„Wir beschreiten neue Wege”: Über die Transformation der Atruvia AG
Roland Reckert und Aloys Garmann prägen und lenken als Tribe-Lead und People-Lead das Unternehmen Atruvia entscheidend. Im Interview erläutern sie die Aufgaben und Herausforderungen, die ihre Position mit sich bringt. Außerdem berichten sie über die Erfolge der geglückten Neufirmierung, beleuchten ihre Sicht auf die Errungenschaften von New Work und geben einen Ausblick auf das kommende Jahr.
Herr Reckert, Herr Garmann, Sie sind Tribe-Lead und People-Lead bei Atruvia. Können Sie die Begriffe mit Leben füllen? Was sind genau Ihre Rollen, wo bestehen Schnittmengen und wo klare Trennungen?
A. Garmann: Die beiden Stellen haben wir im Jahr 2020 im Rahmen einer Reorganisation des Unternehmens in ein agiles Zusammenarbeitsmodell geschaffen. Das wesentliche Ziel ist es gewesen, die Leistungs- und Veränderungsfähigkeit der Organisation zu erhöhen.
Hierfür sind zwei Elemente die wesentlichen Erfolgsfaktoren. Einmal die betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit in Form von erstklassigen und effizienten IT-Lösungen und zugehörigen Dienstleistungen – zum Beispiel im Consulting – und zum anderen natürlich Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Menschen im Unternehmen. Genau deshalb gibt es den Tribe-Lead, der alle fachlich-betriebswirtschaftlichen Themen des Tribes verantwortet und parallel dazu den People-Lead, der für die alle Themen rund um das Personal, vom Recruiting bis hin zur Personalentwicklung, verantwortlich ist.
Schnittmengen bestehen immer dort, wo Fachlichkeit und Mensch zusammenkommen. Klare Trennungen leben wir insbesondere dann, wenn von Mitarbeitern Vertraulichkeit gewünscht ist. Wir wollen allerdings keine Silos in unserem Verantwortungsbereich bauen, sondern verstehen uns als Team, welches gemeinsam für den Erfolg verantwortlich ist.
R. Reckert: Daran wird eines deutlich: Auch wenn man strukturell die Leistungsfähigkeit der Organisation potenziell erhöht hat, kommt es stets auf die handelnden Personen an. Aufgabe ist, die eigenen Arbeitsabläufe zu synchronisieren und sich aufeinander abzustimmen – fokussiert auf das Ergebnis und die Wirkung des Miteinander.
Die Geschwindigkeit in der Entwicklung neuer IT-Lösungen hat deutlich zugenommen
Aus der Fiducia & GAD IT AG wurde vor gut einem Jahr die Atruvia AG. Was hat sich geändert außer dem Namen und wie hat sich das Unternehmen in den letzten Jahren gewandelt?
A. Garmann: Ein Unternehmen mit 5.000 Mitarbeitern zu verändern, geht natürlich nicht, indem man nur einen neuen Namen definiert. Ganz wesentlich sind die organisationalen Strukturen, die sich im Unternehmen verändern. Aus recht starren, hierarchisch geprägten Strukturen sind wesentlich durchlässigere, agile Einheiten entstanden, die fachlich übergreifend zusammenarbeiten. Sich auf diesen Weg zu begeben und einzulassen, hat von ganz vielen Menschen – Leads wie Mitarbeitern – allerdings auch viel Veränderungsbereitschaft und Lernen abverlangt.
Wir merken jedoch aktuell nach rund zwei Jahren in den neuen Strukturen, wie sich ein neues Mindset verfestigt und erste wichtige Erfolge eintreten. Insbesondere die Geschwindigkeit in der Entwicklung neuer IT-Lösungen aber auch die übergreifende Zusammenarbeit haben deutlich zugenommen. Im Consulting merken wir dies auch insbesondere in der Modularisierung unserer Dienstleistungen, die dazu geführt haben, dass wir im Jahr 2022 bisher ein Wachstum von 40 Prozent bei unseren Outsourcingleistungen, also der Übernahme von Prozess- und, in Verbindung mit unseren Partnern Serviscope und BAG-Gruppe, auch Produktionsleistungen erzielen konnten.
Wir gehen viele Themen heute etwas pragmatischer an. Das schafft Gestaltungspotenzial für Mitarbeiter, bedeutet aber auch, dass man immer geistig flexibel bleiben muss, um schnell auf neue Erkenntnisse zu reagieren. Insgesamt eine sehr positive Entwicklung, die aber noch nicht abgeschlossen ist.
