Vom Nischenthema zur gesellschaftlichen Pflicht: Ein Beitrag von Michael Wellnhofer (JMS Augsburg)
CSR, ESG, SROI. Wenn diese Akronyme in einer Top-Management-Präsentation auftauchen, herrscht Begeisterung. Nach negativen Schlagzeilen aufgrund eines Umweltskandals fühlt sich die Führung gezwungen zu handeln. Eine Beratung erarbeitet eine Kampagne, die das Pflanzen von Bäumen und den Vorstand beim Mülltrennen zeigt. Am Ende des Projektes ist die Geschäftsführung zufrieden und fährt mit gutem Gewissen im SUV, dessen Tankfüllung mehr kostet als das monatliche Praktikanten-Gehalt, vom Firmengelände. Am Ende zählt die Strategie: Das Unternehmen muss nachhaltiger werden.
Dieses überspitze Szenario weckt, auf den ersten Blick, Misstrauen. Dennoch zeigt es große Herausforderungen im Veränderungsprozess hin zu einer nachhaltigen Unternehmenskultur auf: ein einheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit, die strategische Verankerung und das tatsächliche Leben der Werte.
Für die Neuentwicklung der Vereinsstrategie von Junior Management Solutions Augsburg e. V., der studentischen Unternehmensberatung an der Universität Augsburg, stellt sich das Projektteam im Zuge der Ausrichtung der Beratungsprodukte die Frage: Wie kann das Thema „Nachhaltigkeit“ in Unternehmen integriert und erfolgreich umgesetzt werden?
Was bedeutet Beratung im Kontext der Nachhaltigkeit?
„Nachhaltigkeit“ oder „Nachhaltige Entwicklung“ bedeutet, Bedürfnisse in der Gegenwart zu befriedigen, dass Möglichkeiten der zukünftigen Generationen nicht eingeschränkt werden. Dabei treten drei verschiedene Dimensionen auf: die wirtschaftliche Effizienz, die soziale Gerechtigkeit und die ökologische Tragfähigkeit. Somit ist Nachhaltigkeit ein allumfassendes Thema, welches in verschiedene Zusammenhänge gesetzt wird. Die daraus resultierende soziale Verantwortung, die ein Unternehmen trägt, wird auch als Corporate Social Responsibility (CSR) bezeichnet.
Environmental Social Governance (ESG) bezeichnet einen Ansatz zur Evaluierung der unternehmerischen Sozialverantwortung und somit den Beitrag, den ein Unternehmen für eine nachhaltige Entwicklung leistet. Dabei rücken die Säulen Umwelt, soziale Aspekte und die Unternehmensführung, die im engen Zusammenhang mit der strategischen Entwicklung steht, in den Fokus.
Setzt man diese Begrifflichkeiten in einen Zusammenhang, ergibt sich daraus folgendes Bild. Zusammen mit dem Unternehmen ist das Ziel als studentische Unternehmensberatung, dem Kunden durch die Säulen aus dem ESG-Ansatz bei strategischen Entscheidungen zu unterstützen und gemeinsam Lösungen für Kommunikation und Sensibilisierung der Mitarbeiter im Changemanagement zu erarbeiten. Dabei werden inhaltliche Impulse aus Entwicklungen in der Forschung gesetzt.
Ist Nachhaltigkeit viel mehr als nur ein Trend?
Nachhaltigkeit ist kein optionales Nischenthema mehr, sondern rückt als zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie in den Fokus. Unternehmen müssen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst werden und auch in diesem Sinne handeln. Die zunehmende Relevanz lässt sich auch auf Veränderungen der Wertschöpfungskette und der staatlichen Rahmenbedingungen zurückführen. Durch das Pariser Klimaabkommen 2015 wurde ein gemeinsames Ziel zwischen 196 Staaten definiert, die globale Erderwärmung zu minimieren. In Anbetracht der 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und dem Anstreben einer Klimaneutralität bis 2045 wird durch gesetzliche Vorgaben die Erreichung angestrebt. Durch die Vorlage der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) wird ab 2023 die Berichtspflicht von bisher Großunternehmen weiter ausgeweitet. Klein- und mittelständische Unternehmen sind davon noch nicht direkt betroffen. Allerdings wird perspektivisch CSR unumgänglich, weil Großbetriebe Informationen über Berichte aus den Zulieferbetrieben einfordern werden. Daher besteht bei Management-Entscheidungen ein immer größerer Handlungsdruck.
