Sebastian Kühn und Marcel Born machen Regionalbanken fit für die Zukunft
Sebastian Kühn und Marcel Born arbeiten als Berater für Atruvia – und daran, regionale Genossenschaftsbanken fit für die Zukunft zu machen. Welche Innovationen die „Digitale Regionalbank” umfasst, wie sich der Vor-Ort-Service in Zukunft verändern wird und was diese Veränderungen für sie als Mitarbeiter bedeuten, berichten die beiden im Interview.
Worum geht es bei der Digitalen Regionalbank?
Sebastian Kühn: Die Digitale Regionalbank ist die Antwort der Genossenschaftlichen FinanzGruppe auf die Veränderung der Bankenwelt und ist Teil einer konsequenten Online-Strategie. Wir möchten damit herausragende Kundenerlebnisse schaffen. Es geht aber auch darum, Effizienzgewinne für die Banken zu erzielen, zum Beispiel durch die Einführung von One-and-done-Prozessen, das sind fallabschließende automatisierte Prozesse, in denen der Kunde einen Vorgang, etwa die Kontoeröffnung, direkt abschließt.
Die Digitale Regionalbank: Das maßgebliche Ziel der ist ein vernetztes Angebot aus Vertrieb und Beratung
Sebastian Kühn, Atruvia AG
Welche Bereiche und digitale Innovationen umfasst die Digitale Regionalbank?
Kühn: Noch in den vergangenen Jahren fanden die Kundenkontakte hauptsächlich stationär an Service-Points oder in der persönlichen Beratung statt. Kanäle wie das Onlinebanking oder das zentrale KundenServiceCenter – also ein Call-Center innerhalb einer Bank – wurden zwar genutzt, jedoch hauptsächlich zur Informationsvermittlung und für Transaktionen. Die Informationen, die Kunden über diesen Weg der Bank zur Verfügung stellen, werden häufig nicht in den Vertriebskreislauf integriert. Insbesondere Produktabschlüsse werden bis heute eher im stationären Vertrieb getätigt. Das maßgebliche Ziel der Digitalen Regionalbank ist daher ein vernetztes Angebot aus Vertrieb und Beratung, das ohne Medienbrüche und über alle Kanäle und Geräte hinweg funktioniert. Hierbei sollen alle Vertriebskanäle, also Berater, KundenServiceCenter, Tablet, Handy und PC miteinander verknüpft und modular erweiterbar sein.
Was bedeutet das konkret?
Kühn: Für die Banken bedeutet das, dass Filiale, KundenServiceCenter, Onlinebanking und Banking App nicht mehr isoliert nebeneinanderstehen, sondern alle Organisationseinheiten und Zugangswege technisch integriert und miteinander verbunden werden. Das übergeordnete Ziel hierbei: Die Kundenreise soll in Zukunft einheitlich funktionieren. Damit haben alle Beteiligten zu jedem Zeitpunkt, überall und in jedem Kanal Zugriff auf die Daten. Die Digitale Regionalbank nimmt dabei die Bedürfnisse der Kunden in den Fokus und optimiert gleichermaßen Erträge und Kosten.
Die genossenschaftlichen Werte wie Nähe, Vertrauen und Sicherheit gilt es in die digitale Welt zu transformieren
Sebastian Kühn, Atruvia AG
Warum sind diese Maßnahmen Ihrer Meinung nach notwendig?
Kühn: Der digitale Fortschritt, das zunehmend veränderte Kundenverhalten und der erhöhte Wettbewerbsdruck durch Start-ups oder auch etablierte Technologiekonzerne wie Apple oder Google zwingt die Finanzbranche zum Handeln. Der Kontakt zur Bank findet heute zunehmend digital statt. Die Kundenansprache muss neu ausgerichtet, Kundenbeziehungen müssen neu gedacht, Geschäftsmodelle und Organisationen müssen angepasst werden. Die genossenschaftlichen Werte wie Nähe, Vertrauen und Sicherheit müssen in die digitale Welt transformiert werden.
Marcel Born: Auch an den Genossenschaftsbanken gehen Megatrends nicht vorbei – sie müssen sich zwingend damit auseinandersetzen. Auswirkungen haben sie vor allem auf den Vor-Ort-Service.
Der demographische Wandel spiegelt sich nicht nur grundsätzlich in der Gesellschaft und somit in unseren Kunden wider, sondern beschäftigt auch die Genossenschaftsbanken. So ergeben sich unter anderem Fragestellungen, welche die zukünftige Personaldecke betreffen. Kann diese in Zukunft noch so realisiert werden, dass alle aktuell bestehenden Geschäftsstellen weiterhin betrieben werden können? Die sogenannte „Silver Society“ stellt einen der aktuellen Megatrends dar. Hierbei handelt es sich um die Altersgruppe 60 und älter, die sich mittlerweile sehr gut mit Smartphones und den digitalen Leistungen ihrer Bank auskennen und diese auch gerne nutzen. Wäre es nicht grandios, wenn die Kunden ihren Berater auch digital erreichen könnten?
