„Das Beste aus beiden Welten mit dem Flair eines Start-ups“
Die Heraeus Group ist ein breit diversifizierter und weltweit agierender Konzern mit über 17.000 Mitarbeitenden und verfügt über eine Inhouse-Consulting-Einheit, die aus den zwei Bereichen Digital Hub und Excellence besteht. Kimberly Trageser und Nora Kleinschmidt sind dort Consultants und berichten im Interview über die jeweilige Projektarbeit und die Besonderheiten, die die Arbeit in der Inhouse-Beratung eines Familienunternehmens mit sich bringt.
Das Inhouse Consulting des Technologieunternehmens Heraeus besteht aus den zwei Bereichen Digital Hub und Excellence. Nora wirkt im Digital Hub und Kimberly bei Supply Chain Excellence. Kann es passieren, dass ihr trotzdem einmal zusammenarbeitet? Gibt es Synergien und Überschneidungen?
Kimberly: Definitiv, die Arbeitsweisen und der Fokus unserer Teams sind zwar verschieden, da Supply Chain Excellence, kurz SCEX, typischerweise dreimonatige Module durchführt und im Heraeus Digital Hub, kurz HDH, klassisches Projektgeschäft betrieben wird, aber wir ergänzen uns gegenseitig. Wenn SCEX während eines Moduls Digitalisierungspotenziale entdeckt, zum Beispiel die Möglichkeit, eine manuelle, visuelle Inspektion mit AI zu unterstützen, stehen die Teams in engem Kontakt.
Nora: Wir führen gemeinsam sogenannte Energy Waste Walks durch. Diese sind vereinfacht gesagt Gemba Walks mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit. Dabei haben wir schon einige Projekte identifiziert, die den Operating Companies, kurz OpCos, auf dem Weg zur Erreichung ihrer Nachhaltigkeitsziele helfen. Beispiele hierfür sind die Darstellung der Stromverbräuche einschließlich CO2-Auswertungen auf einem Dashboard oder das Installieren von Sensoren zur Messung von Druckluftverbräuchen.
Wichtig für das Change-Management ist, dass wir viel Zeit mit den Kollegen verbringen
Kimberly Trageser, Heraeus
Kimberly, du bist bei SCEX. Womit beschäftigt ihr euch? Kannst du vielleicht ein Projekt exemplarisch beleuchten?
Kimberly: Als SCEX-Team konzentrieren wir uns auf die Optimierung der gesamten Lieferkette, indem wir die Geschäftsbereiche in die Lage versetzen, beispielsweise die Nachfrage besser zu steuern, die richtige Menge an Lagerbeständen zu führen, mit Störungen umzugehen, die Kosten auf ein Minimum zu beschränken und die Kundenbedürfnisse so effektiv wie möglich zu erfüllen. Unsere Themen reichen von der Steigerung der Produktivität in der Produktion über die Verbesserung der Logistik bis hin zur Entwicklung von Plänen für die Zukunft, wie die Standorte ihr voraussichtliches Wachstum bewältigen können.
Unsere Projekte werden als Module bezeichnet und dauern in der Regel drei Monate. Sie beruhen immer auf einer engen Zusammenarbeit in den Produktionsstätten, datengestützten Analysen und der Anwendung bewährter Methoden zur Bewertung des Ist-Zustands. Aus diesem Grund reisen wir in der Regel drei Monate lang mit dem Team vor Ort, um sicherzustellen, dass wir uns voll und ganz auf das konzentrieren können, was in den Werken vor sich geht.
Besonders wichtig für das Change-Management ist, dass wir viel Zeit mit den Kollegen vor Ort verbringen. Die Umsetzung der notwendigen Veränderungen umfasst ein detailliertes Coaching und die Befähigung zu Lean Production, Six Sigma und anderen etablierten Supply-Chain-Methoden, wobei auch Change-Management-Maßnahmen berücksichtigt werden.
Nora, kannst du bitte kurz den Digital Hub vorstellen und etwas über deine Arbeit erzählen?