Welche möglichen Beratungsprodukte lassen sich als studentische Unternehmensberatung gestalten?
Die Realisierung einer umfassenden ganzheitlichen Beratung und einer mehrjährigen Unterstützung eines Unternehmens ist für eine studentische Unternehmensberatung schwierig umzusetzen. Dennoch liefert bereits die Umsetzung von kleinen Initiativen einen Beitrag zu ökologischen, sozialen und unternehmerischen Zielen. Lösungsansätze für Herausforderungen des Kunden werden dabei beispielsweise über Prozessanalysen entwickelt, die in einem produzierenden Gewerbe die Möglichkeiten bieten, den Materialeinsatz zu optimieren. Recherchen können alternative Materialien identifizieren, die Regionalität der zugelieferten Werkstoffe fördern und Emissionseinsparungen in der Anlieferung des Bauteils ermöglichen.
Ein weiteres Handlungsfeld ist die Ausrichtung von Marketing- und Kommunikationsstrategien. In den sozialen Medien lassen sich oft Baumpflanz- oder Müllsammelaktionen finden, welche zur Stärkung von ökologischen Umweltaspekten vermarktet werden. Das Platzieren von Einzelinitiativen verbessert nicht wesentlich die wahrgenommene Verantwortung. Inhalte von Unternehmenswerten wie exemplarisch eine gerechte Bezahlung oder Inklusion und Diversität in der Personalführung sind dabei wesentlich aussagekräftiger. Für eine ökologische Nachhaltigkeit-Kampagne als mögliches Projektergebnis entwickelt das Projektteam Social-Media-Posts für die Kommunikation von Energieeinsparungen durch den Einsatz von effizienteren Leuchtmitteln. Auch alternative Formate wie Podcasts oder Whitepaper sind dabei möglich.
Durch das Anbieten von Seminaren und Schulungen kann das Changemanagement mit Sensibilisierung für Nachhaltigkeitsthemen im Unternehmen und im Alltag gestärkt werden. Durch die Gestaltung von Thementagen können Inhalte anschaulich erklärt werden, um die Barrieren gegenüber der Veränderung abzubauen. Oft führen bereits kleine und einfache Veränderungen wie das Sensibilisieren der Mitarbeiter für eine stärkere Mülltrennung oder bewusstere Lichtnutzung zu einem nachhaltigeren Unternehmen. Dieses Beratungsprodukt bietet womöglich die größte Chance für die Einflussnahme auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung, da der Aufbau von Wissen und das Schaffen eines einheitlichen Verständnisses die Grundlage für die Akzeptanz und Umsetzung der Maßnahmen sind.
Aus diesen plakativen Beispielen wird ersichtlich, dass Nachhaltigkeit ein gesamtheitliches Thema ist, das intensiv in die tägliche Arbeit des Personals eingebunden werden muss. Nicht nur gegenüber dem Kunden, sondern auch innerhalb von JMS Augsburg muss das Thema Nachhaltigkeit stärker in den Fokus gerückt werden. Für den Aufbau einer vertrauenserweckenden Projektzusammenarbeit ist die vereinsinterne Verfolgung von Zielen und damit die Umsetzung für eine nachhaltige Entwicklung für die Zukunft unabdingbar. Diese Chance wird durch die Neuentwicklung der Strategie nicht ungenutzt bleiben.
Michael Wellnhofer // JMS Augsburg / BDSU
Michael Wellnhofer (23) aus Augsburg studiert Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Materials Ressource Management und medizinische Informatik an der Universität Augsburg. Er ist seit 2018 in der studentischen Unternehmensberatung JMS Augsburg (Junior Management Solutions Augsburg e. V.) tätig, war im Amtsjahr 2020/2021 Vorstand für Qualitätsmanagement des BDSU (Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen e. V.) und führt seit Juni 2022 als Teamlead das Team Research & Development. Gemeinsam mit seinem 6-köpfigen Projektteam verantwortet er als Projektleitung die Strategieentwicklung von JMS Augsburg und gestaltet damit maßgeblich die Ausrichtung des Vereins mit.