Ilka Cremer, Head of HR Germany, bei Simon-Kucher: „In der Beratung ist kein Tag langweilig”
Ilka Cremer leitet seit Ende 2019 den Bereich Human Resources (HR) bei Simon-Kucher. Im Interview berichtet sie über den Wandel des Bewerbermarktes, die Herausforderungen der letzten Monate und welche Angebote für Mitarbeiter und Unternehmen an Bedeutung gewinnen werden.
Sie sind seit November 2019 Head of HR Germany bei Simon-Kucher. Wie haben Sie das sicherlich sehr turbulente erste Jahr erlebt?
Es war definitiv ein ungewöhnlicher und sehr spannender Einstieg. Nach einem knappen Monat, im Dezember 2019, hatte ich die Chance, beim firmenweiten World Meeting vor 1.500 Mitarbeitern als sogenannter „Senior Hire“ über meine ersten Eindrücke bei Simon-Kucher zu sprechen. Das war ungeheuer hilfreich, um Human Resources in den Fokus zu rücken, Partner und Mitarbeiter kennenzulernen und schnell im Unternehmen Fuß zu fassen. Die dortige Aufbruchsstimmung wurde dann leider durch die Corona-Pandemie abgedämpft. In den letzten Monaten hat HR vermehrt bei der Navigation durch die Krise unterstützt und eng mit der deutschen Geschäftsführung und unseren CEOs zusammengearbeitet.
Sie haben inner- und außerhalb der Branche über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren viel Erfahrung im Bereich HR sammeln können. Welche Veränderungen gab es in diesem Zeitraum, etwa was das Anforderungsprofil an Bewerber und deren Mind-Set angeht?
Ganz generell hat sich in dieser Zeit der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgebermarkt – in dem ich damals noch meinen ersten Job finden musste – hin zu einem Bewerbermarkt entwickelt. Wo Unternehmen früher die freie Auswahl aus einem großen Bewerberpool hatten, müssen sie heute zum Teil länger als ein halbes Jahr suchen, bis der geeignete Kandidat gefunden ist – oft auch mithilfe teurer Headhunter. Damit erhöht sich natürlich automatisch die Anspruchshaltung auf der anderen Seite: Bewerber können mittlerweile mehr fordern und sind selbstsicherer.
Bewerber haben demzufolge heutzutage deutlich höhere Ansprüche an ihren Arbeitgeber als dies noch vor zehn Jahren der Fall war. Möglichkeiten, ins Ausland zu wechseln, ein Sabbatical zu machen, an individuellen Trainings teilzunehmen und sich somit stetig weiterzuentwickeln sind in unserer Branche ein Standard – ebenso „coole“ Büroräume, Snacks und Getränke sowie große Company Events. Zugegebenermaßen lebt man in der Beratung ein Stück weit in einer Blase – viele merken erst bei einem Wechsel in eine andere Branche wie besonders das ist. Und diese Vorteile gelten natürlich nicht nur für die Berater, sondern auch für Mitarbeiter der internen Fachabteilungen, wie beispielsweise Finance, HR oder Marketing.
Durch die Globalisierung hat das Thema Diversity deutlich an Fahrt aufgenommen und Unternehmen bemühen sich, unterrepräsentierte Mit-arbeitergruppen zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen
Ilka Cremer, Simon-Kucher & Partners
Hat die Coronakrise das Potenzial, den Bewerbermarkt stark zu verändern?
Durch die aktuelle Wirtschaftskrise wird sich der Arbeitsmarkt aus Arbeitgebersicht ein Stück weit wieder entspannen – in den letzten Monaten waren viele Unternehmen zurückhaltend mit Neueinstellungen, sodass wieder mehr Bewerber auf dem Markt verfügbar sind. Hierbei kommt es aber auch stark auf den Bereich an, in dem gesucht wird. Hochspezialisierte IT-Mitarbeiter sind beispielsweise weiterhin schwer zu finden.
Wie sieht es mittlerweile beim Thema Diversity aus?
