„Die Profile sind deutlich vielfältiger geworden“: Jonathan Steinbach, Director of Recruiting für Deutschland und Österreich bei McKinsey, im Interview
Rund tausend Mitarbeiter:innen sucht und findet McKinsey Jahr für Jahr im deutschsprachigen Raum. Seit März 2022 ist Jonathan Steinbach als Director of Recruiting verantwortlich für diese spannende Aufgabe. Welche Strategien das Unternehmen dabei fährt, wie sich die Projektarbeit und der Mitarbeitendenfokus im Laufe der Jahre verändert haben und warum er selbst dem Unternehmen seit vielen Jahren die Treue hält, erzählte er David Lins von junior //consultant im Interview.
Du bist mit Erfahrung in der Finanzbranche zu McKinsey gewechselt. Wie kam es dazu?
Ich bin seit 2014 bei McKinsey – und mit einer gewissen Vorprägung und einer klaren Vorstellung ins Unternehmen gekommen. Die Vorprägung besteht darin, dass ich dual studiert habe, erst klassisch BWL und im Master dann mit einem Schwerpunkt auf Finance. Parallel dazu habe ich bei einer großen deutschen Bank gearbeitet, auch und vor allem im Bereich Inhouse Consulting. Das hat mir viel Spaß gemacht, sodass ich schnell für mich erkannt hatte, mein zukünftiges berufliches Betätigungsfeld gefunden zu haben.
Aber ich wollte nicht begrenzt sein auf ein Unternehmen und beschränkt sein auf eine Branche – einer der Hauptgründe, warum ich zu McKinsey gekommen bin. Ich wollte an Strategiethemen arbeiten, aber noch viele andere Industrien kennenlernen, auch außerhalb der Finanzbranche. Das funktioniert bei McKinsey sehr gut, weil du mitentscheiden kannst, in welchen Bereichen und Themengebieten du arbeiten möchtest. Meine ersten beiden Jahre bei McKinsey habe ich auch in der Tat dann dafür genutzt, möglichst viel kennenzulernen – und international zu arbeiten. Das war mein zweites klares Ziel, das ich mir gesetzt hatte. Auch das hat gut funktioniert, weil McKinsey mir als internationales Unternehmen natürlich alle Möglichkeiten bieten kann.
Ich wollte an Strategiethemen arbeiten und viele Industrien kennenlernen – das funktioniert bei McKinsey sehr gut
Jonathan Steinbach // McKinsey
Wo warst du überall im Einsatz?
Ich war ein halbes Jahr in Afrika, ein halbes Jahr im mittleren Osten und auch viel in Asien unterwegs, vor allem in China. Von Zeit zu Zeit habe ich auch in den USA gearbeitet. Für mich war besonders wichtig, unterschiedliche Kulturen und vor allem die Arbeitskulturen kennenzulernen. Natürlich war ich auch im europäischen Ausland, wo die Kulturen sich nicht so drastisch unterscheiden, wenn wir beispielsweise an die Schweiz oder die Niederlande denken. Aber sie unterscheiden sich trotzdem etwas von dem, was in Deutschland gemacht wird. Ich finde solche Erfahrungen sehr wichtig und spannend.
Wie ging es dann weiter für dich bei McKinsey?
Ich bin nach zwei Jahren in den Educational Leave gegangen, so wie es unser Fellow-Programm vorsieht. Berater:innen, die als Uni-Absolvent:innen im Rahmen des Fellow-Programms einsteigen, haben bei uns nach zwei bis drei Jahren die Möglichkeit, einen weiteren Studienabschluss zu erwerben oder für ein soziales Projekt zu arbeiten. Für die Zeit der Freistellung werden sie von McKinsey finanziell unterstützt und steigen im Anschluss als Associate wieder ein. Ich habe mich entschieden zu promovieren, aber hätte theoretisch auch einen MBA oder einen Social Leave machen und für eine soziale Organisation arbeiten können. Letztlich war ich dann zweieinhalb Jahre im Leave, habe währenddessen am Lehrstuhl gearbeitet und Vorlesungen gegeben und in einem Bereich promoviert, der eigentlich mit meinem vorherigen Studium wenig zu tun hatte.
Was mich antreibt, ist die Arbeit in Teams und der Kontakt mit einer Vielfalt von Menschen
Jonathan Steinbach // McKinsey
Jetzt bist du seit einem Jahr Director of Recruiting bei McKinsey. Wie kam es zu deinem Wechsel?
