Philip Enders macht als Mediziner Karriere bei BCG
Vom Symptom über die Diagnostik, zur Diagnose und Therapie – der analytische Lösungsansatz eines Mediziners ist im übertragenen Sinn auch wesentlicher Bestandteil der Arbeitsweise eines Beraters. Nicht nur aus diesem Grund ist die Berufsgruppe auch in der Consultingbranche gefragt. Philip Enders berichtet von seinem persönlichen Karriereweg in der Unternehmensberatung The Boston Consulting Group.
Der Arzt als Unternehmensberater
Was macht ein Arzt bei einer Unternehmensberatung? Diese Frage wird mir oft gestellt. Dabei gibt es sehr viele Parallelen und Gemeinsamkeiten zwischen der ärztlichen Arbeit und der eines Unternehmensberaters: Der analytische Lösungsansatz der Medizin vom Symptom über die Diagnostik, Diagnose und Therapie ist im übertragenen Sinne essenzieller Bestandteil der Arbeitsweise eines Unternehmensberaters. Ein Kunde kommt zu einer Unternehmensberatung mit einem definierten Problem, manchmal sogar nur mit einem Symptom. In gemeinsamer Arbeit gilt es, dem Problem auf den Grund zu gehen, die Ursache zu finden und Lösungsoptionen zu entwickeln. Der Kunde setzt anschließend den Lösungsansatz – die „Therapie“ – um, häufig auch mit unserer Unterstützung.
Kein Einzelfall
Als Mediziner und somit „Exot“, wie wir es in der Beratung nennen, bin ich durchaus kein Einzelfall. Nur jeder Zweite meiner Kollegen hat einen wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund, die Anderen kommen aus den unterschiedlichsten Fachbereichen. Gerade diese große Vielfalt der Erfahrungen und auch Denkweisen wirkt wie ein Katalysator für die Entwicklung maßgeschneiderter und kreativer Lösungsansätze.
Wie alles begann …
Nach meinem Medizinstudium in Köln stieg ich vor fast zwei Jahren bei BCG im dortigen Büro ein. Die Entscheidung zwischen Klinik und Beratung fiel mir zu diesem Zeitpunkt nicht leicht. Eine große Hilfe war es, dass ich mich auf Erfahrungen aus beiden Bereichen stützen konnte. Nach meinem Zivildienst am Institut für Transfusionsmedizin des Klinikums Aachen war für mich schnell klar, dass ich in Köln Medizin studieren wollte. Neben der naturwissenschaftlichen Arbeitsweise war mir der Kontakt mit Menschen sehr wichtig. Ein weiteres Argument war natürlich auch die Gewissheit, dass Ärzte insgesamt auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind und sein werden.
Während meines Studiums in Köln führten mich Famulaturen in der Augenheilkunde, Dermatologie und Rechtsmedizin neben Köln auch nach Hamburg und Liverpool. Meinen Kontakt zur Augenheilkunde und auch meine spätere Fokussierung im Studium verdanke ich einem Nebenjob als Werkstudent in einer großen augenärztlichen Gemeinschaftspraxis in Düsseldorf, der mich für das Fach begeisterte. Famulaturen und die Promotion an der Klinik für Allgemeine Augenheilkunde folgten. Kurz vor dem praktischen Jahr war für mich daher eigentlich schon mein weiterer Werdegang klar. Die Grundfrage lautete zu diesem Zeitpunkt, ob die Spezialisierung auf den vorderen oder den hinteren Augenabschnitt spannender sein würde.
Eine Idee nimmt Gestalt an
Im letzten klinischen Semester vor dem praktischen Jahr rieten mir Freunde in der Medizin und darüber hinaus, noch einmal etwas „Anderes“ auszuprobieren, um mir meiner Entscheidung sicher sein zu können. Also entschloss ich mich kurzerhand, mich für die acht Wochen vor Beginn des praktischen Jahres um ein Praktikum bei einer großen Unternehmensberatung zu bewerben. Natürlich hatte ich gehört, dass Beratungen auch Ärzte einstellen, bekam aber erst durch die Bewerbungen ein genaueres Bild über die Arbeit eines Unternehmensberaters.
Ich bewarb mich bei The Boston Consulting Group (BCG) und erhielt das Angebot, für acht Wochen als „Visiting Associate“, das heißt als Praktikant, im Kölner Büro zu arbeiten. Sehr überraschend und ungewohnt war für mich als Mediziner der professionelle und auch sehr interessierte Umgang des Unternehmens mit Bewerbern, das Praktikum selbst war eine hervorragende Erfahrung.