R. Reckert: Gleichzeitig unterstreicht der neue Name den Aufbruch. Wir beschreiten als genossenschaftliche Finanzgruppe neue Wege und als IT-Dienstleister möchten wir diese mit unseren Kunden und Partnern aktiv gestalten. Die Namensänderung ist ein sehr sichtbares Resultat für die Neuausrichtung der Firma.
Teilzeit, Homeoffice, Auszeiten, Einstieg via Dualem Studium: Mitarbeiter schätzen die gewonnene Flexibilität und Freiheit, die durch New Work Einzug gehalten hat. Gleichwohl ist Consulting Peoplebusiness, das vom engen Zusammenspiel verschiedener Akteur:innen lebt und auch die Ausbildung neuer Mitarbeiter:innen kann eigentlich nur funktionieren, wenn man wirklich zusammen arbeitet. Wie löst man diese Diskrepanz auf? Und wie gehen Sie selbst in Ihrer Zusammenarbeit mit dieser Herausforderung um?
A. Garmann: Vor Corona bin ich in der Woche vier bis fünf Tage in Deutschland unterwegs gewesen und natürlich hauptsächlich bei unseren Kunden. Dann kamen die Lockdowns und ich war wochenlang ausschließlich im Homeoffice. Erstmal finde ich bemerkenswert, wie pragmatisch und lösungsorientiert sowohl Arbeitgeber als auch Mitarbeiter mit dieser Situation umgegangen sind. Ich habe die ersten beiden Wochen im Homeoffice als sehr angenehm empfunden, weil ich natürlich mit der Familie viel mehr Zeit verbringen konnte als vorher. Allerdings konnte ich auch schnell merken, dass virtuelle Meetings gerade bei wichtigen oder auch kritischen Fragestellungen nicht Präsenz ersetzen können. Bei rein fachlichen Themen jedoch sehr wohl.
Wir haben heute eine Mischung aus virtueller Zusammenarbeit und Präsenz an den Standorten und natürlich vor allem Präsenz bei unseren Kunden. Unsere Tribe-Meetings und die Einarbeitung neuer Kolleg*innen machen wir nach wie vor in Präsenz – allein schon, um die Netzwerke aufzubauen. Zudem haben wir das Glück, dass an den Standorten gerade moderne und offene Campus-Gebäude entstanden sind und wir erstklassige Angebote dort haben. Von Kreativräumen bis hin zu richtig guten Kantinenangeboten.
Auch Beratung findet zu einem großen Teil in Präsenz bei unseren Kunden statt. Allerdings haben die Reisetätigkeiten um etwa 20 bis 40 Prozent je nach Dienstleistung abgenommen. Da funktioniert Consulting virtuell gut. Und genauso sieht unser Alltag auch aus. Wir sind viel in Online-Meetings und genießen aber auch jeden Termin bei unseren Kunden oder mit unseren Mitarbeiter*innen, der in Präsenz stattfindet. Ich bin froh, dass wir diese beschleunigte Entwicklung der Arbeitswelt in den letzten beiden Jahren hatten. Dies ist wahrscheinlich die einzig positive Folgewirkung von Corona.
R. Reckert: Wenn Sie Ihren Alltag mit der Familie – bei mir bestehend aus Ehefrau, zwei Kindern im Grundschulalter und pflegebedürftigen Schwiegereltern – vor Corona auf eine intensive Reisetätigkeit ausgerichtet haben, dann führte der Lockdown zunächst zu gern genutzten Freiräumen. Man hatte mehr voneinander.
Gleichzeitig haben alle auch im privaten Umfeld gelernt, den Alltag neu zu organisieren: Die Kinder hatten Distanzunterricht, meine Frau und ich waren im Homeoffice und meine Schwiegereltern haben den Gottesdienst am Sonntag virtuell besucht. Auf Dauer ist das Leben virtuell aber nur halb so menschlich – das habe ich in der Familie deutlich gespürt und alle haben sich sehr gefreut, als wieder mehr Nähe zu Mitmenschen möglich war.
Wir haben mehr Gestaltungsmöglichkeiten – die Herausforderung besteht darin, den passenden Weg für die gerade anstehende Aufgabe zu finden
Im beruflichen Umfeld steht viel häufiger die Frage im Raum, ob man sich tatsächlich persönlich treffen muss oder ob ein reiner Informationsaustausch auch virtuell erfolgen kann. Gleichzeitig sind wir mit unseren Kunden auch zu vielen Themenfeldern rund um Change, Transformation und Organisationsentwicklung im Dialog. Diese Themenfeldern bearbeitet man gemeinsam viel effektiver und auch effizienter im persönlichen Dialog – vor Ort.