Nora: Der Heraeus Digital Hub ist der Digitalisierungsbereich bei Heraeus. Dazu gehören Beratung, Innovation, Transformation einschließlich Capability Building, sowie Umsetzung. Wir arbeiten in zwei Teams, eins ist spezialisiert auf IoT und Automation, das andere auf Data Science. Der HDH unterstützt die OpCos bei ihrer digitalen Transformation. Dies geschieht einerseits durch standardisierte Produkte und Services, die wir über die Jahre für Heraeus angepasst und entwickelt haben, andererseits durch individuelle, maßgeschneiderte Lösungen für spezifische Probleme.
Ich selbst arbeite als Junior Digital Consultant im IoT-Team. Wir sind an mehreren unserer HDH-Produkte beteiligt, darunter datengetriebene OEE, bei dem wir mithilfe von Maschinendaten Maschinenstillstände erkennen und analysieren können. Als Projektleiterin für solche Projekte ist es meine Aufgabe, die Prozesse und Anforderungen unserer internen Kunden zu verstehen und diese im Team technisch umzusetzen.
Vor Kurzem habe ich außerdem die Verantwortung für die Digital Academy von einem Kollegen übernommen. Das Ziel ist es, Heraeus-Kolleginnen und -Kollegen in verschiedenen Aspekten der Digitalisierung zu schulen. Dabei umfasst ein Training beispielsweise die Digitalisierung von Fertigungs- und Produktionsbereichen, ein anderes Training konzentriert sich auf die Customer Experience, und weitere Trainings befassen sich mit Datenanalyse und -verarbeitung. Meine Rolle besteht darin, die Trainingsinhalte zu konzipieren, zu koordinieren und teilweise auch zu vermitteln.
Kimberly, du hast einige Jahre Berufserfahrung in der Industrie gesammelt, bevor du Consultant wurdest. Warum hast du den Schritt in die Beratung gemacht? Und: Hat er sich gelohnt?
Kimberly: Bevor ich zu Heraeus kam, habe ich in Start-ups und Scale-ups gearbeitet, war aber immer im operativen Bereich tätig. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, an der Einführung der besten Prozesse und der Entwicklung von Best Practices zu arbeiten. Der Grund für meinen Wechsel zu Heraeus war, dass ich ein anderes Arbeitsumfeld anstrebte und dennoch meine bisherigen Erfahrungen optimal nutzen wollte. Mit SCEX habe ich die perfekte Balance gefunden, in einem größeren Unternehmen zu arbeiten, aber trotzdem etwas bewirken und Veränderungen vorantreiben zu können. Bei Excellence haben wir auch ein bisschen Start-up-Flair mit flachen Hierarchien, genießen aber trotzdem die Vorteile eines etablierten Unternehmens. Für mich hat es sich also wirklich gelohnt, denn ich bekomme das Beste aus beiden Welten und kann das tun, was mir am meisten Spaß macht.
Nora, du engagierst dich ehrenamtlich im Femtec.Alumnae e.V. (FTA). Was macht der Verein und warum engagierst du dich dort? Was ist dein Wunsch, was Frauen in MINT-Berufen angeht?
Nora: Der FTA ist ein Netzwerk hochqualifizierter, technikbegeisterter und engagierter Frauen mit einem akademischen Hintergrund in MINT-Fächern, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Mit mittlerweile über tausend Mitgliedern organisieren wir regelmäßig Seminare, Upskilling-Programme, Stammtische, unsere jährliche Konferenz FTAlive und viele weitere Veranstaltungen. Die verschiedenen Formate dienen der Inspiration, Stärkung, Weiterbildung und vielem mehr. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, ein Netzwerk zu schaffen, als Vorbild zu agieren und die Karriereentwickung von Frauen zu fördern. All das ist meiner Meinung nach wichtig, um mehr Gleichheit zu schaffen, Frauen in Führungspositionen zu stärken, MINT-Studiengänge und Ausbildungen als selbstverständlichen Wunsch junger Frauen nach der Schule anzusehen, Vorurteile abzubauen und individuelle Lösungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu finden. Man merkt, dass ich eine gewisse Leidenschaft dafür habe …
Egal, ob man jetzt zwei oder 20 Jahre im Job ist: Weiterbildung ist das A und O, besonders natürlich in Bereichen, in denen die Halbwertszeit von Wissen gering ist. Wie ist das bei Heraeus? Wie ist der Stellenwert von Trainingsangeboten? Und gibt es auch Raum für Eigeninitiative und das Einbringen neuer Ideen?
