Die Gesprächspartner von links nach rechts:
Markus Berger-de León, Leiter des McKinsey Digital Labs in Deutschland, früher CEO von MyHammer und StudiVZ
Kim Müller, Digital Specialist, hat an der Design Akademie Berlin Engineering Design studiert
Ulrich Stärk, Digital Manager und Software Architekt, studierte Informatik in Paderborn und Berlin
Ganz rechts: Joe Boden, Berater mit Fokus auf digitale Geschäftsmodelle, studierte Wirtschaftsinformatik in Stuttgart und San Diego (USA)
In Berlin eröffnet McKinsey im Rocket-Tower in diesen Tagen ein neues Digital Experience Studio. Dort arbeiten die Berater der Einheit Digital McKinsey gemeinsam mit ihren Klienten an digitalen Tranformationsprozessen und den Geschäftsmodellen von morgen. junior //consultant hat sich schon einmal exklusiv vor Ort umgeschaut und vier von ihnen bei einem Round Table getroffen.
Wie verändert sich das Geschäftsmodell der Strategieberatung McKinsey durch die digitale Transformation?
Markus Berger-de León: Wir machen weiterhin Strategieberatung, die Breite und Tiefe der Beratungsleistung nimmt aber ständig zu. Wir wissen aus sehr vielen Analysen, dass diejenigen Unternehmen besonders erfolgreich sind, die ihre Strategie ständig weiterentwickeln. In der heutigen Zeit differenzieren sich Firmen über Technologien und Daten, hier liegen die größten Wettbewerbsvorteile. Es entscheiden Nuancen, deshalb kommen auch die Umsetzer von Maßnahmen viel früher zum Zug. Man muss sichergehen, dass Strategien in der Realität funktionieren und Konsumenten Veränderungen annehmen. Deswegen wächst unter unserer Dachmarke Digital McKinsey vor allem auch der Bereich Digital Labs besonders stark. Dort sind Designer, Softwareentwickler und IT-Architekten von Anfang am Strategieprozess der Klienten aktiv beteiligt.
Das heißt, McKinsey macht jetzt noch mehr Umsetzung und erweitert seine ‘Werkbank’. Hat McKinsey deshalb in der Vergangenheit Unternehmen wie QuantumBlack, Lunar oder 4tree gekauft und integriert?
Markus Berger-de León: Das ist richtig. Diese Unternehmen haben zu diesem Zeitpunkt unsere Expertise ganz gezielt gestärkt. QuantumBlack und 4tree helfen uns sowohl mit Produkten und Lösungen als auch mit Mitarbeitern, die uns jetzt dabei unterstützen, dem Klienten noch bessere Dienstleistungen anzubieten und effizienter mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen umzugehen. Lunar oder auch Veryday sind eher auf der Designseite angesiedelt. Sie helfen in den Projekten unseren Klienten, noch kundenzentrierter zu werden und bessere Produkte zu entwickeln. Das können haptische, physische, aber auch komplett digitale Produkte sein.
‘McKinsey Solutions’ sind eigenständige Softwareprodukte, die Kunden lizensieren können, um weiter damit arbeiten zu können
Markus Berger-de León
Wird McKinsey dadurch eigentlich selber auch zu einer Art ‘Produktanbieter’?
Markus Berger-de León: Wenn Sie den Beratungsansatz als Produkt ansehen – dann sowieso. Außerdem gibt es noch die ‘McKinsey Solutions‘, eigenständige McKinsey-Softwareprodukte, die Klienten lizenzieren können, um auf der Basis unserer Methodiken damit weiter zu arbeiten.
Können wir vielleicht an einem Beispiel deutlich machen, was Sie hier im Team tun?
Joe Boden: Gerne. Nehmen wir einen großen Einzelhändler. Der ist stationär sehr erfolgreich, hat aber noch keinen Onlinestore und möchte diesen Umstand ändern. Vor allem am Anfang müssen sehr viele strategische Entscheidungen getroffen werden, die diverse technische Implikationen beinhalten. Und da kommt McKinsey ins Spiel. Das fängt an mit der Frage, welche Kanäle bespielt werden sollen. Kommen die Kunden eher übers Tablet, weil es Waren sind, die sie abends von der Couch kaufen oder sind es Spontankäufe, die ganz kurz in der U-Bahn getätigt werden? Wie werden die Produkte nach Hause geliefert? Bietet unser Klient Click and Collect an? Das heißt, man bestellt online und holt die Ware im Laden ab. Meine Aufgabe ist es, mit dem Team bei der Entscheidung der strategischen Fragen zu unterstützen und die Umsetzung voranzutreiben.
Wie ist das bei Ihnen, Herr Stärk?