Stichwort Online-Geschäftsstelle. Oft ersetzt das Neue komplett das Alte. Gerade bei Genossenschaftsbanken, die stark regional verwurzelt sind, spielt Vertrauen eine wichtige Rolle. Soll der Vor-Ort-Service deshalb erhalten bleiben?
Born: Die regionale Verwurzelung der Genossenschaftsbanken empfinde ich grundsätzlich als einen sehr wichtigen Aspekt. Das Vertrauen der Kunden, Vereine und Gemeinden in dem jeweiligen Geschäftsgebiet, verbunden mit dem genossenschaftlichen Gedanken, der hinter der Institutsform steckt, bildet schon immer ein Alleinstellungsmerkmal unserer FinanzGruppe.
In diesem Zusammenhang ist der Vor-Ort-Service besonders wichtig. Hierdurch wird es dem Kunden beispielsweise ermöglicht, aufkommende Unklarheiten zeitnah mit den Mitarbeitern seines Vertrauens zu klären. Deswegen bin ich der Meinung, dass diese kurzen Wege und diese schnellen Bedarfslösungsmethoden auch in der Zukunft noch erhalten bleiben müssen. Dennoch sollte man hinterfragen, ob nicht noch Alternativmöglichkeiten existieren, um den Kontakt zu seinem Berater auch schnell und einfach in der Zukunft sicherzustellen.
In der Online-Geschäftsstelle besteht die Möglichkeit, per Chat, per Videoberatung oder durch Versenden einer Mitteilung Kontakt zu seinem Berater aufzunehmen
Marcel Born, Atruvia AG
Wie sollte sich der Vor-Ort-Service in Zukunft verändern?
Born: Für die Generation Z spielen Technologien und Digitalisierung generell eine sehr große Rolle im Alltag. Ein Smartphone ist da Pflicht und in der Regel ist man exzellent online vernetzt. Eigenschaften wie Weltoffenheit oder der Wunsch nach Selbstverwirklichung treffen oftmals auf diese Generation zu. Meistens sollen Wünsche schnell und vor allem auch einfach erfüllbar sein, das Internet stellt an dieser Stelle das zentrale Medium dar. Das wird von unseren jungen Kunden auch oftmals bei Bankdienstleistungen vorausgesetzt.
Aus Erfahrungswerten ist bekannt, dass das Sammeln von Informationen bezüglich möglicher Wünsche in der Regel digital erfolgt. Jedoch wünscht der Großteil dieser Generation eine finale Beratung zwecks der Finanzierung bei dem Berater des Vertrauens. Die Online-Geschäftsstelle unterstützt die Genossenschaftsbanken dabei, beides zu verbinden: Je nach Bedarf kann der Kunde auf der digitalen Plattform Kontakt zu seinem Berater aufnehmen. Der Kontakt kommt hierbei schnell, bequem und vor allem auch unabhängig vom Standort des Kunden sowie des Beraters zustande.
Es besteht die Möglichkeit, das Medium per Chat, per Videoberatung sowie durch das Versenden einer Mitteilung zu nutzen. Individuelle Begebenheiten können dadurch bestmöglich berücksichtigt werden. Kleinere Wünsche und Bedürfnisse des Kunden sind über den vorhandenen Service und fallabschließende Prozesse direkt und unkompliziert durchführbar. Dadurch beschäftigen diese den Auftraggeber nicht länger als nötig. Auch sonstige Anliegen, die im genossenschaftlichen Gedanken verankert sind,wie die Mitgliedschaft oder eine genossenschaftliche Beratung, können direkt über die Online-Geschäftsstelle abgeschlossen und vereinbart werden.
Welche Schwierigkeiten oder Herausforderungen sehen Sie in diesen Veränderungen für sich als Mitarbeiter?
Kühn: Die Mitarbeiter sind ein sehr wichtiger Faktor der Digitalisierung. Das Leben unserer Kunden wird immer mobiler, Smartphone und Tablet sind ein fester Bestandteil ihres täglichen Lebens. Wer den Kunden erreichen will, muss mit den Angeboten in allen digitalen Lebenswelten der Menschen vertraut sein. Daher darf der „Erfolgsfaktor Mitarbeiter“ als Fundament der digitalen Revolution nicht vernachlässigt werden.
