„Der ist ja noch grün hinter den Ohren!“ Junge Berater haben es oft schwer, potenzielle Kunden von sich zu überzeugen. Um ihr Vertrauen zu gewinnen, fehlt ihnen meist die Erfahrung und Expertise älterer Mitbewerber. Dabei bringen gerade sie viele Stärken und Vorteile mit, mit denen sie beim Auftraggeber punkten können. Welche das sind, verrät Consultingexperte Heinz Goldemund.
Für immer jung! Ein Supersong, der einen Zustand beschreibt, den jeder haben will und erhalten möchte – außer ein junger Unternehmensberater, der einen Auftrag gewinnen will und dem Erfahrungslosigkeit aufgrund seiner Jugend vorgeworfen wird.
Die Auftragschancen junger Kollegen sind an-geblich geringer als die erfahrener oder besser alter Consultants. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass man als Berater an seiner eigenen Jugend verzweifeln, noch dass man versuchen soll, möglichst schnell wie ein erfahrener Berater zu wirken. Diese Behauptung ist zudem nur unter bestimmten Bedingungen richtig, nämlich dann, wenn man seine Stärken oder Talente nicht kennt und sich in die Ecke der Unerfahrenheit drängen lässt. Das „Problem Jugend“ löst sich nach einiger Zeit von selbst, damit kommt aber nicht automatisch auch der Erfolg. Interessanter für Sie ist es zu wissen, was zu tun ist, solange das „Problem“ noch besteht. Was kann ein junger Consultant tun, der gerne selbstständig tätig sein will und nicht zum Auftrag kommt? Um da-rauf eine Antwort zu finden, müssen Sie weit vor einer möglichen Auftragserteilung ansetzen.
Hier handelt es sich um ein Thema, welches vor dem Start einer eigenen Beraterkarriere geklärt werden muss. Folgende Fragen sollten Sie für sich beantworten:
Warum bin ich für die Tätigkeit geeignet? Was kann ich besonders gut (und damit ist nicht „Ratschläge geben“ gemeint)? Was macht mich für einen möglichen Kunden wertvoll? Wofür stehe ich? Welche Talente habe ich? Wie geht es mir beim Zuhören (besonders wenn ich das Problem im Kopf bereits gelöst habe)? Was bin ich wert (wie ist meine Preisstruktur, was sind meine Fixkosten)?Auf wen kann ich zurückgreifen, wenn ich Unterstützung benötige?
Wenn Sie diese Fragen für sich beantwortet haben, können wir den nächsten Schritt ansetzen. Ich möchte Sie an drei wesentliche Erfolgsfaktoren heranführen, die da lauten: Authentizität, Kooperation und Flexibilität.
Authentizität
Wie kann ich mich authentisch in ein Beratungsprojekt einbringen? Erfolgreiche Beratung erfordert immer eine Kommunikation zwischen Berater und Klient auf gleicher Augenhöhe. Kons-truktive Arbeit zwischen unterschiedlichen, aber gleichermaßen kompetenten Menschen. Beide haben den Schwerpunkt ihrer Kompetenzen auf einem anderen Gebiet. Im Idealfall ergänzen sich die Kompetenzen und fokussieren sich auf das Ziel des Kunden.
Beginnen Sie bei sich! Welche Stärken haben Sie bis jetzt in Ihrem Leben entwickelt? Welche Talente haben Ihnen bisher im Studium oder Job geholfen? Was konnten Sie in Krisen nutzen oder einbringen? Was immer Ihnen dabei einfällt, sind wertvolle Rohstoffe, die Sie nutzen können. Bewusst wahrgenommen, gut verpackt und formuliert sind es jene Kompetenzen, die Sie in Ihr Angebot einfließen lassen können. Alles, was Sie auf Basis dieser Talente anbieten können, macht Sie echt und authentisch. Dadurch wird Kontakt auf Augenhöhe möglich. Die Anpassung an Kundenwünsche ist wichtig, da der Kunde für Ihre Leistungen bezahlt, aber wichtiger ist eine ehrliche und offene Kommunikation in der Beratung. Dazu gehört auch, den Kunden auf mögliche Sackgassen in seinen Überlegungen hinzuweisen oder eigene Grenzen aufzuzeigen.