Ulrich Stärk: Mein aktuell spannendster Case betrifft ein Versicherungsunternehmen, noch verhaftet in der alten Versicherungswelt, also mit sehr viel Vertrieb über etablierte Kanäle wie Vertreter und Offline-Vertriebsnetze. Wir müssen im Rahmen der digitalen Transformation das Unternehmen ganz neu ausrichten. Dazu gehören die Strategie, der Business Case und das Business Modell. Natürlich ist auch die Frage nach der IT-Plattform zu klären, die später ein solches Geschäftsmodell ermöglichen soll. Am Ende dieses Projektes in etwa zwei Jahren ist quasi eine komplett neue Versicherung entstanden. Das sind Projekte, die ich derzeit umsetze – gemeinsam mit einem Team aus Generalisten, Digitalexperten und Kollegen aus dem McKinsey Digital Lab, also Designern, Agile Coaches oder Software-Architekten wie ich.
Wie sieht Ihr Projektteam aktuell aus?
Ulrich Stärk: Mein Team besteht aus einem Physiker, einem BWLer, einem Informatiker und einem Designer. Keiner ist auf eine bestimmte Rolle festgelegt. Ich habe auch schon Berater, die Medizin studiert haben, auf Digitalisierungsprojekten erlebt und auch ich selbst bin nicht beschränkt auf Technologiethemen, sondern ich leite ganze Beraterteams – ähnlich wie meine Generalistenkollegen.
Joe Boden: Diese wenig starre Zuteilung ist für mich einer der Gründe, derentwegen ich zu McKinsey gekommen bin. Für mich ist das extrem bereichernd, denn durch die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Kollegen wie Designern und IT-Architekten lerne ich jeden Tag dazu. Aus meiner Erfahrung ist das die Motivation, weswegen Studenten gern in die Unternehmensberatung gehen. Sie wollen sich weiterentwickeln und verschiedene Branchen und Klienten kennenlernen.
Ich bin bei McKinsey genauso Unternehmer, wie ich das in meinen eigenen Firmen gewesen bin
Markus Berger-de León
Einige von Ihnen haben erfolgreich Unternehmen gegründet – was bewegt einen eigentlich dazu, die Selbstständigkeit aufzugeben und in die Beratung zu gehen?
Markus Berger-de León: Wir haben dieses schöne geflügelte Wort: Build your own McKinsey. Ich bin bei McKinsey genauso Unternehmer, wie ich das in meinen eigenen Firmen gewesen bin. Jeder von uns ist ein Stück weit auch sein eigener Unternehmer. McKinsey stellt dabei die Umgebung und das Umfeld, in dem man in die Richtung arbeitet, die einen persönlich interessiert und weiterbringt.
Ulrich Stärk: Ich habe im Alter von 17 Jahren eine kleine IT-Beratung gegründet. Meine Mutter musste auf meinem Gewerbeschein unterschreiben, weil ich noch nicht volljährig war. Dieses Unternehmen habe ich parallel zu Schule, Studium und Berufseinstieg betrieben, teilweise für sehr namhafte Kunden. Der ausschlaggebende Grund, die Selbstständigkeit aufzugeben, war McKinsey: Die Möglichkeiten und die Art der Projekte, an denen ich arbeiten kann, sind ganz andere. Die Themen sind tiefer, breiter, spannender.
Ständig neue Themen und Herausforderungen: Die Arbeit hier für McKinsey ist der für Start-ups sehr ähnlich
Kim Müller
Frau Müller, Sie haben schon für Start-ups gearbeitet. Ist das von der Arbeitsatmosphäre ein großer Unterschied oder gibt es Parallelen?
Kim Müller: Bevor ich bei McKinsey angefangen habe, habe ich für digitale Agenturen und Start-ups gearbeitet. Für mich ist die Arbeit hier sehr ähnlich. Es gibt viel Abwechslung, ständig neue Themen, andere Konstellationen, neue Herausforderungen. In einem typischen Projekt führe ich zunächst Interviews mit Endnutzern durch. Es ist wichtig, die Kundenbrille aufzusetzen, um Probleme besser verstehen und lösen zu können. Anschließend mappen, also veranschaulichen, wir die Problem-Punkte und entwickeln erste Ideen, die wir dann zusammen mit Developern in Prototypen umsetzen, um diese direkt testen und optimieren zu können. Das ist ähnlich wie in Start-ups. Ich war anfangs ehrlicherweise etwas skeptisch, wie das Arbeiten hier sein würde. Ich hätte nicht gedacht, dass mir die Möglichkeit gegeben wird, so kreativ und frei zu arbeiten, wie ich das vorher gewohnt war. Der Austausch mit den Generalisten und Spezialisten bei McKinsey ist für mich zusätzlich bereichernd.
