Sechs Monate Down Under: Ein Rückblick von Viktoria Patsios auf ein halbes Jahr Australien
Viktoria Patsios ist seit Februar 2016 Beraterin bei Simon-Kucher & Partners. Am Unternehmen hat sie vor allem die internationale und abwechslungsreiche Arbeit gereizt sowie der inhaltliche Fokus auf umsatzseitige Projekte. Im Frühjahr 2018 verabschiedete sich die 28-jährige Österreicherin vom Wiener Team, um ein halbes Jahr nach Australien zu gehen. Wie es dazu kam und wo sich die kleinen Unterschiede im Arbeitsleben in den beiden Hemisphären verstecken, erzählt sie im Interview.
Frau Patsios, Sie sind von Wien nach Sydney gewechselt. Wie kam es dazu?
Das war ein glücklicher Zufall: Im Sommer 2017 habe ich Eva, eine Kollegin aus unserem Standort in Sydney, kennengelernt, als wir gemeinsam an einer Studie zu Solarenergie und Energiespeicherung gearbeitet haben. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und waren ein tolles Team. Deshalb hat sie mir anschließend vorgeschlagen, für eine Weile in das dortige Büro zu kommen. Ich wollte schon immer mal in Australien leben und arbeiten. Sydney mit seiner Lebensqualität fand ich als Stadt außerdem unglaublich reizvoll – da habe ich nicht lange gezögert.
Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die bei einer solchen Rotation zu erfüllen sind?
Ich habe mir die Zustimmung der Partner in Wien und Sydney für mein Vorhaben eingeholt, damit waren alle Voraussetzungen erfüllt und ich konnte für sechs Monate – von März bis August 2018 – den Arbeitsort wechseln.
Der Unternehmergeist ist in Australien allgegenwärtig: Jeder packt mit an und bemüht sich darum, den Standort voranzubringen
Viktoria Patsios, Simon-Kucher
Wie unterscheidet sich die tägliche Arbeit, das Leben, die Kollegen, die Mentalität?
In den meisten Dingen gleicht sich das Arbeitsleben an beiden Standorten schon sehr. Die Projektarbeit ist ähnlich, die Aufgaben auch. Ich habe während meiner Zeit in Australien an vier kürzeren Projekten mitgearbeitet, die jeweils zwischen vier und acht Wochen dauerten. So habe ich eine Vielzahl unterschiedlicher Industrien, von Schifffahrt über Software bis hin zu Konsumgütern, kennengelernt. Außerdem habe ich die neuen Kollegen dabei unterstützt, eine sogenannte „Learning Session“ der Australian Energy Week in Melbourne vorzubereiten und durchzuführen. In diesem Rahmen habe ich auch gemeinsam mit einer Kollegin einen Vortrag über Produkt- und Preis-Analytics gehalten.
Was waren die kleinen Unterschiede in täglichen Miteinander?
Die kleinen Unterschiede habe ich vor allem im Büroalltag bemerkt, denn unser Standort in Sydney ist relativ klein. Das hat Vor- und Nachteile. Beispielsweise mussten wir, wenn es montags ein IT-Problem gab, erst einmal eine ganze Weile warten, bis auch für unsere Fachleute in Europa und den USA der Arbeitstag gestartet hatte. Ein Grafik-Team zur Unterstützung war hier nicht vorhanden, das habe ich immer selbst erledigt. Und für Fragen an mein Projektteam musste ich weder telefonieren noch das Büro verlassen – sondern mich einfach nur umdrehen. Anders als in Wien saß ich hier nämlich mit dem gesamten Team nicht nur in der gleichen Stadt, sondern sogar im selben Großraumbüro. Ein weiterer Unterschied: Ich musste wesentlich weniger reisen, da der Großteil meiner Arbeit, abgesehen von gelegentlichen Trips nach Melbourne und Tasmanien, nicht mehr als 30 Minuten von dem Büro in Sydney entfernt stattfand. Das war aber nicht für alle Kollegen vor Ort so: Zur gleichen Zeit waren einige Kollegen auf Projekten in Brisbane, Bangkok, Neuseeland oder Papua Neuguinea unterwegs.
