Von 28 Prozent zur Gleichstellung: Warum die Branche noch einen weiten Weg vor sich hat
Martje Helbing, Vorstand im Junior Consulting Team Nürnberg und aktiv im Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen, analysiert die aktuelle Situation von Frauen in der Consulting-Branche. Trotz steigendem Frauenanteil von 28 Prozent zeigt sie strukturelle Barrieren auf – von der 20-prozentigen Lohnlücke bis hin zu fehlenden weiblichen Vorbildern in Führungspositionen. Gleichzeitig beleuchtet sie, wie studentische Initiativen und gezielte Programme den Wandel vorantreiben und warum Diversität längst ein strategischer Erfolgsfaktor geworden ist.
Ein Beitrag von Martje Helbing
Die Consulting-Branche ist nach wie vor stark männlich geprägt. Dennoch bewegt sich etwas. Im Median liegt der Frauenanteil in deutschen Beratungshäusern aktuell bei rund 28 Prozent, was einen deutlichen Zuwachs in den letzten fünf Jahren bedeutet. Trotz dieser Entwicklung bleibt der Weg nach oben oft beschwerlich. Gerade in den Führungsetagen sind Frauen weiterhin deutlich unterrepräsentiert und stoßen auf Barrieren, die es abzubauen gilt.
Besonders deutlich werden die strukturellen Herausforderungen für Frauen in der Beratungsbranche beim Thema Vergütung. Trotz gleicher Qualifikationen und Tätigkeiten, zeigt sich hier ein klarer Unterschied. 2024 verdienten Frauen in Deutschland im Consulting und Audit rund 20 % weniger als Männer. Das liegt deutlich über dem deutschen Durchschnitt aller Branchen. Neben der Vergütung spielen auch kulturelle und strukturelle Faktoren eine Rolle. Fehlende weibliche Vorbilder in Führungspositionen erschweren jungen Beraterinnen die Orientierung. Unbewusste Vorurteile in Bewerbungs- und Beförderungsprozessen führen dazu, dass Frauen oft trotz gleicher Leistung übergangen werden. Hinzu kommt die eingeschränkte Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, denn noch immer sind viele Beratungsmodelle auf lange Präsenzzeiten ausgelegt, was besonders für berufstätige Eltern ein Hindernis darstellt. Diese Faktoren zusammengenommen machen deutlich, dass Gleichstellung im Consulting bislang nicht erreicht ist.
Auch im Rahmen von Recruitingmaßnahmen durfte ich selbst schon erleben, wie groß die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Bezug auf Gleichberechtigung sein kann. In Workshops oder Unternehmenspräsentationen wurde häufig betont, wie divers das jeweilige Team aufgestellt sei, während es in dem Moment nur durch männliche Berater repräsentiert wurde.
Wenn die ersten Begegnungen mit der Beratungswelt fast ausschließlich männlich geprägt sind, bleibt unausgesprochen hängen, dass Frauen in den fachlichen Rollen nicht selbstverständlich vorkommen
In manchen Fällen war auch eine Frau anwesend, allerdings nicht in einer fachlichen Rolle, sondern als HR-Verantwortliche, während die eigentlichen Beratungsinhalte weiterhin von männlichen Kollegen präsentiert wurden. Es handelt sich dabei zwar um einzelne Situationen und nicht viele Beratungen treten diverser auf, dennoch können gerade solche Eindrücke auf interessierte weibliche Studentinnen einen bleibenden Effekt haben. Statt ein Gefühl von Offenheit und Zugehörigkeit zu vermitteln, entsteht leicht der Eindruck, dass Diversität zwar auf den Folien präsent ist, in der Realität jedoch noch nicht selbstverständlich gelebt wird. Wenn die ersten Begegnungen mit der Beratungswelt fast ausschließlich männlich geprägt sind, bleibt unausgesprochen hängen, dass Frauen zwar willkommen sind, in den fachlichen Rollen jedoch nicht selbstverständlich vorkommen.
Diese persönlichen Eindrücke verdeutlichen, dass Gleichstellung im Consulting bislang nicht erreicht ist. Gleichzeitig zeigen zahlreiche Studien, dass genau diese Barrieren nicht nur individuelle Karrieren hemmen, sondern auch für die Unternehmen selbst einen Wettbewerbsnachteil darstellen können.