Durch die Globalisierung hat das Thema Diversity & Inclusion in den letzten zehn Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen und Unternehmen bemühen sich, nicht nur Frauen, sondern auch anderen unterrepräsentierten Mitarbeitergruppen in der Arbeitswelt zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen. Beispielsweise wird vermehrt darauf geachtet, Stellenanzeigen so zu verfassen, dass sich alle Geschlechter angesprochen fühlen – das hat tatsächlich viel mit dem Wording einer Anzeige zu tun. In Bewertungsprozessen ist es außerdem wichtig, dass HR mit am Tisch sitzt und auf den sogenannten „unconscious bias“ aufmerksam macht oder in Bewerberrunden darauf achtet, dass die Gruppe an Interviewern möglichst vielfältig ist. Und das sind nur die Basics.
Gibt es beim Recruiting generell besondere Herausforderungen in der Consultingbranche im Vergleich zu anderen?
Neben den bereits genannten Besonderheiten sind vor allem die schnellen Aufstiegsmöglichkeiten und durchgeplanten Karrierepfade das, was viele Studienabgänger in die Beratung lockt – hinzu kommt die Internationalität der Projekte und die Reisetätigkeit, die für junge Bewerber die Attraktivität der Branche ausmacht. Nach ein paar Jahren wünschen sich dann aber doch auch viele Berater „Heimschläfer“, also Projekte, die näher bei Familie und Freunden lokalisiert sind. Das heißt, der anfängliche Vorteil des Jobs wird im Laufe der Jahre zu einer Herausforderung. Für Mitarbeiter der internen Fachabteilungen ist die Schnelligkeit und Abwechslung spannend und dass sie ihren Job mit einer hohen Serviceorientierung ausüben können. Diese Abteilungen halten den Beratern den Rücken frei und machen (fast) alles möglich – Flexibilität wird dabei großgeschrieben. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass für mich in der Beratung noch nicht ein einziger Tag langweilig war – in anderen Branchen, in denen ich gearbeitet habe, war das anders.
Flexibilität, Home Office, Ergebnisorientiertheit: Das letzte halbe Jahr veränderte sehr viel im Arbeitsleben. Aber was war wirklich neu und was wurde eigentlich schon gelebt bei Simon-Kucher & Partners?
Neu war tatsächlich die „Freiheit“ tagtäglich von zu Hause aus zu arbeiten. Diesen Begriff setze ich bewusst in Anführungszeichen, da die Arbeit im Home Office natürlich auch mit vielen Herausforderungen und Fragen verbunden ist: Wie muss ich meinen Tag strukturieren, um produktiv arbeiten zu können? Was sind Störfaktoren? Wie achte ich auf ausreichende Pausen? Was tue ich für meine Gesundheit? Wie stelle ich den Zusammenhalt im Team sicher? Wie führe ich remote mein Team? Hier haben wir als Arbeitgeber unterstützt: mit Team Calls, virtuellen Townhall-Meetings sowie virtuellem Kaffeetrinken oder Abendessen, Home-Office-Yoga, Tipps und Tricks zum Arbeiten von zu Hause, Umfragen zur neuen Arbeitsweise und vielem mehr. Mittlerweile fühlt es sich ganz normal an, wenn ich aufgrund eines fehlenden Arbeitszimmers aus meiner Küche heraus mit unserer Geschäftsführung per Videokonferenz Besprechungen wahrnehme oder mich abends mit Kollegen zu einem virtuellen Weinabend per Zoom treffe.
Eine interaktive Bürokultur ist wichtig für das soziale Miteinander und hilft gerade jüngeren Kollegen bei der Orientierung
Ilka Cremer, Simon-Kucher & Partners
Dennoch werde ich weiterhin Fan einer interaktiven Bürokultur sein, denn diese ist für das soziale Miteinander unerlässlich und sehr wertvoll. Auch aus einem Lerngedanken heraus ist die gemeinsame Arbeit vor Ort besonders für jüngere oder unerfahrene Kollegen wichtig, denn dort profitieren sie vom Teamwissen und können sich vieles abschauen – diese Chance besteht beim Remote-Working nur begrenzt.
