum einen mit Rat zur Seite, zum anderen hatten sie immer ein Auge darauf, welche Projekte für mich spannend sein würden und zu welchen ich sie begleiten könnte. Das ist der Unterschied zu reinen Mentor:innen: Von diesen holt man sich nur einen Rat ein – Sponsor:innen dagegen begleiten einen aktiv und schaffen konkrete Möglichkeiten, sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln.
Von Mentor:innen holt man sich Rat, die Sponsor:innen dagegen begleiten einen aktiv und schaffen konkrete Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln
Wie genau bist du zu deinen Sponsoren gekommen und wie sieht die Verbindung zu ihnen heute aus?
Die Sponsorenverbindung hat sich nach und nach durch die enge Zusammenarbeit ergeben. Ich melde mich bei ihnen, zum Beispiel wenn ich auf der Suche nach einem neuen spannenden Projekt bin. Auch als ich schwanger war, habe ich mit meinen Sponsoren darüber gesprochen, wie ein Berater:innenleben mit Kindern funktionieren kann. Aber auch die Sponsoren kommen auf mich zu, wenn sie ein Projekt haben, bei welchem sie mich gerne dabei hätten. Nach der Promotion stand zum Beispiel direkt ein Projekt für mich bereit, nach der Elternzeit ebenso – ich weiß diese Unterstützung wirklich sehr zu schätzen.
Welche Dinge – neben der persönlichen Unterstützung, die du gerade geschildert hast – sind es, die deine Bindung an deinen Arbeitgeber ausmachen?
Einerseits sicherlich die immer sehr spannenden, neuen Herausforderungen: Mir war bisher nie langweilig bei meinen Aufgaben und gleichzeitig lerne ich immer noch laufend dazu und kann mich stetig weiterentwickeln. Themen wie die „Grüne Transformation” sind eine echte Passion für mich geworden und es gibt mir viel, daran mitzuarbeiten. Zum anderen macht es mir extrem viel Spaß, mit so smarten und tollen Kolleg:innen zusammen zu arbeiten. Ich mag es einfach, mit Leuten, die „viel PS unter der Motorhaube haben”, im Team herausfordernde Projekte zu bewältigen.
Du hast vor kurzem Zwillinge bekommen. Wie sieht euer Modell aus, um Karriere und Kinder zu kombinieren?
Zu Beginn der Corona-Pandemie bin ich schwanger geworden. Für mich war das natürlich ein glücklicher Umstand und sehr praktisch, weil es damals nicht möglich gewesen ist, zu reisen und ich bis zum Mutterschutz als Projektleiterin quasi von der Couch aus weiterarbeiten konnte.
Ich war zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Sprung zum Associate Partner. Auf dieser Stufe beginnt man, mehrere Projekte parallel zu begleiten und muss nicht mehr jeden Tag vor Ort beim Klienten sein. Man hat dann auch mehr Einfluss darauf, wie viele Projekte man gleichzeitig vorantreiben möchte. Generell bin ich also durchaus sehr flexibel, was meine Präsenz vor Ort betrifft. Mittlerweile habe ich auch bei all meinen Projekten die Erfahrung gemacht, dass es kein Problem ist, wenn ein Teammitglied mal ein oder zwei Tage nicht da ist.
Dein Mann ist ja auch Associate Partner bei McKinsey. Wie funktioniert das?
Wir haben zusammen studiert und sind danach zusammen bei McKinsey eingestiegen, er allerdings im Stockholmer Büro. Als die Zwillinge gekommen sind, war ich neun Monate komplett in Elternzeit, er hat in Vollzeit weiter gearbeitet. Jetzt praktizieren wir ein 50:50-Konzept: Das heißt, wir kümmern uns beide gleichermaßen um die Kinder, arbeiten dabei aber auch beide in Vollzeit.
Die Betreuung haben wir um unser Modell herum aufgebaut. Jeder von uns hat zwei Tage, an denen er nicht reist und vor Ort für die Kinder da ist – also ist immer einer zuhause und der andere unterwegs bei Projekten. Zusätzlich hilft uns eine Kinderfrau in Vollzeit. Und meine Eltern unterstützen uns, wenn es zum Beispiel dazu kommt, dass wir doch zeitgleich unterwegs sein müssen oder wenn die Kinderfrau krank ist.
Und wie fühlt ihr euch mit eurem Modell bei McKinsey unterstützt?
McKinsey unterstützt uns schon allein dadurch, dass wir keine starr festgelegten Arbeitszeiten haben. Ich kann also zum Beispiel bei Projekten sagen, dass ich von 16.30 bis 20 Uhr bei meinen Kindern bin und mich später noch mal an den Rechner setze. Wenn ich als Associate Partner in dieser Zeit nicht bei einem Kliententermin sein kann, springt normalerweise ein:e Partner:in oder Seniorpartner:in ein und macht das für mich. Das ist unser Selbstverständnis.
Zusätzlich habe ich auch die Möglichkeit meinen Arbeitsort flexibel zu bestimmen. Ich könnte zum Beispiel sagen, dass ich die nächsten Wochen nicht reisen und stattdessen intern arbeiten möchte.
Außerdem wird man finanziell unterstützt – zum Beispiel durch einen Zuschuss zu den Kinderbetreuungskosten. Nach der Elternzeit bekommt man außerdem das Angebot, mehrere Stunden professionelles Coaching beim Wiedereinstieg in Anspruch zu nehmen und dann über Erwartungen zu sprechen, die man an die zukünftige Arbeitssituation hat.
Wie planst du deine weitere Karriere bei McKinsey und wie meisterst du dabei gleichzeitig die Rolle als Mutter?
Ich möchte Partnerin werden, behalte mir aber vor zu sagen, dass ich noch nicht weiß, ob ich immer 100 Prozent arbeiten möchte. Zum Beispiel kann ich mir auch vorstellen, in einem halben Jahr nur noch 60 Prozent zu arbeiten – das wäre immer in Abhängigkeit davon, was die Kinder brauchen und was ich mir vorstelle.
Derzeit sind meine drei Klienten alle in der Nähe in Düsseldorf, Essen und Köln – das funktioniert für mich momentan sehr gut. Aber natürlich hängt mein Karriereplan auch von externen Faktoren ab. Zum Beispiel von der Projektsituation, wenn es hier zu Schwierigkeiten kommt und gleichzeitig die Kinder krank sind, ist das durchaus herausfordernd.
Aber trotz der anspruchsvollen Situation zwischen Familie und Beruf kann ich nur sagen: Es lohnt sich! Ich bin deutlich glücklicher jetzt mit der Kombination aus meiner Arbeit bei McKinsey und den Kindern zu Hause als in der Zeit, als ich ausschließlich zuhause gewesen bin.
Wenke Bengtsson, McKinsey
Wenke Bengtsson hat Wirtschaftswissenschaften an der Universität Mannheim und Universität Beijing (Bachelor) sowie an der HSG Sankt Gallen und am Indian Institute of Management in Ahmedabad studiert. 2014 stieg sie als Fellow im Hamburger Büro von McKinsey ein und absolvierte 2016 einen zweijährigen Educational Leave mit Promotion zum Thema „Finanzierung von Bauprojekten“. Seit 2021 ist sie Associate Partner bei McKinsey.