Herr Berger-de León, Sie sind ja selbst als Unternehmer sehr erfolgreich gewesen, aber es gab auch Projekte, die nicht funktioniert haben. Wie wichtig ist für Sie diese Erfahrung, die Sie daraus gezogen haben, für Ihre heutige Beratertätigkeit?
Markus Berger-de León: Ich glaube, dass ich als Unternehmer aus den wenigen Projekten, die schiefgegangen sind, wesentlich mehr gelernt habe, als aus denjenigen Unternehmen, die funktioniert haben. Wenn etwas funktioniert, kennt man oft gar nicht so genau den Grund dafür. Wenn aber etwas schiefgeht und man dieses Scheitern kritisch analysiert, dann ist genau das der Erkenntnisgewinn, der einen weiterbringt. Diese Erfahrungen sind ein Teil der Glaubwürdigkeit, die ich heute als Berater zu unseren Klienten mitbringe. Die Erfahrung gemacht zu haben, mit einer Idee viel zu früh am Markt gewesen zu sein oder zu früh versucht zu haben, Produkte zu skalieren, ohne die Daten wirklich genau analysiert zu haben. Ich glaube, ich könnte meinen heutigen Job ohne diese Erfahrungen nicht so gut machen.
Wie international arbeiten Sie?
Ulrich Stärk: Ich habe letztes Jahr – zumindest gefühlt – fast alle europäischen Länder bereist.
Kim Müller: Manche Projekte können einen auch in die Vereinigten Staaten oder nach Australien führen.
Markus Berger-de León: Wem das nicht liegt: Jeder Mitarbeiter kann ziemlich gut steuern, wie international er arbeiten möchte. Wer unternehmenslustig ist, den kann der Job hier in aller Herren Länder ziehen. Wenn Sie aber aus der persönlichen Situation heraus sagen, ich will und muss hier in Deutschland bleiben, dann ist auch das machbar. Außerdem haben wir Teilzeit- und Auszeitmodelle und sind als Arbeitgeber sehr flexibel.
Eine Frage an die beiden Informatiker – denken Sie, dass Ihre Kollegen an den Unis Strategieberatungen als Arbeitgeber auf dem Zettel haben?
Ulrich Stärk: Bei Wirtschaftsinformatikern ist die Strategieberatung auf jeden Fall eine Option für den Berufseinstieg. Bei reinen Informatikern dagegen könnte sie noch wesentlich bekannter sein. Das ist schade, denn unsere Themen sind spannend.
Joe Boden: Ich sehe das ähnlich. Viele Informatiker überlegen sich eher, in die IT-Beratung oder ein Systemhaus zu gehen.
Wir haben in den Digital Labs in Berlin derzeit 50 und weltweit tausend Mitarbeiter. Bisher haben wir jedes Jahr unsere Mitarbeiterzahl verdoppelt.
Markus Berger-de León
Stichwort Mitarbeiter: Mit wem würden Sie sich am liebsten verstärken wollen?
Ulrich Stärk: Design, agiles Coaching und Technologie – in diesen drei Bereichen suchen wir bei den McKinsey Digital Labs Mitarbeiter. Im agilen Coaching-Bereich braucht man schon ein paar Jahre Berufs-erfahrung als Product Owner oder Scrum Master. Im Designbereich suchen wir Experience Designer aber auch User Interface Designer, die ein Gespür für Kundenzentriertheit mitbringen und das bei uns einsetzen wollen. Im Technologiebereich benötigen wir Absolventen, die sich mit Data Analytics und Big Data oder Softwarearchitektur auskennen. Wir schauen nach Entwicklern von Frontend über Backend bis Fullstack genauso wie nach Experten für Datenbanksysteme. Wichtig ist uns ein sehr agiles Mindset und die Fähigkeit, auch über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken.
Markus Berger-de León: Dazu kommen noch die Kandidaten, die im Bereich Digital McKinsey in der strategischen Beratung arbeiten möchten. Was den Studienhintergrund angeht, sind wir hier sehr offen. Tatsächlich kann das vom Informatiker, Wirtschaftswissenschaftler oder Naturwissenschaftler wie Physiker, Chemiker und Biologen bis hin zum Sozialwissenschaftler reichen. Wichtig ist ein ausgeprägtes Interesse für digitale Themen.
Wie lauten die Zukunftspläne von Digital McKinsey und den Digital Labs in Berlin?
Markus Berger-de León: Wachstum! Die Digital Labs haben in Berlin derzeit 50 Mitarbeiter, weltweit sind es etwa eintausend. Bisher haben wir jedes Jahr unsere Mitarbeiterzahl verdoppelt. Dieses Tempo wollen wir beibehalten.