The Outsourcers: Jörg Braunisch und Florian End von der Atruvia AG im Interview
Alle Kreditinstitute müssen die eigene Digitalisierung vorantreiben, um zukunftsfähig zu bleiben. Viele lagern Geschäftsprozesse oder Teile davon an andere Dienstleister aus und beziehen bankenspezifische Software sowie entsprechende Beratungsdienstleistungen. Jörg Braunisch und Florian End von der Atruvia AG kümmern sich um solche Prozesse und entlasten damit regionale Genossenschaftsbanken. Im Doppelinterview erzählen sie von der Berufspraxis, dem Einstieg nach dem Studium und wie sich die Outsourcingleistungen über die Jahre verändert haben.
Welche Outsourcingangebote bieten Sie bei der Atruvia AG für Banken an?
Braunisch: In unserem Geschäftsfeld Kundenprojekte und Consulting bieten wir ein ganzes Bündel von Outsourcing-Angeboten an. Dabei werden ganz unterschiedliche Themenfelder abgedeckt. Zum Beispiel können die Marktfolge-Prozesse oder auch die Online-Geschäftsstelle an uns ausgelagert werden.
Wir im Bereich Gesamtbanksteuerung unterstützen unsere Kunden im Bereich VR-Control. Das heißt, wir kümmern uns um die Berichtspflichten nach den Mindestanforderungen an das Risikomanagement – kurz MaRisk – und schließen dabei ICAAP und ILAAP ein. Das sind interne Prozesse zur Sicherstellung einer angemessenen Risikotragfähigkeit und Liquiditätsausstattung. Außerdem decken wir die klassische Kundengeschäftssteuerung innerhalb von VR-Control ab.
Welche sind bei den Banken am meisten gefragt?
End: Häufig nachgefragt wird bei uns der MaRisk-Bericht inklusive der Risikotragfähigkeit. Ergänzt wird dies dann durch weitere aufsichtsrechtlich relevante Themen sowie dem Meldewesen.
Gibt es hier aktuell besondere Innovationen?
End: Eine aktuelle Innovation ist die Umsetzung der neuen Anforderungen an das Meldewesen. Controllingspezifische Themen verschmelzen immer weiter mit meldewesenrelevanten Punkten. Hier arbeiten wir eng mit unserer Schwesterabteilung zusammen, die Outsourcing-Produkte im Meldewesen anbietet.
Es gibt zwar standardisierte Teilprozesse, der Gesamtprozess bleibt jedoch individuell
Herr Braunisch, Sie sind bereits seit 2002 bei der Atruvia AG im Einsatz und haben den Bereich Outsourcing, den es nun seit 17 Jahren gibt, von Anfang an kennengelernt. Womit hat das Angebot begonnen und wie haben die Banken auf die Möglichkeit von standardisierten Prozessen reagiert?
Braunisch: Begonnen haben wir in 2003 mit dem VR-Control-Outsourcing. Schwerpunkt war zu Beginn, die barwertige Steuerung gemäß VR-Control-Fachkonzept in den Banken zu implementieren. Die Herausforderung lag dabei darin, dass die Banken teilweise keine Kapazitäten dafür hatten. Zusätzlich zu den MaH – den Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften – kamen die MaK, also die Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft, noch dazu. Beide sind in 2006 in den MaRisk aufgegangen.
Bereits ab 2004 kamen daher weitere Outsourcingangebote wie Adressrisikobericht, Marktpreisrisikobericht oder die GuV-Steuerung hinzu. Durch die MaRisk und die allgemeinen Marktanforderungen wurde die barwertige Steuerung mehr und mehr durch die GuV-orientierte-Steuerung zurückgedrängt. Mittlerweile findet durch den ICAAP wieder ein Paradigmenwechsel statt und die barwertige Sicht kommt wieder in den Fokus. Die GuV-orientierte Steuerungsphilosophie bleibt aber weiterhin bestehen. Das bedeutet, die Banken müssen sich nun mit beiden Steuerungsperspektiven auseinandersetzen.
Die Komplexität nimmt zu. Durch die individuellen strategischen Ausrichtungen der jeweiligen Häuser und die gewährte Methodenfreiheit kann von einer kompletten Standardisierung im Controlling und Risikomanagement nicht die Rede sein. Es gibt zwar standardisierte Teilprozesse, der Gesamtprozess bleibt jedoch individuell. Schließlich müssen die gewünschten Steuerungsimpulse ja zur Gesamtausrichtung der jeweiligen Bank passen. Insofern kann man bei unserem Outsourcing eher von Manufakturbetrieb sprechen.
Was durch die Corona-Krise fehlt, ist die Möglichkeit zu unseren Kunden zu fahren. Gerade im letzten Quartal sind wir normalerweise bei unseren Kunden vor Ort
Das Jahr 2020 hat die Art und Weise, wie wir arbeiten, komplett verändert. Welche Veränderungen im Arbeitsleben brachte Covid-19 bei Ihnen und der Atruvia AG?
End: Im Outsourcinggeschäft waren die Veränderungen gar nicht so gravierend. Hier arbeiten wir generell häufig im Home-Office und sprechen uns über das Telefon mit unseren Kunden ab. Was natürlich fehlt, ist die Möglichkeit, zu unseren Kunden zu fahren. Gerade im letzten Quartal sind wir normalerweise häufig bei unseren Outsourcing-Kunden vor Ort um steuerungsrelevante Themen und Neuerungen zu besprechen.