Erste Projekterfahrung bei BCG
Ich erhielt die Chance, auf zwei Projekten für verschiedene Krankenkassen zu ganz unterschiedlichen Themen mitzuarbeiten. Das Spektrum reichte von der Steuerung der Leistungskosten im Arzneimittelbereich bis zur strategischen Aufstellung in der Wettbewerbslandschaft. Die zweite Überraschung bestand darin, im doppelten Sinne mit Kollegen zu arbeiten: Der Partner und die Projektleiter auf beiden Projekten waren ebenfalls Mediziner, ein weiterer Kollege Gesundheitsökonom. Auch wenn sich BCG durch einen universalen Ansatz auszeichnet und man als junger Berater viele Themen betreuen können muss, sind natürlich gerade Ärzte bei Kunden aus dem Gesundheitsbereich gefragt.
Noch in einer weiteren Hinsicht war das Praktikum eine neue Erfahrung. Der Ansatz „Geht nicht, gibt es nicht“ beziehungsweise die Bereitschaft, Dinge möglich zu machen, hat mich fasziniert. Freilich erfordert solche Projektarbeit ein gewisses Arbeitspensum und eine Arbeitsbereitschaft, die ich jedoch aus der Medizin kannte.
Die Entscheidung fällt
Nach dem Praktikum erhielt ich das Angebot zum Einstieg bei BCG im Anschluss an das Studium und begann mein PJ-Tertial in Innerer Medizin am Hôpital Saint-Louis sowie am Hôpital Bichat in Paris. Als weitere Stationen folgten Chirurgie und natürlich Augenheilkunde an der Uniklinik in Köln. Während des Tertials an der Augenklinik stellte ich auch meine Promotion zum Thema „Untersuchungen zur Morphologie der Papilla nervi opitici bei Glaukompatienten mittels HRT“ fertig. Gerade dieses Tertial und die spannende Tätigkeit im Stations- und Poliklinikteam, bei der ich unter Aufsicht wie ein neuer Assistenzarzt mitarbeiten durfte, machten mir die Entscheidung nicht leicht.
Ausschlaggebend waren letztendlich die Erfahrungen im Praktikum, die Möglichkeit, durch Projekte viele Bereiche des Gesundheitssystems kennenzulernen und die eigenständige Arbeitsweise bei BCG. Wichtig war und ist mir natürlich, die grundsätzliche Möglichkeit zu behalten, in den ärztlichen Beruf zurückzukehren.
Das spezielle Exotentraining
Unter diesen Voraussetzungen fing ich Anfang 2010 bei BCG im Kölner Büro an. Nach dem Einstieg erhielt ich – wie alle „Neuen“ ohne Wirtschaftsstudium – ein spezielles „Exotentraining“, bei dem innerhalb von zwei Wochen die Grundzüge der BWL vermittelt werden. Darauf folgten zwei weitere Trainingswochen zusammen mit allen Einsteigern – insgesamt 20 bis 30 Kollegen – in einem so genannten “Bootcamp“. Hier werden beispielsweise Präsentationstechniken, PowerPoint- und Excel-Grundlagen sowie Gesprächs- und Moderationsführung trainiert, die zum Rüstzeug jedes Beraters gehören. Gerade als Mediziner mit vielen Patientenkontakten im Studium und einer ähnlichen Rolle als „Dienstleister“ bringt man in etlichen Bereichen eine gut zu verwendende Erfahrung mit.
Diese intensive Trainingszeit am Anfang und natürlich auch die Kollegen auf den ersten Projekteinsätzen halfen mir sehr, schnell bei BCG anzukommen. Schon nach kürzester Zeit spielt der Studienhintergrund nur noch eine untergeordnete Rolle. Es ist eine tolle Erfahrung, auf Projekten mit Wirtschaftswissenschaftlern, Biochemikern, Ingenieuren, Kulturwirten und vielen anderen zusammenzuarbeiten.
Ausgewogener Projektmix
In den zurückliegenden zwei Jahren habe ich vor allem Projekte im Gesundheitsbereich betreut, Krankenkassen und Medizintechnikhersteller beraten und in einem strategischen Projekt die zukünftige Recruitingstrategie von BCG mitgestaltet. Auch ein Ausflug auf eine „Due Diligence“ im Energiesektor gehörte zum bisherigen Projektmix. Die Arbeit als Unternehmensberater macht mir nach wie vor sehr großen Spaß und ich freue mich schon auf die kommenden Herausforderungen.