Kiumars Hamidian ist Managing Partner und Vorsitzender des globalen Management-Teams bei BearingPoint. Im Interview beleuchtet er, warum das Unternehmen in besonderem Maße von den aktuellen Beratungstrends profitiert und langfristig Innovation in den Mittelpunkt gerückt hat.
Wie würden Sie den Beratungsansatz von BearingPoint beschreiben – und in welchen Beratungsfelder sehen Sie die größten Stärken?
Wir sind ein Unternehmen, das Strategie und Technologie vereint. Im Zeitalter der Digitalisierung ist das eine unserer Stärken. Ich sehe unsere Kompetenz in der Transformation von Unternehmen und Geschäftsmodellen. Unsere Schwerpunkte liegen dabei auf den Themen Digitalisierung, Regulierung sowie Data und Analytics. Wir sind letztes Jahr in Deutschland 18 Prozent gewachsen – der Berater-Markt „nur“ 8,5 Prozent. Wir bringen in diesen Feldern sehr viel Innovation mit, haben eigene Data-Labs, Software-Produkte, Lösungen und Analytics Tools. Rund zwanzig Prozent unseres Umsatzes generiert sich aus Softwareentwicklungen.
Den Trend, dass Beratungen immer mehr zu Full-Service-Agenturen werden, können Sie also bestätigen?
Nur mit PowerPoint-Präsentationen und Ideen zu kommen reicht nicht mehr. Der Kunde möchte Lösungen für seine Herausforderungen und das will er als Service einkaufen. Ein Beispiel aus unserer Praxis: Wir haben für ein wichtiges französisches Medienunternehmen jüngst ein sehr spannendes Projekt gemacht. Das Problem: Jeden Morgen wurden zu viele Zeitungen an die einzelnen Kioske im Pariser Umfeld ausgeliefert. Um zwölf Uhr mittags ist eine Zeitung wertlos und Remittenden kosten Geld. Wir haben daraufhin verschiedene Algorithmen entwickelt, unter anderem mit Hilfe unseres eigenen Tools HyperCupe, und berücksichtigten alle relevanten, verfügbaren Daten aus dem Internet. Gibt es einen Metro-Streik? Regnet es, war gestern ein Fußballspiel mit Pariser Beteiligung? Gibt es besonders wichtige Nachrichten von hohem öffentlichem Interesse? Wir haben also eine Lösung entwickelt, auf deren Basis dem Verlag jeden Morgen eine Liste zugeht, wie viele Zeitungen an welchen Kiosk gesendet werden sollen.
Der Kunde kauft das nicht als Beratungsleistung, sondern als Service. Wir haben nicht nur PowerPoint mitgebracht, sondern gemeinsam mit ihm diese Lösung erarbeitet. Und im konkreten Fall eine Trefferquote von 95 Prozent erreicht. Es geht aus meiner Sicht in Projekten immer weniger um Zeit gegen Geld, sondern immer mehr um: Wir verkaufen eine Leistung, einen Erfolg – und diese Gesamtleistung wird dann abgerechnet.
Es geht in Projekten immer weniger um Zeit gegen Geld, sondern immer mehr darum eine Leistung, einen Erfolg zu verkaufen
Kiumars Hamidian, BearingPoint
BearingPoint hat ja auch eigene Softwareunternehmen, die fallweise zu Lösungen Ihrer Kundenprojekte beitragen können. Wie kommt es zu solchen Ausgründungen?
Es passiert immer wieder, dass wir Ideen, die bei Projekten oder in den Labs entstehen, weiterentwickeln. Vor drei Jahren haben wir den gesamten Innovationsprozess bei uns neu aufgesetzt und eine Innovationsplattform kreiert. Jeder Mitarbeiter, der eine Idee hat, kann sie dort erfassen und gemeinsam mit anderen diskutieren, entwickeln, ausarbeiten.
