„Als Berater ist man äußerst flexibel” – Wie Naturwissenschaftler und Ingenieure den Weg in die Beratung finden
Schon lange keine Exoten mehr, aber dafür wichtige Role-Models: Informatiker, Naturwissenschaftler und Ingenieure in der Beratung. Biochemikerin Dr. Lisa Henning und Wirtschaftsingenieur Christian Fleischer erzählen, wie sie zu Bain & Company gekommen sind – und warum sie anderen diesen Schritt nur empfehlen können.
Es gibt sicherlich einige WiWis, die ihr Studium mit dem festen Ziel antreten, Unternehmensberater zu werden. Bei Naturwissenschaftlern und Ingenieuren dürfte dies eher nicht der Fall sein. Was war Ihr Ziel, Ihr Wunsch, als Sie das Studium begannen?
Christian Fleischer: Nach dem Abitur wollte ich vor allem nach zehn Jahren im beschaulichen Siegerland einen Tapetenwechsel. Ich bin daher zunächst für ein Praktikum nach Hamburg gezogen und anschließend in Karlsruhe am KIT angetreten. Meine Ziele damals waren aber vergleichsweise banal: in der Stadt ankommen, neue Freunde kennenlernen, oder nicht gleich durch die erste Prüfung fallen – von einem Wunsch, Strategieberater zu werden, am Besten direkt bei einer der Top-3-Strategieberatungen, konnte da keine Rede sein.
Die Wahl „Wirtschaftsingenieurwesen“ hatte für mich einen ganz wesentlichen Grund: Ich versprach mir eine breite Ausbildung und viel Abwechslung, was sich auch erfüllt hat. Flexibilität und einen gewissen Grad Unabhängigkeit fand ich schon immer erstrebenswert. Schnelle Anpassungsfähigkeit und die Tatsache, dass wir uns in praktisch jedem Setting zurechtfinden, sind dann tatsächlich auch Kernfähigkeiten von Unternehmensberatern – von daher passt im Nachhinein vieles ganz gut zusammen.
Was haben Sie aus dem Studium mitgenommen, das Ihnen an jedem Tag in der Beratung hilft?
Fleischer: Für mich sind es weniger spezifische, fachliche Inhalte – sondern mehr die Fähigkeit, neues Wissen schnell zu strukturieren, zu verinnerlichen und selbstständig anzuwenden. Als Wirtschaftsingenieur hat man im Studium ein breites Spektrum an Fächern. Zum Teil mussten wir binnen drei Wochen von Investitionsrechnung in BWL, Geldpolitik in VWL bis hin zu Fahrzeugtechnik und Programmieren jede Menge Details für die Prüfungen parat haben. Dieses schnelle Hineindenken in neue Themen und auch der Spaß daran, sich selbst immer wieder neue Themenfelder zu erschließen, sind sehr wichtige Eigenschaften, die Unternehmensberater auszeichnet.
Wie war das bei Ihnen, Frau Dr. Henning?
Dr. Lisa Henning: Ich habe in Zürich Interdisziplinäre Naturwissenschaften studiert. Das ist ein Programm, bei dem Grundlagen in mehreren Naturwissenschaften vermittelt werden, um eine Spezialisierung zwischen den klassischen naturwissenschaftlichen Disziplinen zu ermöglichen. Ich begann das Studium in erster Linie aus Neugier – in der Absicht, besser zu verstehen, wie die Welt und ihre natürlichen Gesetze funktionieren. Über die spätere berufliche Perspektive habe ich mir zu dem Zeitpunkt ehrlich gesagt noch keine großen Gedanken gemacht. Ich denke, meine Vorstellung war, dass ich in der Forschung arbeiten würde und durch meine Arbeit zur Lösung zentraler wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Fragestellungen beitragen würde.
In den Naturwissenschaften hat jede Disziplin eine eigene Art, Fragestellungen zu bearbeiten, welche häufig nur grob definiert sind. Der Umgang damit ist sicherlich eine Fähigkeit, die mir auch im Alltag als Beraterin hilft. Zudem ist die Arbeit in der Beratung stark hypothesengetrieben. Daher ist es hilfreich, dass ich als Naturwissenschaftlerin weiß, wie man Hypothesen durch einen strukturierten Ansatz prüft, kritische Fragen und Aspekte herausarbeitet und mit einem dynamischen Umfeld umgehen kann.