Viele Anfänger machen den Fehler, dem Kunden alles zu versprechen – „ihm nach dem Mund zu reden“, nur um den Auftrag zu bekommen. Dadurch geht Authentizität und die gleiche Augenhöhe verloren. Nur wenn es Ihnen gelingt, den Auftrag im Rahmen der eigenen Talente zu realisieren, werden Sie für Ihren Kunden gute Arbeit leisten. Ohne Authentizität kann Zusammenarbeit nicht erfolgreich sein. Weder für den Klienten, noch für Sie. Ihre echten Fähigkeiten und Stärken werden Ihre Arbeit glaubwürdig machen und ihren Stil prägen.
Kooperation
Das ist der zweite Faktor, der für Erfolg in der Beratung relevant ist. Genau diese Fähigkeit zu kooperieren steht in vielen Projekten ganz oben auf der Klientenwunschliste und wird doch von vielen Beratungskollegen nicht abgebildet. Persönliche Überschätzung, Neid und eine Reihe weiterer Gründe verhindern häufig konsequente Kooperation. Gerade in der Akquise ist professionelle Kooperation eher selten. Am ehesten findet sie sich in festen Partnerschaften, die mit Verträgen und Regeln auf eine langfristige Zusammenarbeit abgestellt sind. Komplexere oder mittelgroße Projekte benötigen jedoch meist eine flexible Zusammenarbeit mehrerer Berater mit unterschiedlichen Profilen.
Ich bin davon überzeugt, dass frische, junge, offene Menschen hier eine besonders gute Chance gegenüber älteren „verkrusteten“ Kollegen haben. Junge Menschen haben gelernt, zusammenzuarbeiten und weisen weniger Berührungsängste auf. Ebenso ist Futterneid noch kein Thema. Sinnvolle Kooperationen können Angebote entstehen lassen, die zu lösungsoffenen Beratungsleistungen führen und am Ende Erfolg bedeuten. Beobachten Sie, wie erfolgreich im Internet in offenen Netzwerken gearbeitet wird und wie erfolgreich die Mitstreiter dabei sind. Nutzen Sie den Transfer dieser Erkenntnisse in Ihre eigene praktische Arbeit.
Flexibilität
Das dritte Element einer gelungenen Beratung ist die Flexibilität. Hier zeigt sich ein Paradoxon. Einerseits ist Erfahrung ein großer Vorteil und bietet viele Möglichkeiten. Andererseits kann sie aber auch den Handlungsspielraum einengen. Unreflektiert eingesetzt, kann sie zur Schwäche oder sogar zur Gefahr werden. Aus Erfahrung können schnelle, klare Entscheidungen getroffen werden. Aus Erfahrung werden aber auch häufig Vorurteile, und sie ermöglichen ebenso schnelle Entscheidungen – diesmal jedoch Fehl-entscheidungen. Verlässt man sich blind auf seine Erfahrungen und reflektiert die Entscheidungen nicht, so nimmt man sich die Möglichkeit, über den Tellerrand zu sehen und andere, vielleicht bessere Lösungen zu finden.
Erfahrung ist also nicht immer ein Vorteil. Offenes, ohne Vorerfahrungen eingeengtes Analysieren ist angesagt. Ihre Jugend wird dabei zum Vorteil, da Sie noch nicht festgelegt sind und noch mit echter Neugierde analysieren können. Sie können flexibler auf Problemstellungen reagieren und vielfältige Lösungen erforschen. Gratulation, dadurch haben Sie einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil, der uns „Alten“ schon deutlich schwerer fällt.
Das Match gegen die Erfahrenen gewinnen Sie nicht durch Aufsetzen einer Maske. Erkennen Sie Ihre eigenen Talente und stellen Sie diese in die Beratungsauslage. Später, in ein paar Jahren, werden Sie dort andere Talente und auch Erfahrung vorweisen können. Ein ständiger Schaufensterumbau ist okay, wenn er mit Dingen erfolgt, die es in Ihrem Beratungsladen auch wirklich gibt.
Heinz Goldemund ist Hochbauingenieur, Projektmanager, Transaktionsanalytiker und Soziologe. Seit 2001 leitet er Goldemund Consulting, ein Beratungsunternehmen, das in den Bereichen Diagnostik, Training, Befragungsarchitektur, Mentoring und Unternehmensberatung tätig ist und ist Mitautor des Ratgebers „Worauf Berater achten: Kompetenzen – Methoden Trends in der professionellen Beratung“ (Linde Verlag 2012).