Das war ziemlicher Zufall, aber ein glücklicher Zufall. Die Rolle wurde frei und da ich schon während meiner Beraterzeit sehr im Recruiting engagiert war, viele Interviews geführt habe und an Univeranstaltungen teilgenommen habe, war das eine reizvolle Position für mich.
Was mich dabei antreibt, ist die Arbeit in Teams und der Kontakt mit einer Vielfalt von Menschen. Das hatte ich als Berater, aber jetzt im Recruiting noch viel mehr. Jetzt spreche ich hauptsächlich mit Studierenden, teilweise mit jüngeren Berufserfahrenen. Und ich merke, dass ich gerade wieder viel Neues lernen darf. Nicht zuletzt, weil es auch um das Thema Führungsverantwortung geht. Wenn man als Beraterin oder Berater in eine Führungsposition möchte, dann heißt es häufig, die Führungserfahrungen als Projektleiter:in mit drei, vier hochmotivierten Consultants, das ist etwas ganz anderes als ein Team mit zwanzig, dreißig Personen zu führen, langfristig zu motivieren und zu entwickeln. Das ist eine Herausforderung, die mich gereizt hat.
Du kennst McKinsey seit 2014. Wie hat sich aus deiner Sicht das Unternehmen McKinsey im Laufe der Jahre verändert?
Nicht nur McKinsey, die Branche insgesamt hat einen starken Wandel erlebt. Unser Angebot für unsere Klienten ist ein ganz anderes und damit die Art, wie wir tätig sind. Wir arbeiten Hand in Hand mit den Klienten und sind Sparrings-Partner unabhängig von laufenden Projekten. Wir widmen uns den entscheidenden Zukunftsthemen: Digitalisierung, Analytics und künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit und der Umbau der industriellen Wertschöpfung hin zu einer Netto-Null-Wirtschaft, aber auch Bereichen wie Talentmanagement. Zudem wird das Thema Resilienz in turbulenten Zeiten immer wichtiger. Der Job ist noch einmal herausfordernder geworden, weil die Erwartungshaltung der Klienten eine andere ist als früher. Der Schwerpunkt liegt immer mehr auf der Umsetzung der gemeinsam erarbeiteten Strategien.
Die Hälfte unserer Kolleg:innen hat einen nicht-wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund und fünfzig Prozent unserer Neueinsteiger sind Frauen
Jonathan Steinbach // McKinsey
Auch das Anforderungsprofil an Consultants hat sich sehr geändert. Welche Skills sind besonders gefragt?
Primär geht es um Fachkompetenz. Das ist auch bei den Einstellungen sichtbar. Wir stellen nicht mehr nur Absolvent:innen oder Promovierte ein, sondern auch Professionals mit Berufserfahrung in einem einschlägigen Bereich, wie zum Beispiel Expert:innen in Nachhaltigkeit oder Analytics.
Auch das Thema Diversität ist immer wichtiger geworden. Um ein paar Zahlen zu nennen: Ungefähr die Hälfte unserer Kolleginnen und Kollegen hat einen nicht-wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund und wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass fünfzig Prozent unserer Neueinsteiger Frauen sind.
Wie hoch ist der Frauenanteil aktuell?
Wenn wir auf das gesamte Unternehmen schauen, sind es tatsächlich schon fast fünfzig Prozent. Wenn wir nur auf die Beratungsfunktion schauen, dann sind wir noch nicht ganz da, aber durch das Recruitingziel von fünfzig Prozent kommen wir auch da noch hin.
Gibt es neue Blickwinkel bei der Mitarbeitendensuche? Und welche Strategie(n) fahrt ihr, um die Talente zu erreichen?
Bei McKinsey arbeiten Menschen mit den unterschiedlichsten Fachhintergründen und die Profile sind in den letzten Jahren deutlich vielfältiger geworden. Das Thema Diversität hat bei uns im Recruiting aktuell Priorität Nummer eins.
Wobei wir den Begriff Diversität weiter fassen, es bedeutet zum Beispiel auch, dass wir darauf Wert legen, viele Kolleginnen und Kollegen einzustellen, die zu den sogenannten First Generation Students gehören. Das sind die ersten Personen in einer Familie, die studieren. Da ist unser Anteil tatsächlich sehr hoch, weil wir das Thema ganz bewusst angegangen sind und zum Beispiel den Fokus deutlich erweitert haben. In Deutschland sind wir bei mittlerweile über 150 Universitäten und Fachhochschulen, von denen wir einstellen. Das ist wichtig, weil die First Generation Students nicht immer namhafte Hochschulen in größeren Städten besuchen. Oft sind das ja auch junge Menschen, die weiter im heimischen Betrieb arbeiten und in der Nähe bleiben und damit häufiger an kleineren Hochschulen studieren.