Eine große Umstellung ist allerdings die Kommunikation von Ergebnissen. Während man in der Naturwissenschaft typischerweise zuerst die Datenlage erläutert und durchgeführte Experimente detailliert erklärt – bevor man eine Lösung präsentiert – wird in der Beratung zunächst die Lösung aufgezeigt, welche dann mit Ergebnissen aus Analysen gestützt wird. Diese Erfahrungen in der Arbeit als Beraterin helfen auch dabei eigene Forschungsprojekte zu leiten, da man schnell lernt Verantwortung zu übernehmen.
Wie sind Sie dann zur Beratung – und zu Bain – gekommen?
Fleischer: Neben dem Studium habe ich mich früh als studentischer Unternehmensberater bei fuks e.V. engagiert. Mir gefiel die Idee, noch etwas neben dem Studium zu machen – und das Konzept des studentischen Beraters, wie auch die damals dort aktiven Studierenden, haben mich schnell überzeugt. Es ist daher keine Überraschung, dass ich schlussendlich mein gesamtes Studium bei fuks aktiv war. Dabei konnte ich unter anderem auch in die Rolle des Projektleiters schlüpfen. Die Arbeit mit unseren damaligen Kunden, als auch meine Teilnahme an verschiedenen Workshops mit Unternehmensberatungen am Campus, waren der Beginn konkreterer Überlegungen, auch nach dem Studium Berater zu werden.
Bain habe ich dabei schließlich, ganz klassisch, über ein Abendevent in Karlsruhe kennengelernt, auf das ich durch Hochschulmarketing aufmerksam geworden bin. Beim Event war ich dann sehr begeistert von den Bainies, die ich an diesem Abend kennengelernt habe. Dieser Eindruck hat sich anschließend sowohl in einigen Follow-ups, im Bewerbungsprozess als auch in meinen Interviews zum Berufseinstieg bestätigt.
Wie viel Ingenieur steckt in Ihnen und wie viel Berater?
Fleischer: Wenn Sie meinen Vater fragen würden – seines Zeichens Professor für Maschinenbau und ein echter Vollblut-Ingenieur – maximal 10 Prozent Ingenieur. Ich selbst würde behaupten, dass ich zu 30 Prozent Ingenieur und zu 70 Prozent Berater bin. Denn meine Schwerpunkte bei Bain liegen seit meinem Start im Bereich Industriegüter, wobei ich meine längsten Projekteinsätze bei Kunden im Bereich Automotive absolviert habe.
Während meines Studiums lag mein Schwerpunkt weniger auf dem klassischen Maschinenbau, sondern vielmehr auf Corporate Finance und Strategie. Eine klassische Ingenieurkarriere, wie etwa in der Entwicklungsabteilung meiner Kunden einzuschlagen, wäre sehr unrealistisch gewesen.
Frau Dr. Henning, Sie sind auch über ein Recruiting-Event zu Bain bekommen. Können Sie kurz erzählen, wie das ablief?
Henning: Gegen Ende meiner Doktorarbeit habe ich begonnen, mich nach Alternativen zur klassischen akademischen Karriere umzusehen. Ein Einstieg in die Unternehmensberatung klang für mich insbesondere deshalb verlockend, weil ich darin die Möglichkeit sah, in ein anderes Spektrum an Themengebieten einzutauchen und ein neues Umfeld kennenzulernen, in dem die Auswirkungen der eigenen Tätigkeit greifbarer sind als in der Grundlagenforschung.
Um einen besseren Eindruck davon zu bekommen, was Strategieberatung wirklich bedeutet, habe ich mich für das Event „KOMPASS“ bei Bain beworben. Neben der Teilnahme am Kommunikationstraining für weibliche Führungskräfte hatte ich die Möglichkeit, die anwesenden Bainies mit Fragen zum Berufsbild und Alltag eines Beraters zu löchern. Dabei war ich sehr beeindruckt von der offenen und sympathischen Kultur bei Bain, die ganz anders war, als das oft transportierte Bild des abgehobenen Beraters.
Tipp für Bewerber ohne Business-Hintergrund: in der Vorbereitung Grundlagen der BWL aneignen und Case-Studies üben
Dr. Lisa Henning, Biochemikerin bei Bain & Company
Kurze Zeit später habe ich mich dann auch für den Festeinstieg bei Bain beworben. Während der Interviews war die Atmosphäre ebenfalls sehr angenehm und wertschätzend, was mich letztendlich auch davon überzeugt hat, das Angebot anzunehmen. Ein kleiner Tipp für Bewerber ohne Business-Hintergrund: Für mich war es hilfreich, mir in der Vorbereitung Grundlagen der BWL anzueignen. Das beste Training für die Interviews ist allerdings, gemeinsam mit anderen Bewerbern Case-Studies zu üben.