Um der Scheu vor Neuem und dem nicht vorhandenen Know-how innerhalb der Belegschaft entgegenzuwirken, müssen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter an die Hand nehmen. Schon bei ihnen muss die Akzeptanz, Überzeugung und die private Nutzung der digitalen Anwendungen vorhanden sein. Dieses „Learning by Doing“ – sowohl auf privater als auch auf beruflicher Ebene – wird zwangsläufig einen positiven Effekt auf die Beratungsqualität und somit auf eine intensivere Nutzung und Akzeptanz digitaler Anwendungen und Vertriebskanäle haben. Atruvia sorgt für eine praxisgerechte Ausbildung und Qualifizierung der Bankmitarbeiter und für effizientes Arbeiten mit den IT-Lösungen des Unternehmens.
Das heißt, Sie müssen die Banken und deren Mitarbeiter mitnehmen und befähigen. Wie gelingt es, Leute von völlig Neuem und Ungewohntem zu begeistern?
Born: Die Praxis zeigt, dass es immer wichtiger wird, digitale Leistungen und Services anzubieten. Um eine deutliche Steigerung des Kundennutzens zu erreichen, ist es wichtig, die Mitarbeiter zu befähigen und zu begeistern. Von Atruvia wurde diesbezüglich ein Medium entwickelt. Der „Digital Tiger“ ist ein mehrwöchiges Projekt, das Mitarbeiter der Bank mit den digitalen Dienstleistungen vertraut machen und sie dafür begeistern soll. Offene Diskussionsrunden und der Austausch auf Augenhöhe sind fester Bestandteil des Projektes. So kann zügig das nötige Know-how und die nötige Begeisterung vermittelt werden.
Meistens ist es jedoch nicht jedem Mitarbeiter einer Bank möglich, an solch einem Projekt teilzunehmen. Deshalb fungieren die Teilnehmer nach Beendigung des Projektes vermehrt als sogenannte Lotsen. Das heißt, dass sie ihr erworbenes Know-how auch mit den Kollegen ihrer Bank teilen und den Kunden hierdurch einen Mehrwert bieten. Darüber hinaus wird in regelmäßigen Abständen das Wissen der Lotsen aufgefrischt. So bleiben sie immer am Zahn der Zeit.
Und wie sieht es eigentlich mit den Kunden der Banken aus? Geben Sie den Banken auch ein Tool in die Hand, damit diese wiederum bei den Endkunden Vertrauen schaffen und erhalten?
Born: Natürlich kann man die Online-Geschäftsstelle auch isoliert als digitales Tool betrachten, das dem Kunden schon heute sehr viel Mehrwert und digitale Lösungen bietet. Dies unterstützt das Vertrauen der Kunden. Die regionale genossenschaftliche Bank kann dadurch zeigen, dass sie dem Kunden die gleichen Dienstleistungen bieten kann, wie eine Direktbank. Der Schlüssel zum Erfolg liegt jedoch in der Symbiose aus der Online-Geschäftsstelle und dem Mitarbeiter, der sein digitales Know-how und seine Begeisterung bestmöglich mit dem Kunden teilt.
Wie weit fortgeschritten ist die Digitalisierung des Bankenwesens in Deutschland im internationalen Vergleich?
Kühn: Betrachtet man die digitale Infrastruktur oder auch den Digitalisierungsgrad der deutschen Banken im internationalen Vergleich, sehe ich Länder wie die Schweiz, Spanien oder auch einige osteuropäische Länder deutlich weiter entwickelt. Die Ursachen für den geringen Digitalisierungsgrad sind aus meiner Sicht sehr vielschichtig. Um den Ursprung erklären zu können, sollte man zunächst das Kundenverhalten betrachten und näher erforschen.
Wie unterscheidet sich das Kundenverhalten der Deutschen von anderen Nationalitäten?
Kühn: Die Deutschen sind im internationalen Vergleich sehr vorsichtig in Bezug auf Daten und datenintensive Online-Anwendungen. Deshalb haben wir in Deutschland ein stark ausgeprägtes Filialnetz der Banken und insgesamt eine hohe Affinität zum Bargeld. Außerdem existieren in Deutschland mit dem Bargeld und der EC-Karte seit Jahrzehnten gut funktionierende und stabile Zahlungssysteme, die den Kundenbedürfnissen und ihren Gewohnheiten entsprechen. Aus diesem Grund war der Veränderungsdruck bisher gering. Außerdem sind Deutschen aus meiner Sicht gegenüber Veränderungen und Neuerungen im Banking-Bereich per se skeptisch eingestellt.
Wie erleben Sie diese Skepsis?