Wir legen sehr viel Wert auf Gleichbehandlung. Bei uns werden keine Gehälter verhandelt.
Jonathan Steinbach // McKinsey
Ihr sprecht sehr unterschiedliche Zielgruppen an. Tech-Spezialist:innen, First Gen, Gen Y & Gen Z, Leute aus der queeren Community, klassische Wirtschaftswissenschaftler:innen und so weiter. Was offeriert man da eigentlich, wenn man für so viele unterschiedliche Kandidat:innen gleichzeitig attraktiv sein will und muss?
Wir legen sehr viel Wert auf Gleichbehandlung. Bei uns werden keine Gehälter verhandelt. Das betrifft aber auch sämtliche Benefits, auch da gibt es keine Verhandlungsmasse, sondern es gibt ein sehr wettbewerbsfähiges Paket, aus dem du dir dann das raussuchst, was zu deinen Bedürfnissen passt.
Firmenwagen oder Mobilitätsbudget – wir bieten verschiedene Optionen, weil es unterschiedliche Ansprüche gibt
Jonathan Steinbach // McKinsey
Nehmen wir das Thema Mobilität. Früher gab es Firmenwagen. Da hieß es: Firmenwagen? Ja oder nein. Mittlerweile haben wir viele verschiedene Optionen. Den klassischen Firmenwagen gibt es immer noch – rein elektrisch übrigens, das ist eine unserer Nachhaltigkeitsinitiativen – aber es gibt auch die Möglichkeit, ein Mobilitätsbudget zu bekommen, das dann für Zug, Autovermietung bis hin zu E-Rollern und Leihfahrrädern genutzt werden kann. Es gibt die Möglichkeit, ein Firmenfahrrad zu bekommen oder eine Bahncard 100. Du wählst eine dieser Optionen. Und da sehen wir über die vergangenen Jahre, wie sich die Wünsche gewandelt haben vom klassischen Firmenwagen, der unter den jüngeren Beraterinnen und Beratern mittlerweile weniger nachgefragt wird, hin zu diesem Mobilitätsbudget.
Wir bieten diese verschiedenen Optionen, weil es eben diese unterschiedlichen Ansprüche gibt. Wir stellen ja auch Berufserfahrene ein, die vielleicht schon Familie haben und ein Auto brauchen. Dieser Gedanke zieht sich über viele andere Bereiche. Du kannst bei uns zum Beispiel unbezahlten Urlaub oder Zusatzurlaub nehmen. Es gibt Leute, die das sehr gerne und sehr rege nutzen, aber für andere ist das nicht relevant. Die wollen lieber in einigen Jahren in Teilzeit arbeiten. Das machen wir alles möglich.
Es ist immer interessant zu erfahren, wer die Menschen hinter den Positionen sind. Was bewegt und begeistert dich?
Es ist schon angeklungen: Das Thema Reisen ist mir sehr wichtig. Das war natürlich etwas schwieriger in der Corona-Zeit, aber das ist etwas, das ich privat schon seit langer Zeit auslebe und entsprechend dann auch natürlich mit dem Job verbinden konnte, als ich noch viel unterwegs war. Mittlerweile habe ich einen kleinen Sohn, da bleiben wir häufiger in der Region – so kann ich nebenbei meinen eigenen CO2-Fußabdruck verkleinern. Und trotzdem ist es für mich immer noch wichtig, viele neue Dinge kennenzulernen.
Hattest du Elternzeit genommen?
Ja, vor der neuen Position bin ich für einige Monate in Elternzeit gegangen. Seit dem letzten Jahr gibt es sogar noch erweiterte Möglichkeiten für Eltern mit deutlich längerer bezahlter Freistellung, unabhängig vom Elterngeld. Wie sieht diese Regelung aus? Als Mutter – beziehungsweise bei einer Adoption als primärer Elternteil – bekommst du weitere 26 Wochen Urlaub bei voller Bezahlung, die nach der Geburt in Anspruch genommen werden können. Der andere Elternteil bekommt zwölf zusätzliche Wochen, die irgendwann zwischen Geburt und Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes genutzt werden können.
Jonathan Steinbach // McKinsey
Jonathan Steinbach ist seit März 2022 Director of Recruiting (Deutschland und Österreich) bei McKinsey und bereits seit 2014 im Unternehmen. Er studierte dual an der Frankfurt School of Finance & Management Business Administration und Finance und promovierte während eines Educational Leaves an der Zeppelin Universität. Jonathan Steinbach ist verheiratet, hat einen Sohn und lebt in Bonn.