Braunisch: Darüber hinaus bieten wir zusätzlich noch klassische Beratungen und Trainings zu VR-Control an. Ferner werden auch Coaching-Leistungen stark nachgefragt. Diese konnten überwiegende nicht wie gewohnt durchführen. Durch Webkonferenzen und Online-Tools konnten wir einen Großteil des Angebotes aufrecht erhalten. Aktuell arbeiten wir zusätzlich daran, die Trainings generell zu digitalisieren.
Ich habe eine „Patin” zugewiesen bekommen, die sich darum gekümmert hat, dass ich mich gut zurecht finde
Florian End, Atruvia AG
Herr End, Ihr Einstieg liegt rund anderthalb Jahre zurück. Wie erlebten Sie das Onboarding damals?
End: Das Onboarding lief super ab! Ich habe eine „Patin” zugewiesen bekommen, die sich darum gekümmert hat, dass ich mich anfangs gut zurecht finde. Es ist etwas anderes mit 400 KollegInnen in der Volksbank – wo ich vorher war – zu arbeiten oder einem Konzern mit mehr als 6.000 Mitarbeitenden. Fachlich wurde ich schon sehr früh auf Beratungen mitgenommen, wo ich sehr viel neues lernen konnte. Zusätzlich findet eine zweitägige Kennenlernveranstaltung für die neuen KollegInnen statt.
Unter dem Begriff „#enter” kommen alle neuen Kollegen und Kolleginnen zusammen und erhalten eine Vorstellung über das Unternehmen. Das Outsourcing-Geschäft habe ich durch den LSI-Stresstest kennengelernt. Hier haben wir kurzfristig für unsere Kunden eine Zusatzleistung angeboten. Da die Bearbeitung sehr Arbeitsintensiv war konnte ich dann bei den Bestandskunden meiner Kollegen und Kolleginnen unterstützen.
Herrn Braunisch, können Sie uns Ihr persönliches Arbeitserlebnis bei der Atruvia AG kurz beschreiben – und auch gegebenenfalls, wie es sich verändert hat?
Braunisch: Zu Beginn meiner Zeit bei der Atruvia AG war die Tätigkeit eher technisch geprägt. Dies änderte sich jedoch schnell in den oben genannten Zeiträumen, da beim Thema Gesamtbanksteuerung die Technik – die Software VR-Control – nicht von der betriebswirtschaftlichen Sichtweise zu trennen ist. Hinzu kam, dass spätestens mit den MaRisk-Neuerung verlangt waren, die schnell und pragmatisch umgesetzt werden mussten. Durch die Schaffung der Tochtergesellschaft KBB GmbH mit den Genossenschaftsverband Frankfurt haben wir die Freiräume gehabt, um auf Basis der Produkte der damaligen Atruvia AG lauffähige Lösungen bei den Kunden zu implementieren. Zusätzlich kam durch Fusionen zuerst mit der Rechenzentrale in Stuttgart und dann mit München eine deutliche Erweiterung des Geschäftsgebietes sowie der Anforderungen der unterschiedlichen Regionalverbände hinzu. Nach dem Zusammenschluss zur Atruvia AG in 2015 befinden wir uns heute im Grunde in einer ähnlichen Situation und können auf die damals gewonnen Erkenntnisse aufsetzen. Die heute unter dem Sichtwort agil operierende Arbeitswelt haben wir bereits schon einmal kennengelernt.
Wir schaffen gerade ein neues Modell der Zusammenarbeit und werden zukünftig über eine Matrixorganisation verfügen
Herr End, ich habe gelesen, dass Sie vor kurzem zum Chapter Guide gewählt wurden. Bevor ich das heimlich google, frage ich Sie lieber offen: Was ist das?
End: Wir führen bei der Atruvia AG aktuell eine Transformation durch. Ein Aspekt davon ist ein neues Zusammenarbeitsmodell. Wir sind dabei nicht mehr klassisch in Bereiche und Abteilungen aufgeteilt. Stattdessen haben wir nun eine Matrixorganisation. Auf kleinster Ebene wird diese in Chapter und Squads gegliedert. Ein Chapter ist stellt dabei den Zusammenschluss von Mitarbeitern mit fachlich ähnlichen Aufgaben dar.
In einem Squad treffen sich dagegen Mitarbeiter aus mehreren Chaptern, die an einem gemeinsamen Thema zusammen arbeiten. Für das Chapter „Gesamtbanksteuerung” wurde ich zum Chapter Guide gewählt. Dieser hat die Aufgabe, das Chapter zu organisieren, aber auch die Zusammenarbeit mit anderen Chaptern sicherzustellen. Man kann es also mit einer Art Mannschaftskapitän im Sport vergleichen.
Jörg Braunisch, Atruvia AG
Jörg Braunisch absolvierte nach dem Abitur 1993 zunächst eine Ausbildung bei der Stadtsparkasse Kassel und schloß danach ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Georg-August-Universität in Göttingen an. Während des Studiums arbeitete er weiter in der Sparkasse und freiberuflich im Bereich IT-Consulting. Seit 2002 ist er bei der Atruvia AG im Bereich Gesamtbanksteuerung/Risikomanagement beschäftigt.
Florian End, Atruvia AG
Florian End machte an der Volksbank Offenburg eine Ausbildung zum Bankkaufmann mit der Zusatzqualifikation Finanzmanagement. Bei der Volksbank Karlsruhe absolvierte er anschließend ein DH-Studium und, nach dem Einstieg ins Controlling, ein berufsbegleitendes Master-Studium. End sammelte Auslandserfahrung bei einem Bank-Praktikum in Hong Kong und schloß sich im April 2019 der Atruvia AG als Berater an.