Zukunftsforscher Matthias Horx hat in einer Online-Podiumsdiskussion die These aufgestellt, dass zukünftig eine langfristige Work-Life-Dynamik an die Stelle der eher kurzfristig gedachten Work-Life-Balance treten wird. Das Zusammenspiel Job und Leben soll damit über ein gesamtes Arbeitsleben betrachtet werden. Das bedeutet unter anderem, dass man in seinem Arbeitsleben zu einer gewissen Zeit viel arbeitet – etwa nach dem Berufseinstieg als Single – und später als Elternteil deutlich weniger. Wie denken Sie darüber?
Ich denke, dass diese Beschreibung der Work-Life-Dynamik zu kurz greift und die Kurve nicht einfach nur abflacht, wenn Arbeitnehmer ein Kind bekommen. Vielmehr ist es eine Wellenbewegung: von einem hohen Arbeitspensum als Berufseinsteiger/Single hin zu reduzierter Arbeitstätigkeit bei frischgebackenen Eltern zurück zu einer Phase, in der die Arbeitsintensität erneut zunimmt, beispielsweise wenn die Kinder älter und selbstständiger werden. Wenn es dann auf das Renteneintrittsalter zugeht, mag es wiederum abflachen. Dies ist natürlich von vielen Faktoren abhängig: finanzielle Situation, Flexibilität des Arbeitgebers, der Anteil an Büro- und physischer Arbeit, um nur einige zu nennen.
Ich glaube, dass persönliche Auszeiten immer mehr an Akzeptanz gewinnen werden, nicht nur in Hinblick auf die Elternzeit
Ilka Cremer, Simon-Kucher
Wage ich einen Blick in die Zukunft, glaube ich, dass persönliche Auszeiten immer mehr an Akzeptanz gewinnen werden. Allein im Hinblick auf die Elternzeit der männlichen Kollegen hat sich in den letzten zehn Jahren in der Beratung viel getan. Früher haben sich Männer überhaupt nicht getraut, eine Elternzeit einzufordern, heutzutage ist es business as usual. Aber ich bin der Meinung, wir sollten hier nicht nur eindimensional auf das Thema Elternzeit schauen. Auch kinderlose Arbeitnehmer werden berechtigterweise das Recht für sich einfordern, eine Auszeit zu nehmen. Ob diese Auszeit für Reisen genutzt wird, die Pflege der Eltern, Weiterbildung oder die Erfüllung eines individuellen Traums sollte jedem selbst überlassen sein. Bei Simon-Kucher sind wir sehr fortschrittlich, was das Thema flexible Arbeitszeitmodelle angeht. Wir gehen individuell auf unsere Mitarbeiter ein und finden einen Weg – und das über alle Hierarchiestufen hinweg.
Wir haben viele langjährige Mitarbeiter bei Simon-Kucher & Partners – das ist heutzutage nicht selbstverständlich und spricht für das Unternehmen
Ilka Cremer, Simon-Kucher
Wie ist eigentlich die Verweildauer bei Simon-Kucher?
Wir haben viele langjährige Mitarbeiter bei Simon-Kucher und ich rede hier von über 20 Jahren Betriebszugehörigkeit – das ist heutzutage nicht selbstverständlich und spricht für das Unternehmen. Dies ist unter anderem auch durch unsere flexiblen Arbeitszeitmodelle möglich.
Grundsätzlich ist es in der Beratungsbranche – zumindest auf Beraterseite – üblich, dass man zu einem gewissen Zeitpunkt in der Karriere entscheidet, ob man sich weiter Richtung Partner-Track orientiert oder vielleicht doch lieber den Weg in die Industrie sucht. Wie vorher bereits erwähnt, sehnen sich viele Berater irgendwann nach etwas mehr Beständigkeit und weniger Reisetätigkeit. Das ist ein ganz üblicher Prozess. Wir haben den Vorteil, dass wir ohne „Up or out“-Prinzip arbeiten und Mitarbeiter dadurch länger auf einer Karrierestufe verweilen können. Das bedeutet zum einen, dass sich jeder in seinem eigenen Tempo weiterentwickeln kann, und zum anderen, dass wir erfahrene Berater mit ihrer Expertise im Unternehmen halten und davon profitieren können – nicht jeder will und muss bei uns Partner werden.