Persönlich habe ich den Eindruck, dass wir nun mehr Gestaltungsmöglichkeiten im privaten und beruflichen Alltag haben. Die Herausforderung besteht aus meiner Sicht weniger darin, Diskrepanzen aufzulösen sondern viel mehr, den passenden Weg für die gerade anstehende Aufgabe zu finden. Die Welt ist nach Corona – wenn ich das so sagen darf – ein Stück weit komplexer geworden und jeder Einzelne bekommt hierdurch noch stärker vor Augen geführt, dass heute der Umgang mit Komplexität eine wesentliche Kompetenz ist, um Beziehungen positiv gestalten zu können.
Wir sehen Herausforderungen, machen uns allerdings keine Sorgen um die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen oder dem Beratungsbedarf
Die Multi-Krisen-Situation dämpft die Zuversicht in der Consultingbranche für 2023. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen und mit welchen Zielen gehen Sie ins kommende Jahr?
A. Garmann: Auch wir sehen Herausforderungen. Allerdings machen wir uns keine Sorgen um die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen oder dem Beratungsbedarf. Gerade neue digitale Lösungen, Bedarfe nach Effizienzsteigerung aber auch der demographische Wandel sind Entwicklungen, die eher förderlich für die Nachfrage sind. Allerdings ist es gerade der letzte Punkt, der auch uns im Moment vor Herausforderungen stellt. Wir suchen natürlich auch stetig Mitarbeiter*innen, die sich neu für uns begeistern und mit Leidenschaft unseren Kunden und Eigentümern als Consultant zur Seite stehen.
R. Reckert: Perfekt ausgedrückt – Multi-Krisen-Situation. Einen Punkt möchte ich verstärken: Die demographische Entwicklung ist Treiber der Digitalisierung und gleichzeitig Herausforderung für alle, die Digitalisierung aktiv gestalten möchten. Allein aufgrund der Tatsache, dass in einer zunehmend arbeitsteiligen Welt immer weniger Menschen in Deutschland noch im arbeitsfähigen Alter sind, bedarf es einer Konzentration auf seine spezifischen Kernkompetenzen.
Vor dem Hintergrund bin ich grundsätzlich positiv gestimmt, was die geschäftliche Entwicklung in 2023 angeht, denn mit unserem Leistungsangebot bieten wir viele Möglichkeiten, die unternehmerische Eigenständigkeit unserer Kunden zu stärken. Hierbei wirkt die Partnerschaft mit der SERVISCOPE AG und der BAG-Gruppe besonders stark: Unsere Kunden können sich umfassend auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und den ganzen Rest machen wir einfach für unsere Kunden.
Wen würden Sie gerne für Ihr Unternehmen gewinnen – und wie? Bewerben Sie sich doch einfach einmal bei unseren Leser:innen!
R. Reckert: Du bist ergebnisorientiert, kundenorientiert und fokussiert? Dann bewirb dich – denn hier kannst du deine Stärken ausleben und ausbauen!
A. Garmann: Ganz generell suchen wir Menschen, die eine hohe Leidenschaft für den Beruf und vor allem viel Freude am Umgang mit Menschen haben. Eine Reisebereitschaft von 100 bis 120 Tagen gehört natürlich auch dazu. Und ein Wirtschaftsstudium oder eine Bankausbildung mit mehrjähriger Berufserfahrung oder Erfahrung im Consulting sind sicherlich hilfreich.
Dafür bieten wir eine Menge Mehrwerte für Mitarbeiter*innen, die im Consulting nicht überall Standard sind. Angefangen damit, dass wirklich jede Minute Arbeits- und Reisezeit berücksichtigt wird über die wirklich tollen Standorte, viele Benefits vom betrieblichen Gesundheitsmanagement bis hin zum Bike- und Handyleasing und natürlich auch vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten.
Aber das Wichtigste ist unser Team, welches sich durch einen herausragenden Teamgeist auszeichnet. Das klingt vielleicht nach einer Plattitüde, ist aber für mich als People-Lead der wesentlichste Aspekt unserer Leistungsfähigkeit. Und ein wenig Spaß darf ja bei der Arbeit auch mal sein.