Wie viel Biochemie steckt in Ihrem jetzigen Job?
Henning: Inhaltlich beschäftige ich mich momentan kaum mit Biochemie. Das Themengebiet, in dem man sich bewegt, hängt natürlich immer von dem jeweiligen Projekt ab. Genau das stellt für mich jedoch einen besonderen Reiz des Berufsbildes „Berater“ dar. Denn man lernt kontinuierlich etwas Neues dazu und erkennt, welche Fragestellungen essentiell für einen bestimmten Bereich sind und welche Lösungsansätze relevant sind. Diese Konfrontation mit immer neuen Fragestellungen löst in mir eine wissenschaftliche Neugier aus.
Bindeglied zwischen Beratung und Klient, übersetzt Anforderungen ins technische, kann dem Kunden fachlich auf Augenhöhe begegnen – das ist so in etwa, was Ingenieuren in Beratungen nachgesagt wird. Stimmt das alles und wie würden Sie Ihre Rolle selbst interpretieren?
Fleischer: Ich denke, alle Berater bei Bain sind ein Stück weit Ingenieure – denn wir alle „werkeln“ an maßgeschneiderten Lösungen für die individuellen Probleme unserer Kunden. Natürlich nutzen auch wir „Baupläne“ und verwenden unsere vorhandene Expertise – aber nur, um diese im Endeffekt in eine neue Lösung einfließen zu lassen. Der Kunde bekommt von uns kein greifbares Produkt, wie etwa eine Maschine, ein Fahrzeug oder ein Smartphone geliefert, sondern erhält beispielsweise eine neue Kundensegmentierung oder Empfehlungen zur Organisationsoptimierung. Diese Ergebnisse sind für unsere Kunden sicherlich nicht weniger wertvoll oder weniger ergebnisorientiert.
Grundsätzlich stellen wir Ingenieure kein besseres Bindeglied zwischen Kunden und Beratung dar, als beispielweise ein Betriebswirt oder Mediziner. Zwar sind wir durchaus in der Lage unseren Kunden auf Augenhöhe zu begegnen, aber Kolleginnen und Kollegen mit einem Abschluss in Physik, Mathematik oder Geisteswissenschaft sind es nicht minder. Generell sehe ich unsere interdisziplinären Teams als einen der größten Vorteile, die wir als Berater mitbringen. Nichtsdestotrotz sind Berater mit Ingenieurshintergrund äußerst gefragt, sowohl in der klassischen „deutschen“ Automobilindustrie oder auch im Maschinenbau – insbesondere bei Fragestellungen, die sich bei Schnittstellen zwischen technischer und betriebswirtschaftlicher Welt ergeben.
Henning: Bewegt man sich als Naturwissenschaftler in Projekten im eigenen Fachgebiet, hat man eine andere inhaltliche Tiefe und dadurch eine andere Perspektive auf die spezifischen Fragestellungen im Projekt. In diesen Fällen entspricht unsere Rolle, der eines Fachexperten, der dem Kunden auf Augenhöhe begegnet und eine Brücke zwischen Kunde und Beratungsteam darstellt.
Aber auch in fachfremden Projekten kann man als Naturwissenschaftler seine erlernten Fähigkeiten gewinnbringend einsetzen. Im naturwissenschaftlichen Studium lernt man nicht nur Fakten über die Chemie, Physik und Biologie – sondern auch, wie an eine scheinbar unlösbare und unüberschaubare Fragestellung herangegangen werden kann, wie man Hypothesen aufstellt und diese in einer strukturierten Herangehensweise überprüft. Insbesondere wenn man selbst ein wissenschaftliches Projekt geleitet hat, weiß man, wie man ein Projekt auch unter schwierigen Bedingungen vorantreibt und gegenüber anderen präsentiert. Die Rolle eines Beraters mit naturwissenschaftlichem Hintergrund ist somit, wie vieles in der Beratung, projektabhängig.
Was schätzen Sie besonders an Ihrem Job und Ihrem Arbeitgeber?