Die wohl interessanteste Erfahrung war es, Teil eines kleinen Teams am anderen Ende der Welt zu sein – vom Wiener Büro aus gesehen. Der bei Simon-Kucher so geschätzte Unternehmergeist ist hier allgegenwärtig. Jeder packt mit an und bemüht sich aktiv darum, den Standort voranzubringen. Es reicht nicht, sich ausschließlich auf die eigenen Projekte zu fokussieren. Consultants jeder Hierarchiestufe kümmern sich hier um Business -Development, Teamentwicklung und -wachstum, Büroausstattung und Teamaktivitäten. Erfahrungen und Erlerntes werden regelmäßig geteilt und das freitägliche Business-Development und Projekt-Update-Meeting findet immer beim selbstgemachten Frühstück statt. Das Team hier ist kleiner als das in Wien und versteht sich ebenso gut. Die Mittagspause wird fast täglich gemeinsam verbracht, ebenso die Kaffeepause am Nachmittag. Auch das Freitagsbier ist hier eine Institution; nicht mal beim gemeinsamen Ski-Trip hat es gefehlt.
Wissen Sie, wie viele Mitarbeiter bei Simon-Kucher eine solche Rotation machen? Sind Sie da eher Exot oder eine von vielen?
Wir haben über 30 Rotationen jährlich, Tendenz steigend. Das wird ausdrücklich vom Unternehmen unterstützt. Und ich kann jedem nur nahelegen: Wenn euch jemand die Möglichkeit gibt, in ein anderes Land zu gehen, tut es. Klar arbeiten wir projektbasiert viel im Ausland. Aber auf diesen Kurz-Trips ist es schwierig, die lokale Arbeitsweise und Kultur wirklich kennenzulernen. Während der Rotation lernt man unglaublich viel, wächst an den Aufgaben und Herausforderungen, die ein solches Abenteuer mit sich bringt, erweitert sein firmeninternes Netzwerk und entdeckt am Wochenende die Welt – einfach großartig.
In Österreich bin ich im offiziellen Leben Viktoria Patsios. In Sydney haben sie sogar aus Vicky noch Vik gemacht.
Viktoria Patsios, Simon-Kucher & Partners
Durch die Globalisierung verschwimmen oft die Unterschiede – alle sprechen englisch, studieren international, aber auch Innenstädte gleichen sich immer stärker. Gibt es dennoch aus Ihrer Sicht typische nationale Verhaltensweisen und Auffälligkeiten?
Ich habe in den letzten Jahren außer in Österreich in vier weiteren Ländern gelebt und gearbeitet. Und jedes Mal war es anders als daheim – mal mehr, mal weniger. Australien ist da keine Ausnahme. Die Leute hier sind beispielsweise viel aufgeschlossener und freundlicher zu Fremden, als ich es von zuhause gewohnt bin. Gleichzeitig habe ich gelernt, dass sich hier nicht jeder über eine Umarmung zum Geburtstag oder zur Verabschiedung freut. Das soziale Leben findet bevorzugt beim Brunch und beim nachmittäglichen Glas Wein statt. Die Bar, die hier nach ein Uhr nachts noch auf hat, muss man erst mal finden. Zudem war ich überrascht, wie leidenschaftlich die Australier dem Wintersport gegenüberstehen. Und: In Australien wird jeder Name, der länger ist als eine Silbe, gleich abgekürzt – auch gegenüber den Kunden. In Österreich bin ich im offiziellen Leben Viktoria Patsios. In Sydney haben sie sogar aus Vicky noch Vik gemacht. Und dass ich mich am Telefon weiterhin mit meinem vollen Namen gemeldet habe, hat meine Kollegen immer zum Schmunzeln gebracht.
Viele, die so etwas gemacht haben, blieben für länger oder immer. Wie sah das bei Ihnen aus?
Das Leben in Sydney ist toll. Und könnte ich die Stadt mit nach Europa nehmen, würde ich gerne längerfristig in ihr leben. Generell liebe ich die Herausforderung, das Leben in fremden Ländern kennenzulernen und mich dort einzuleben. Wenn mich die Gegend reizt und es die Lebenssituation hergibt, kann ich mir einen längeren Auslandsaufenthalt auch erneut vorstellen. Letztendlich würde ich aber immer wieder nach Wien zurückkehren. Abgesehen von meinem Verlobten, meiner Familie, FreundInnen und KollegInnen würde ich meine Heimatstadt sonst einfach zu sehr vermissen.
Die gebürtige Wienerin Viktoria Patsios, 28, besitzt einen Double Master’s Degree in International Management (CEMS/MIM) der Wirtschaftsuniversität Wien und ist seit 2016 bei Simon-Kucher & Partners. Ihre großen Leidenschaften sind Skifahren, Fußballspielen, Mountainbiken und Wandern und seit neuem auch Surfen. Viktoria Patsios geht gerne gut Essen und arbeitet in ihrer Freizeit daran, die perfekten Macarons zu backen.