Siemens plant globale digitale Ökosysteme, über die Gesundheitsversorger verbunden werden.
Enno Nehrbass leitet die Digitalisierungs-Practice bei Siemens Management Consulting (SMC). Das Unternehmen ist die Top-Management-Beratung des Siemens Konzerns. Im Interview spricht Enno Nehrbass über die Herausforderungen der digitalen Transformation und die tiefgreifenden Veränderungen für Unternehmen und die Gesellschaft.
Herr Nehrbass, der digitale Wandel ist überall zu spüren. Was macht ihn aus?
Was wir momentan erleben, ist mehr als ein einfacher Wandel – es ist eine digitale Revolution. Wir haben keinen Zweifel daran, dass sich in Zukunft nur Unternehmen am Markt behaupten können, die in der Lage sind, ihren Kunden die besten digitalen Lösungen anzubieten. Es geht aber nicht nur um Kundenlösungen – unsere eigenen Produktionsabläufe sind von der Digitalisierung natürlich auch betroffen.
Und wie wird eine digitalisierte Zukunft aussehen?
Wir werden schnellere Innovationszyklen sehen sowie eine vernetzte und weitestgehend automatisierte Produktion. Siemens setzt hier mit seinen digitalen Lösungen Maßstäbe – sei es beim intelligenten Management von Stromnetzen, dem sogenannten Smart Grid, oder beim Thema Industrie 4.0, womit die digitalisierte Fabrik gemeint ist. Dies sind aber nur zwei Beispiele. Die digitale Revolution bringt noch deutlich mehr Veränderungen mit sich.
Inwiefern ist Siemens als Industrieunternehmen von diesen Veränderungen betroffen?
Einerseits ist dies für Siemens eine große Chance: Wir sind in vielen Feldern unseres Kern-Portfolios führend, wenn es um digitale Lösungen geht. Wir legen einen kontinuierlichen Fokus auf Innovation. Insgesamt arbeiten mehr als 30.000 Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung, in weltweit über 150 R&D-Zentren. Pro Tag meldet Siemens rund 30 Patente an. Desweiteren arbeiten mit 17.500 Softwareentwicklern mehr Personen an digitalen Lösungen als für andere Wettbewerber. Für die erwähnten schnellen Innovationszyklen sehen wir uns damit bestens gerüstet. So gesehen spielt die digitale Revolution Siemens also in die Hände. Andererseits bedeutet dieser Wandel aber natürlich auch Veränderungen, die Siemens adaptieren muss. Geschäftsmodelle müssen gegebenenfalls verändert werden, denn wir sehen neue Wettbewerber in den Markt eintreten und neue Märkte entstehen.
Können Sie uns konkrete Beispiele dieser Veränderungen nennen?
Ein Beispiel ist unsere cloudbasierte Plattform ,Teamplay‘ bei Siemens Healthcare. Mit dem System werden – angefangen mit den Radiologien der Krankenhäuser – Gesundheitsversorger miteinander verbunden. Ziel ist der Aufbau eines weltumspannenden digitalen Ökosystems, über das Nutzer kollaborieren können und das sukzessive um innovative Applikationen erweitert wird. Darüber hinaus hat Siemens unter dem Begriff ,Sinalytics‘ alle Aktivitäten gebündelt, die durch Auswertung großer Datenmengen (Big Data) innovative digitale Dienstleistungen anbieten. Beispiele hierfür sind die verlässliche Planung von individuellen Wartungszyklen auf Basis zahlloser Datenpunkte unterschiedlichster Sensoren, genannt Predictive und Preventive Maintenance. Dies erhöht etwa die Verfügbarkeit von Maschinen und spart den Kunden bares Geld.
„Es gibt heute eine steigende Zahl an Strategieprojekten, die sich direkt oder indirekt um Digitalisierungsfragen drehen.“
Enno Nehrbass, SMC
Ändert sich auch das Beratungsgeschäft für Siemens Management Consulting?
Wir spüren diese Entwicklungen natürlich auch in unseren Beratungsprojekten. Wir sehen heute eine steigende Zahl an Strategieprojekten, die sich direkt oder indirekt um Digitalisierungsfragen drehen. Als Top-Management-Beratung von Siemens können wir an dieser Stelle natürlich viele spannende Fragestellungen mitgestalten.
In welcher Form gestaltet die SMC das Thema Digitalisierung bei Siemens?
Gemeinsam mit dem Kunden beleuchten wir verschiedene Fragen: Wie ändert sich der Markt? Was hat das für Auswirkungen auf unser Geschäft? Wie verhalten sich die Wettbewerber? Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich? SMC unterstützt den Kunden mit entsprechender Beratungsexpertise. In der Mobility-Division haben wir zum Beispiel gemeinsam mit den Kunden Geschäftsfelder identifiziert und Geschäftsmodelle abgeleitet, die inzwischen erfolgreich am Markt pilotiert werden. Dieses klassische Strategieprojekt wurde durch Digitalisierungsfragen stark geprägt.
Verändert sich das Beraterleben durch die Digitalisierung?
Auch hier gibt es Veränderungen, keine Frage. So arbeiten wir zum Beispiel vermehrt in virtuellen Teams, denn der Informations- und Gedanken austausch ist heute weniger von physischer Präsenz geprägt als früher. Dennoch ist es interessant zu beobachten, dass in einem ‚People Business‘ wie der Unternehmensberatung auch weiterhin der persönliche Kontakt essenziell ist.
Hat das Auswirkungen auf die gewünschte Qualifizierung der von Ihnen rekrutierten Berater?
Wir sind als Top-Management-Beratung des Siemens Konzerns inhaltlich sehr breit aufgestellt. Entsprechend suchen wir die besten Bewerber aus den unterschiedlichsten Fachbereichen. Idealerweise sollten sie hervorragende akademische Leistungen, analytische und konzeptionelle Exzellenz, relevante Praxiserfahrung, aber auch Gestaltungswillen, Offenheit und Neugier mitbringen. Hilfreich sind in diesem Zusammenhang auch Erfahrungen mit Start-ups und neuen Geschäftsmodellen. Unsere zukünftigen Berater dürfen sich auf besonders spannende und herausfordernde Projekte im Siemens Konzern freuen. Am Thema Digitalisierung führt kein Weg mehr vorbei.
Enno Nehrbass, SMC
Enno Nehrbass ist Vice President bei Siemens Management Consulting (SMC) und leitet dort die Digitalisierungs-Practice. Seit seinem Einstieg im Jahr 2006 verantwortete der studierte Wirtschaftsinformatiker zahlreiche Projekte mit Fokus auf die digitale Transformation von Siemens. Darüber hinaus leitete er zwischen 2012 und 2015 das SMC-Büro in Peking.