Wie sind Sie eigentlich selbst zu Simon-Kucher & Partners gekommen? Und warum sagten Sie „ja” zum Unternehmen?
Ich bin ganz klassisch angesprochen worden – nicht über einen externen Headhunter, sondern von meiner jetzigen Mitarbeiterin im Active Sourcing. Nach meinen Stationen in verschiedenen Beratungen habe ich natürlich ein einschlägiges Profil und werde oft kontaktiert. Nachdem ich zuletzt die HR Development & People Services Abteilung – jedoch ohne Recruiting-Verantwortung – in einer anderen Beratung aufgebaut habe, war der logische nächste Schritt für mich, die Gesamtverantwortung im Bereich HR zu übernehmen. Simon-Kucher & Partners hat mir diesen Karriereschritt ermöglicht und so leite ich nun deutschlandweit die HR-Geschicke, das beinhaltet Talent Acquisition sowie HR Operations. Zudem bin ich an vielen internationalen HR-Projekten beteiligt und kann so auch die Zukunft des gesamten Unternehmens mitgestalten. Auch wenn ich selbst keine Beraterin bin, so bin ich doch ein Kind der Consulting-Branche und fühle mich hier sehr wohl.
Aktuell – wir sprechen im September 2020 – herrscht noch viel Unsicherheit, wie es weitergeht. Ich habe in letzter Zeit einige Gespräche mit Personalverantwortlichen geführt. Manche sagen: Wenn Sie mich fragen, wie viele Leute wir einstellen, kann ich das nicht beantworten. Andere sagen: Die Qualität der Bewerber ist gestiegen, bei uns bewerben sich Leute, die uns früher nicht auf dem Schirm hatten. Wie ist das bei Simon-Kucher & Partners? Und wagen Sie einen Ausblick auf 2021?
Ein Ausblick auf 2021 ist in der Tat ein Stück weit ein Blick in die Glaskugel. Wir haben Bereiche, die auch in der Krise stabil weiterlaufen und in denen Normalbetrieb herrscht, wie zum Beispiel im Bereich Life Science. Andere Industrien sind stärker von der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Wirtschaftskrise betroffen. Die Beratung ist in dieser Hinsicht ein Spiegel der verschiedenen Wirtschaftsbereiche – geht es bestimmten Industrien schlecht, werden Beratungsprojekte gestoppt bzw. verschoben. Dennoch bleibt Simon-Kucher auf Wachstumskurs und ich ermutige Studienabgänger, sich bei uns zu bewerben – sowohl auf Beraterpositionen als auch für die internen Fachbereiche.
Ich kenne keine Branche, in der man in so kurzer Zeit so viel lernt und so gut ausgebildet wird. Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick und ich freue mich über jeden, dem es ebenso ergeht!
Ilka Cremer, Simon-Kucher & Partners
Ilka Cremer, aus Köln, arbeitet seit Ende 2019 als Head of HR Germany bei Simon-Kucher & Partners. Begonnen hat Ilka ihre Personaler-Karriere in der Strategieberatung Strategy& (ehemals Booz&Company) in Düsseldorf. Vor dem Wechsel zu Simon-Kucher & Partners war Ilka für den Aufbau und die strategische Ausrichtung der HR Development & People Services Abteilung bei INVERTO, A BCG Company verantwortlich. Ihr Studium absolvierte sie an der Hochschule in München und wurde für ihre Diplomarbeit mit dem Wissenschaftspreis der Hoteldirektorenvereinigung Deutschland e.V. ausgezeichnet. In ihrer Freizeit widmet sich Ilka der Fotografie, macht Yoga, geht gerne ins Theater und ist Mitglied in verschiedenen Kulturfördervereinen.