So zeigen Untersuchungen von McKinsey und der Boston Consulting Group, dass vielfältig zusammengesetzte Führungsteams nachweislich innovativer arbeiten, bessere Entscheidungen treffen und wirtschaftlich erfolgreicher agieren. Diversität in der Führung ist somit nicht allein eine Frage der Gerechtigkeit, sondern längst ein strategischer Erfolgsfaktor. Schon relativ kleine Veränderungen in der Zusammensetzung des Führungsteams können zu deutlichen Innovationsergebnissen führen. So kann etwa die Integration einiger Frauen oder Personen mit anderem Branchenerfahrungshintergrund den Innovationserlös merklich steigern. Gleichzeitig unterstreichen McKinsey und BCG, dass Diversität weit mehr bewirkt, wenn sie durch inklusive Unternehmenskulturen begleitet wird, also Strukturen, in denen Vielfalt gefördert, Ideen aktiv gehört und Leistung anerkannt wird.
Führungspositionen im BDSU sind keine Frage des Geschlechts, sondern von Kompetenz, Engagement und Vision
Auch im BDSU macht sich dieser Wandel bemerkbar. Heute sind bereits rund 33 Prozent unserer Mitglieder Frauen. Das zeigt, dass immer mehr Studentinnen die Beratungswelt als spannende Perspektive sehen und sich ihren Platz darin sichern wollen. Sowohl die letzten Jahre im BDSU als auch derzeit in 10 der 31 Mitgliedsinitiativen ist die Position der 1. Vorsitzenden weiblich besetzt. Dies unterstreicht, dass Führungspositionen im BDSU keine Frage des Geschlechts sind, sondern durch Kompetenz, Engagement und Vision erreicht werden. Damit bietet der Verband nicht nur praktische Erfahrung in Projekten, sondern auch ein ideales Lernfeld für Führung und Leadership. Viele Mitgliedsinitiativen wollen auch im Recruiting bereits aktiv Frauen ansprechen. So gibt es immer wieder bei Recruitingveranstaltungen weibliche Speakerinnen oder Angebote wie einen Womensbrunch, die sich explizit nur an Studentinnen richten.
Vor rund eineinhalb Jahren haben wir gemeinsam mit unserem Kuratorium ein Austauschformat zu Frauen und Diversität im Consulting initiiert. In inspirierenden Keynotes und Diskussionsrunden kamen Studentinnen und erfahrene Beraterinnen zusammen, um Erfahrungen auszutauschen, Barrieren sichtbar zu machen und Ideen zu entwickeln, wie die Branche inklusiver und vielfältiger gestaltet werden kann. Zudem gab es viele Einblicke, was die Beratungen bereits tun, um Frauen bei sich zu fördern, von Stammtischen, wo diese sich über Hürden und Probleme austauschen können, bis hin zu Teilzeitmodellen für Führungspositionen, um auch berufstätigen Eltern Karriereaufstiege zu ermöglichen.
Frauen in der Beratung werden immer präsenter, aber von echter Gleichstellung, gerade in den oberen Führungsebenen, ist die Branche noch entfernt. Entscheidend wird sein, ob Unternehmen und Verbände den eingeschlagenen Kurs konsequent fortsetzen und die bestehenden Strukturen weiter öffnen.
Martje Helbing // BDSU
Martje Helbing studiert derzeit im Master Medien, Ethik und Religion an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und hat bereits einen Bachelor in Unternehmens- und Wirtschaftsrecht an der Leuphana Universität Lüneburg abgeschlossen. Sie verfügt über vielfältige praktische Erfahrungen in den Bereichen Marketing, PR, Audit, Steuerberatung und Datenschutz, unter anderem durch Praktika bei der Metropolregion Nürnberg und SIGNOS. Als Vorstand für Personal, IT & Qualitätsmanagement im Junior Consulting Team Nürnberg sowie durch ihre Tätigkeit als studentische Beraterin hat sie bereits Führungs- und Beratungskompetenzen entwickelt. Ihr Engagement im BDSU und als ehemalige Basketballtrainerin und Schiedsrichterin unterstreicht ihre Organisations- und Führungsfähigkeiten.