Mittlerweile haben wir über fünfhundert Ideen auf dieser Plattform. Die besten Ideengeber werden halbjährlich in sogenannte Shark-Tanks eingeladen, wo sie pitchen dürfen. Und aus denjenigen Ideen, die dort bestanden haben, entstehen bei uns sogenannte Acceleratoren. Davon haben wir im Moment 55. Acceleratoren sind erfolgreich erprobte Ideen, die wir bereits bei Kunden umgesetzt haben und die wir bei anderen Kunden als Lösung entsprechend anbieten. Wir haben dann auch noch die Möglichkeit, dass wir unsere Venture-Unit einbringen, um aus diesen Ideen Spin-offs zu machen.
Können Sie da eins nennen?
Das bekannteste ist vielleicht Elevence, weil es auch durch die Presse ging. Elevence war ein Blockchain-Start-up, das mittlerweile von einem Venture Capitalist aus den USA gekauft wurde. Unsere ursprüngliche Idee war, unser Portfolio zu erweitern und natürlich diese Gründung auch weiter zu unterstützen, aber der Verkauf war für die Gründer einfach äußerst lukrativ.
Wenn Sie das Thema Innovation in ihrer eigenen Organisation so in den Mittelpunkt stellen, dann kann man wahrscheinlich auch auf eine besondere Unternehmenskultur und ein besonderes Augenmerk bei der Mitarbeiterauswahl schließen?
Absolut. Wir haben letztes Jahr 450 neue Mitarbeiter eingestellt, 250 davon waren Hochschulabsolventen. Bei uns ist das in den Auswahlprozessen immer ein Thema. Wir erwarten nicht, dass alle schon perfekte Innovatoren sind. Aber wir erwarten schon, dass Kandidaten offen dafür sind und Interesse daran haben.
Dann sehen Sie Innovation auch als Differenzierungsmerkmal?
Wir wollen uns nicht über Größe differenzieren. Viele Mitbewerber, die Strategieberatungen und die Big Four, sind zwischen fünfzig und hundert Mal so groß wie wir. Wir fühlen uns eher wie ein Schnellboot, denn als großer Tanker. Und Innovation ist der Antrieb für unser Schnellboot. Ich bin fest davon überzeugt, dass das für uns das Differenzierungsmerkmal schlechthin ist.
Wir legen sehr viel Wert darauf, als Unternehmer zu agieren zum Wohle und Nutzen unserer Klienten
Kiumars Hamidian, BearingPoint
Fühlen Sie sich eigentlich selber auch als Unternehmer?
Ja, das hat auch viel mit der Unternehmensgeschichte von BearingPoint zu tun. Wir sind ja eigentlich noch ein junges Unternehmen, denn im Jahr 2009 haben wir Partner erst den Management-Buy-out durchgeführt. Ich selber bin einer von einhundertsechzig Partnern, welche die alleinige unternehmerische Verantwortung tragen. In dieser Zeit haben wir den Umsatz verdoppelt, uns kulturell neu ausgerichtet und immer mehr den Fokus auf das Zusammenspiel von Beratung, Innovation und Ventures ausgerichtet. Wir legen sehr viel Wert darauf, selber als Unternehmer zu agieren zum Wohle und Nutzen unserer Klienten. Danach suchen wir uns auch unseren Nachwuchs aus.
Absolventen welcher Fachbereiche suchen Sie derzeit besonders?
Wir suchen Absolventen vieler Fachbereiche: Wirtschaftswissenschaftler, Wirtschaftsingenieure, Wirtschaftsinformatiker, aber vor allen Dingen auch Absolventen mit einem technischen oder naturwissenschaftlichen Background. Wir haben beispielsweise gerade eine promovierte Chemikerin eingestellt und im Change- Management-Umfeld auch einige Psychologen. Die Kollegen aus dem Bereich Data Analytics würden gerne noch Mathematiker und Physiker verpflichten. Wer aus all diesen Fachbereichen nicht nur Beratung lernen und anwenden, sondern darüber hinaus auch an Innovationen mitarbeiten möchte, der- oder diejenige ist herzlich eingeladen, sich bei uns zu bewerben.
Kiumars Hamidian, Jahrgang 1968, ist Managing Partner und Vorsitzender des globalen Management-Teams bei BearingPoint. Nach seinem Masterabschluss in Industrial Economy ist Kiumars Hamidian 1993 in die Unternehmensberatung eingestiegen.