Kimberly: Als SCEX-Team haben wir am Ende jedes Moduls eine Teamwoche, in der wir zusammenkommen und über das vergangene Modul nachdenken, aber auch gemeinsam Schulungen durchführen. Das bedeutet, dass wir mindestens viermal im Jahr ein gemeinsames Training haben. Aber was ich persönlich auch sehr schätze, ist, dass unser Lead- und PMO-Team uns auch im Voraus für interne und externe Schulungen anmeldet. Wir müssen dann nur darauf achten, dass wir einen passenden Termin finden. Dadurch fühlt sich das Team sehr ermutigt, sich weiterzuentwickeln und Schulungen zu besuchen. Aber obwohl es viele Schulungsangebote gibt, haben wir auch viel Freiheit, eigene Initiativen zu ergreifen. Das können externe Schulungen sein, die wir besuchen möchten, oder die Teilnahme an Webinaren und/oder Konferenzen. In meinem persönlichen Fall kann ich mich durch die Teilnahme an S&OP-Webinaren und -Konferenzen auf dem neuesten Stand der Branchenstandards halten.
Am „Innovation Friday“ können wir an neuen Ideen arbeiten, bestehende Programme weiterentwickeln oder uns auch selbstständig weiterbilden
Nora Kleinschmidt, Heraeus
Nora: Ich habe auch noch nicht erlebt, dass Kolleg:innen daran gehindert wurden, an externen Trainings teilzunehmen, die speziell für sich und ihre Rollen und Aufgaben zugeschnitten sind. Im HDH haben wir den sogenannten „Innovation Friday“, einen festgelegten Zeitblock im Kalender. In dieser Zeit können wir an neuen Ideen arbeiten, bestehende Programme weiterentwickeln oder uns auch selbstständig weiterbilden. Auf meine Initiative hin wurde in diesen Zeiträumen die „Coffee Lottery“ entwickelt. Dabei handelt es sich um eine automatisierte, technische Lösung, die im gesamten Consulting-Bereich nach dem Zufallsprinzip zwei Mitarbeitende zusammenbringt, um den Austausch auch über die Streams hinweg zu fördern und Synergien zu schaffen.
Ein weiteres Beispiel für den Inno-Friday sind sicherlich unsere LoRa Sensoren. Hier testen die Kolleginnen und Kollegen verschiedene Anbieter für die Messung unterschiedlicher Parameter, entwickeln Halterungen für die Sensoren mit unserem 3D-Drucker, erstellen eine Plattform zur einfachen Integration der Sensoren in die Heraeus Welt und vieles mehr.
Wenn man Consultant nach den Gründen für das Arbeiten in der Branche fragt, wird eine Sache fast immer genannt: Im Consulting kommt man mit vielen Branchen in Kontakt und ist nicht festgelegt. Im Inhouse Consulting bei Heraeus arbeitet man ausschließlich für den Konzern und seine Ziele. Wie ist das bei euch? Warum die Entscheidung für Inhouse und für Heraeus? Welche Vorteile liegen aus eurer Sicht in der Arbeit in einer Inhouse-Beratung generell und bei Heraeus im Speziellen?