Henning: An meiner Arbeit bei Bain schätze ich die Möglichkeit, mich immer wieder mit neuen Fragestellungen zu beschäftigen und die Tatsache, dass man nicht aufhört, zu lernen. Dabei bleibt die Lernkurve durch den hohen Grad an Abwechslung sehr steil.
Anders als bei der Arbeit in der akademischen Forschung arbeitet man als Berater zudem immer gemeinsam mit einem Team an einer Fragestellung. Die Arbeit als Beraterin macht mir besonders Spaß durch die starke Interaktion sowohl mit Kolleginnen und Kollegen als auch mit Kunden. Ergebnisse werden schneller und in höherer Qualität erzielt. Dabei findet die Interaktion zwischen allen Hierarchieebenen statt, was die Entwicklung der eigenen Fähigkeiten stark beschleunigt.
Insgesamt wird bei Bain großer Wert auf die berufliche Weiterentwicklung jedes einzelnen Beraters gelegt. Durch regelmäßiges Feedback und verschiedene Ansprechpartner auf verschiedenen Ebenen wird sichergestellt, dass alle Mitarbeiter erhalten, was sie brauchen, um erfolgreich zu sein. Wir Beraterinnen profitieren auch von frauenspezifischen Trainings, individuellem Coaching im Rahmen unseres Mentoring-Programms und „Women@Bain“, dem globalen Karrierenetzwerk für Beraterinnen. Dabei gilt auch der Grundsatz „Build your own Bain“: Jeder Bainie hat diverse Möglichkeiten, seine Laufbahn selbstbestimmt und nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Dadurch wird uns eine Flexibilität verliehen, die in einer Karriere in der Forschung in diesem Ausmaß nicht möglich ist.
Fleischer: Als Berater ist man äußerst flexibel. Nach nunmehr vier Jahren kann ich sagen, dass neben den fantastischen Menschen, die ich bei Bain bis heute kennengelernt habe und mit denen ich täglich zusammenarbeite, insbesondere die große Abwechslung im Projektalltag eine tolle Sache ist. Bei Bain startet man nach der Universität als klassischer Generalist – da kann es vorkommen, dass man im ersten Jahr Projekte im Bereich Telekommunikation macht – und anschließend im Banking. Dazu kommt noch das ein oder andere „Proposal“ – also Projektvorschläge – im Bereich Konsumgüter oder Handel. Einige Kollegen haben so ihr Steckenpferd gefunden – und hätten im Vorfeld keinen Penny daraufgesetzt, dass es genau diese Industrie sein würde.
Daneben steht die Anforderung, schon zu einem frühen Zeitpunkt der Karriere in einem Projekt viel Verantwortung zu übernehmen. Bain ist hier sehr fordernd, gibt aber auch die nötigen Tools, Trainings und Coachings an die Hand, um erfolgreich sein zu können. Dies ist einer der vielen Aspekte, die ich an Bain sehr schätze. Rückblickend bin ich immer wieder erstaunt, was ich als Bainie bereits erlebt und gelernt habe – und auch mit Blick auf die nächste Zeit mache ich mir keine Sorge, dass es langweilig wird. Routine kommt bei uns ohnehin nie auf, was die Lernkurve gerade im Vergleich zu alternativen Karrierepfaden in der Industrie oder auch der Wissenschaft noch steiler macht. Wie sagte schon Meister Yoda: „Viel zu lernen du noch hast“.
(Das Interview führte David Lins)
Dr. Lisa Henning und Christian Fleischer, Bain & Company
Lisa Henning (32) hat in Zürich und Paris Interdisziplinäre Naturwissenschaften studiert und in Berlin im Bereich Protein Biochemie promoviert. Seit Juni 2018 ist sie Consultant im Berliner Büro von Bain. Neben Naturwissenschaft und Beratung begeistert sie sich für Outdoor-Sport (Wandern, Snowboarden, Surfen), ihre tropische Pflanzensammlung und gutes vegetarisches Essen.
Christian Fleischer (30) ist seit 2014 bei Bain und mittlerweile Case Team Leader. Zuhause in Karlsruhe, wo er bereits sein Bachelor- und Masterstudium des Wirtschaftsingenieurwesens absolviert hat, treibt er in seiner Freizeit gerne Sport verschiedenster Art (Joggen, Crossfit, Biken, Hiken, Skifahren) und hegt eine große Leidenschaft für die alten Star-Wars-Filme und die James-Bond-Reihe.