Kühn: Ich habe diese Erfahrung zum Beispiel bei der Einführung der kontaktlosen EC- und Kreditkarten gemacht. In der Kommunikationsphase wollte eine Vielzahl der Kunden diese neue Funktion aufgrund unterschiedlicher Sicherheitsaspekte deaktivieren. Auch Argumente auf Basis des Kundennutzens oder dass die Kontaktlosfunktion in den skandinavischen Ländern und England vollkommen etabliert und nicht mehr wegzudenken ist, konnten die Kunden nicht umstimmen. Erst im Zeitverlauf haben die Kunden den Mehrwert dieser Funktion erkannt, wodurch die Nutzung der Kontaktlosfunktion nun stark zunehmend ist.
Wohin geht Ihr persönlicher Weg und was sind Ihre Ziele – und wie unterstützt das Unternehmen Sie dabei?
Kühn: Als Berater besteht mein übergeordnetes Ziel darin, den Kunden eine qualitativ hochwertige und auf seine Bedürfnisse ausgerichtete Beratung zu bieten. Es reizt mich besonders, unseren Kunden in dem aktuell dynamischen Umfeld als Sparringspartner zur Seite zu stehen und gemeinsam mit ihnen individuelle Konzepte und Lösungen basierend auf unseren technischen Möglichkeiten zu entwickeln. Hierbei greife ich auch gerne auf Standards zurück, von denen schon heute viele unserer Kunden profitieren. Denn in meinen Augen schließen sich individuelle Konzepte und die Nutzung etablierter Standards nicht aus.
Darüber hinaus möchte ich mich mittelfristig neben der Beratungstätigkeit verstärkt in die konzeptionelle Weiterentwicklung unserer Produkte einbinden. Auch wir als IT-Dienstleister der Volks- und Raiffeisenbanken müssen unsere Produkte und Dienstleistungen an die veränderten Marktbedingungen anpassen. Nur so können unsere Kunden nachhaltig erfolgreich bleiben. Meine nächsten Schritte hierfür sind, dass ich mich verstärkt auf das Themengebiet der zentralen Vertriebssteuerung basierend auf der Nutzung von Smart- und Big Data fokussieren werde.
Die Fiducia & GAD unterstützt mich mit externen Weiterbildungsmöglichkeiten an Hochschulen oder Akademien wie der Akademie Deutscher Genossenschaftsbanken. Parallel hierzu werde ich in Absprache mit meiner Führungskraft in bereichsübergreifenden Projektgruppen mitarbeiten und mein neu gewonnenes Wissen direkt in die Praxis einfließen lassen.
Born: Mein aktuelles Ziel ist es, durch Beratungen weitere Erfahrungen und Eindrücke aus der genossenschaftlichen Finanzgruppe zu sammeln. Verstärkt beschäftigen mich vertriebliche Aspekte. Insbesondere diese gilt es hinsichtlich der Online-Geschäftsstelle weiterzuentwickeln. Meiner Meinung nach befinden wir uns momentan in einer sehr spannenden Zeit und ich habe das Gefühl, dass es in Zukunft besonders relevant ist, dass die Nähe zum Kunden bestehen bleibt. Mittelfristig möchte ich sehr gerne für eine Dienstleistung oder einen Bereich bei der Fiducia & GAD Verantwortung übernehmen. Der regelmäßige Austausch mit meiner Führungskraft und viele Entwicklungsmöglichkeiten bei der Fiducia & GAD unterstützen mich diesbezüglich bestmöglich. Das und die offene Kultur im Haus der Fiducia & GAD schätze ich sehr.
Marcel Born, Atruvia AG
Marcel Born, Jahrgang 1992, absolvierte Ausbildungen bei der Sparkasse Südliche Weinstraße sowie bei der R+V Versicherung und erwarb dabei die Abschlüsse Bankkaufmann, Versicherungsfachmann sowie Bankfachwirt. Nach fünf Jahren Berufserfahrung als Eletronic Berater bei der VR-Bank Südliche Weinstraße-Wasgau schloss sich der gebürtige Pfälzer im Sommer 2019 der Atruvia AG, wo er aktuell im Bereich Beratung, Training und Outsourcing mit dem Arbeitsschwerpunkt Online-Geschäftsstelle tätig ist.
Sebastian Kühn, Atruvia AG
Sebastian Kühn, Jahrgang 1992, ist Berater bei der Atruvia AG im Bereich Beratung, Training und Outsourcing. Schwerpunktmäßig befasst sich der 27-Jährige mit agree21VM (Vertriebsmanagement),
agree21ViPS (Vertriebsplanung und Steuerung) und kümmert sich um Analyseanwendungen. Kühn hatte nach dem Abitur ein Duales Studium bei der Grafschafter Volksbank eG mit dem Bachelor in Banking and Finance abgeschlossen sowie eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert. Nach drei Jahren bei der Grafschafter Volksbank eG schloss er sich 2018 Atruvia an.
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