Nora: Das Schöne bei Heraeus ist, dass wir ein sehr breit gefächertes Portfolio haben. Allein bei Heraeus kommen wir mit vielen spezialisierten Bereichen verschiedenster Branchen in Kontakt, von Edelmetallen bis hin zum Gesundheitswesen. Dies führt dazu, dass unsere Projekte und Module jedes Mal neue Herausforderungen und Eigenschaften bieten. Für mich war schnell klar, dass ich gerne in die Inhouse-Beratung gehen würde, falls ich mich für eine beratende Rolle entscheide, da ich die Umsetzung der Projekte als nachhaltiger empfinde. So hat man auch nach Projektabschluss Gelegenheit, sich in der Kantine auszutauschen, Kenntnisse über das Unternehmen und die Prozesse aufzubauen und dennoch die Vielseitigkeit der Aufgaben von Prozessoptimierung bis hin zur Digitalisierung zu haben.
Kimberly: Das Tolle an der Inhouse-Beratung ist die Tatsache, dass wir in kurzer Zeit viele verschiedene Geschäftsbereiche – wir nennen sie OpCos – kennenlernen. Dadurch können wir nicht nur das Branchenwissen zwischen den OpCos austauschen, sondern auch Best Practices innerhalb von Heraeus. Wir lernen viele verschiedene Leute kennen und bauen ein großartiges Netzwerk auf, und da Heraeus ein Portfolio-Unternehmen ist, haben unsere OpCos eine große Bandbreite an Produkten. Das bringt oft eine andere Perspektive mit sich und macht den Job nie langweilig.
Heraeus ist ein Familienunternehmen. Gibt es Bereiche oder Momente, in denen man das spürt?
Nora: Jeden Tag! Für mich ist der Zusammenhalt im Team und stetige Austausch auch zu vermeintlich unangenehmeren Themen mit einer offenen Atmosphäre ein wunderbares Beispiel. Ich glaube ein „Nein“ kennt hier keiner – es wird immer nach Lösungsmöglichkeiten gesucht – auch das ist für mich nicht selbstverständlich. Wir sind auch an anderen Standorten weltweit unterwegs und die Offenheit, mit der wir dort empfangen werden, macht auch einen Großteil der familiären Kultur aus.
Kimberly: Ich fühle mich nicht wie eine Nummer in einer großen Organisation, sondern werde als Mensch gesehen. Vor allem, weil ich das Gefühl habe, dass wir bei Excellence das Beste aus beiden Welten mit dem Flair eines Start-ups bekommen. Wir haben also immer noch das Großunternehmen mit allen damit verbundenen Vorteilen, aber trotzdem flache Hierarchien in unserem Team und können mit unserer Arbeit wirklich etwas bewirken.
Nora Kleinschmidt // Heraeus Digital Hub
Nora Kleinschmidt, Jahrgang 1997, ist seit August 2022 Junior Digital Consultant bei Heraeus Consulting & IT Solutions und arbeitet im Digital Hub. Sie hat am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Wirtschaftsingenieurwesen studiert und ist ehrenamtlich bei Femtec.Alumnae e.V. aktiv, einem Netzwerk für technikbegeisterte und engagierte Frauen mit einem akademischen Hintergrund in MINT-Fächern. Privat findet man sie zwar meistens auf oder neben dem Hockeyplatz, aber wenn die Zeit es zulässt, verbringt sie ihre Wochenenden auch gerne in der Natur zum Wandern, Skifahren, Segeln oder Radfahren.
Kimberly Trageser // Heraeus Excellence
Kimberly Trageser, Jahrgang 1993, ist Supply Chain Excellence Manager bei Heraeus Consulting & IT Solutions. Die gebürtige Niederländerin studierte International Business an der Fontys University of Applied Sciences (Eindhoven, NL), und absolvierte ihre Auslandsemester an der TH Aschaffenburg. Nach fünf Jahren Berufserfahrung in der Industrie fand sie 2022 bei Heraeus im Bereich Supply Chain Excellence den Einstieg ins Consulting. In ihrer Freizeit reist sie gerne, um zu tauchen, zu fotografieren und verschiedene kulinarische Erfahrungen zu machen. Aber auch zu Hause ist sie glücklich, wenn sie ein Buch liest oder beim Kochen gute Musik genießt.